LWL-Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Mitteilung vom 06.10.05

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Arrivato - angekommen!
Industriemuseum präsentiert Geschichte der Italiener ¿online¿

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Bochum (lwl). ¿In Deutschland ist es kalt, das war eins der wenigen Dinge, die ich über mein Reiseziel wusste¿, erinnert sich Giuseppino Fileccia, der als Gastarbeiter 1957 aus Sardinien nach Deutschland kam und in der Oberhausener Zeche Concordia als Bergmann arbeitete. Seine Lebensgeschichte steht mit den Erinnerungen von sechs weiteren italienischen Zuwanderern im Zentrum eines neuen Internetportals (https://www.angekommen.com/italiener), das das Westfälische Industriemuseum Zeche Hannover in Bochum am Donnerstag (6.10.) freigeschaltet hat.

Mit dem Anwerbeabkommen zwischen Deutschland und Italien vom 23. Dezember 1955 begann die planmäßige Anwerbung von Gastarbeitern für die Bundesrepublik, die bis zum Anwerbestopp 1973 über fünf Millionen Menschen aus Südeuropa nach Deutschland brachte. Zum 50-jährigen Jubiläum präsentieren das Museum des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) in Kooperation mit dem Landeszentrum für Zuwanderung NRW und der Agentur Lichtbild ein umfassendes Internetportal zur Geschichte der italienischen Migration nach Deutschland vom Kaiserreich bis in die 1970er Jahre.

Lebensgeschichtliche Berichte, historische Bild- und Textquellen sowie zahlreiche Hintergrundinformationen eröffnen eine Entdeckungsreise in die facettenreiche Geschichte der Italiener im Ruhrgebiet am Beispiel des Bergbaus von der Kaiserzeit bis zur Bundesrepublik.

¿Mit der heutigen Eröffnung des Projektes ist es möglich, von jedem Büro, Schreibtisch oder Klassenraum aus ein plastisches Bild über die Geschichte der italienischen Einwanderung nach Deutschland, speziell ins Ruhrgebiet, zu erlangen¿, freut sich der Projektinitiator Jan Motte vom Landeszentrum.

Bei der Vorstellung des Projektes vor der Presse am Nachmittag nannte Museumsleiter Dietmar Osses drei zentrale Funktionen des Portals und der Veranstaltung: Rückblick, Anerkennung und Dialog. ¿Dieser gleichberechtigte Dialog zwischen den einzelnen Gruppen unserer Gesellschaft ist sicherlich auch ein wichtiger Baustein für die Zukunft: für die Gestaltung eines Zusammenlebens in einer Gesellschaft, in der Migration und Einwanderung nicht nur schon lange Realität sind, sondern in wenigen Jahrzehnten auch die Erfahrungswelt der Bevölkerungsmehrheit sein werden¿, so Osses.

Das Internetportal ist das zweite Projekt des LWL-Industriemuseums zur italienischen Migration: Im Sommer 2003 zeigte die Zeche Hannover in Bochum die Ausstellung ¿Neapel - Bochum - Rimini. Arbeiten in Deutschland. Urlaub in Italien¿ zur italienischen Zuwanderung und deutschen Italiensehnsucht im Ruhrgebiet. Seit Herbst 2004 tourt die gleichnamige Wanderausstellung durch verschiedene StädteItaliens. Osses: ¿Mit dem Internetportal wollen wir zeigen, dass sich das Museum Zeche Hannover dauerhaft und nachhaltig der Zuwanderung ins Ruhrgebiet widmet¿.

Ins Ruhrgebiet kamen die Italiener im Zuge der Industrialisierung. Hier waren sie ab Mitte des 19. Jahrhunderts als Experten für Gesteinsarbeiten im Bergbau, Eisenbahn- und Kanalbau gefragt. Nach den Arbeitskräften aus den Ostprovinzen und Polen stellten die Italiener im deutschen Kaiserreich zur Jahrhundertwende die zweitgrößte Gruppe ausländischer Arbeiter.

Ein erstes offizielles Abkommen über die Anwerbung von italienischen Arbeitern für Deutschland schlossen die beiden Staaten bereits 1937, als die beiden damals faschistischen Regierungen die Achse Berlin - Rom bildeten. Hunderttausende Italiener kamen nach Deutschland und wurden als ¿GästeArbeiter¿ begrüßt. Viele von arbeiteten in Bergwerken und Rüstungsbetrieben des Ruhrgebiets. Nach dem Sturz Mussolinis im September 1943 wurden aus den Verbündeten Feinde. Die Italiener in Deutschland wurden nun zu Militärinternierten, die Zwangsarbeit leisten mussten. Nach Kriegsende und Befreiung kehrten die meisten von ihnen in die Heimat zurück.

Wideraufbau und Wirtschaftswunder brachten der jungen Bundesrepublik Anfang der 1950er Jahre einen gewaltigen Bedarf an Arbeitskräften, der auch von den rund zwölf Millionen deutschen Flüchtlingen und Vertriebenen nicht mehr gedeckt werden konnte. Gleichzeitig führten die strukturellen Krisen im Süden Italiens mit hoher Arbeitslosigkeit und Binnenwanderung in die Industrieregionen Norditaliens zu großen Spannungen im Land.

Am 23. Dezember 1955 schlossen die Bundesrepublik Deutschland und Italien ein Abkommen über die Anwerbung von Arbeitskräften für Deutschland. Zunächst waren Facharbeiter und Arbeitskräfte für die Landwirtschaft gefragt, aber schon 1957 wurden vor allem Arbeiter für Industrie und Bergbau vermittelt.

Der Anwerbevertrag garantierte den italienischen Arbeitern eine angemessene Unterkunft und Tariflöhne. Während der Bergbau die italienischen Arbeiter teilweise in Bergarbeitersiedlungen unterbringen konnte, musste die Mehrzahl der Italiener in primitiven Barackenlagern leben. Anfangs wurden nur auf ein Jahr befristete Arbeitsgenehmigungen ausgegeben. Seit Mitte der 1960er Jahre stellten die Arbeitsämter aber auch unbefristete Erlaubnisscheine aus, die für das gesamte Bundesgebiet gültig waren. So ließen sich viele Italiener längerfristig nieder und ließen ihre Familien nachkommen.

Bis 1973, dem Jahr des Anwerbestopps, kamen zwei Millionen Menschen aus Italien nach Deutschland, bis heute folgten weitere zwei Millionen. Knapp 87% der italienischen Migranten kehrten wieder nach Italien zurück. Heute leben 550.000 Italiener in Deutschland, davon knapp 35.000 im Ruhrgebiet.

Das Internetportal zur Geschichte der Italiener in Deutschland am Beispiel des Ruhrbergbaus ist ab sofort erreichbar unter der Adresse: https://www.angekommen.com/italiener.



Pressekontakt:
Christiane Spänhoff, LWL-Industriemuseum, Telefon: 0231 6961-127 und Frank Tafertshofer, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org



Links:
http://www.angekommen.com/italiener



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