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Mitteilung vom 30.08.01

Presse-Infos | Der LWL

Archäologen graben in der "Montanregion des Mittelalters"
Funde von der Kampfaxt "Frankziska" bis zur Pinzette

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Marsberg (lwl). Bei Ausgrabungen in Marsberg-Niedermarsberg (Hochsauerlandkreis) haben Archäologen des Landschaftsverbandes Westalen-Lippe (LWL) seit 1999 eines der ältesten Industriegebiete Mitteleuropas freigelegt. Mehr als 30 Metallverhüttungsöfen, Schlackenhalden
mit einem Volumen von mehr als 800 Kubikmetern, da
neben Reste von Wohnhäusern und Werkstätten, Kleinunde wie Glasperlen, eine Pfeilspitze oder eine Kampfaxt geben einen detaillierten Einblick in einen mittelalterlichen Erzverhüttungs- und Siedlungsplatz des 7. bis 13. Jahrhunderts von überregionaler Bedeutung.

An den Ufern der Diemel, zwischen den Marsberger Ortsteilen Niedermarsberg und Westheim, liegt die Wüstung Twiste, seit 1046 urkundlich als villa Twesine bekannt. Mehr als ein halbes Jahrtausend bestand die Siedlung, bevor im Laufe des 15. Jahrhunderts auch die letzten Bewohner ihre
Höfe verließen. Jahrhundertelang war der Platz in Sichtweite der mächtigen Eresburg, einer ehemaligen Festung Karls des Großen, vergessen, bis er in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts wieder entdeckt wurde.

Die Ausgrabungen wurden durch die Ausweisung des Areals als Industriegebiet nötig und begannen 1999. Sehr schnell zeigte sich, daß der Ort kein beliebiges verlassenes Dorf war, wie sie zu Hunderten bekannt sind, sondern ein frühmittelalterlicher Erzverhüttungsplatz und eine Siedlung, die bis in die Merowingerzeit, in das 7. Jahrhundert, zurückreichen.

Bis jetzt legten die Ausgräber mehr als 30 Metallverhüttungsöfen, Halden mit einem Volumen von mehr als 800 Kubikmetern und Verhüttungs-schlacken frei, daneben die Grund-
risse von Wohnhäusern, von Speichern für die Feldfrüchte und von kleinen Nebengebäuden, in denen Handwerker arbeiteten, den sogenannten Grubenhäusern.

Keramik und Tierknochen als Speiseabfälle bilden die umfangreichsten Fundkategorien. Glasperlen in allen Regenbogenfarben waren Bestandteile der Frauentracht, Kämme und eine Pinzette gehörten dagegen in den frühmittelalterlichen
"Kulturbeutel".

Die Archäologen des LWL fanden aber auch Waffenteile, eine Lanzenspitze, eine eiserne Pfeilspitze und sogar eine Kampfaxt, eine so genannte Franziska. Das breite Spektrum der Funde gibt einen Einblick in das Leben der Menschen, die seit dem 7. Jahrhundert an den Ufern der Diemel siedelten und Marsbergs ältestes Industriegebiet für mehrere Jahrhunderte zu einem überregional wichtigen Zentrum der Erzverhüttung machten.

"Die überregionale Bedeutung der archäologischen Hinterlassenschaften erklärt sich nicht nur aus der guten Erhaltung, sondern viel mehr noch durch die Lage im "Marsberger Revier": Die Kupfer-erzlagerstätten um Marsberg gehören mit Harz und Schwarzwald zu den bedeutendsten in Mitteleuropa und waren für die mittelalterliche Rohstoff-versorgung weit über Westfalen hinaus wichtig. Erzverhüttungsplätze sind hier bislang nicht bekannt gewesen" resümiert Anja Grothe, die wissenschaftliche Grabungsleiterin. "Experten sahen schon mehrfach einen Zusammenhang zwischen der Besitzübertragung der Region um
Marsberg an die mächtige Reichsabtei Corvey an der Weser im Jahre 826 und den reichen Bodenschätzen entlang des Diemeltales. Angesichts unserer Ausgrabung wundert es nicht mehr, daß das Münz- und Marktprivileg für Corvey um 900 für Niedermarsberg erweitert wurde", so die LWL-Archäologin weiter.

Nach Abschluß der Ausgrabungen im Oktober 2001 werden auf dem Areal neue Industrie-anlagen gebaut. So schließt sich der Kreis von der Kupferverhüttung des 8. zum Gewerbe-gebiet des 21. Jahrhunderts.
Mit dem von der Stadt Marsberg, der Bundesanstalt für Arbeit, dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe und dem Land Nordrhein-Westfalen finan-zierten Projekt wurde bislang eine ausgedehnte Fläche von annähernd drei Hektar freigelegt. Die organisatorische und wissenschaftliche Leitung und Betreuung liegt bei der Mittelalter- und Neuzeit-archäologie des LWL-Amtes für Bodendenkmalpflege.

Die Grabungsmannschaft setzt sich zusammen aus einem internationalen Team zusammen. Zu den 20 Grabungshelfer/innen aus Marsberg, die in einer Arbeitsbe-schaffungsmaßnahme des Arbeitsamtes gefördert werden, kommen Studentinnen und Studenten von den Universitäten Bremen, Göttingen, Bochum, Bonn, Paderborn/Höxter, Heidelberg, Bamberg und Tübingen sowie aus Lund und Uppsala/Schweden, Belfast/Nordirland
und Melbourne/Australien.

Am Sonntag, den 9. September 2001 können sich Besucher am "Tag des offenen Denk-mals" von den Ergebnissen und Funden vor Ort ein Bild machen. Neben Führungen im Halbstundentakt werden Aktionen für Kinder stattfinden. Zudem wird für das leibliche Wohl von Groß und Klein Sorge getragen.

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