Kaiser-Wilhelm-Denkmal / Porta Westfalica - Geschichte











Entwurf: Marcus Weidner, LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte / Bildvorlage: Centralblatt der Bauverwaltung, 1896, S. 469
 

18. Oktober 1896 -
Die Einweihung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals an der Porta Westfalica

 
 
 
Am 18.10.1896 wurde das Provinzialdenkmal zur Erinnerung an Kaiser Wilhelm I. an der Porta Westfalica bei Minden eingeweiht. An der Einweihungsfeier, zu der auch Kaiser Wilhelm II. angereist war, nahmen annähernd 20.000 Menschen teil. Das Festprogramm entsprach einer nationalen Liturgik, mit der die Einheit der Nation gefeiert wurde.

Im Folgenden wird das Ereignis der Einweihung in seinen Kontext der Baugeschichte des Denkmals und seiner späteren Rezeption als Ort nationaler Sinnstiftung eingeordnet sowie in den weiteren Kontext der Porta Westfalica als nationalem Weiheort, an dem verschiedene Traditionsbildungen zusammenlaufen.
Nach umfangreichen Sanierungsarbeiten wurde das Kaiser-Wilhelm-Denkmal am 08.07.2018 wieder eröffnet. Ein neues
Besucherzentrum führt in die Geschichte von Denkmal und Umgebung ein.
 
 

1. Nationaldenkmale - Einführung

 
 
 
Die folgende Darstellung geht im Anschluss an George L. Mosse davon aus, dass im 19. und frühen 20. Jh. ein Prozess der Nationalisierung der Massen erfolgte, der seinen Ausdruck unter anderem in Denkmalsetzungen und der Stiftung nationaler Mythen gefunden hat, die durch ritualisierte Praktiken wie Denkmalsfeste und -feiern in der Bevölkerung verbreitet wurden. Ein besonderes Merkmal der Nationalisierung der Massen ist die Sakralisierung der Nation, die sich in einer speziellen nationalen Liturgik und Symbolik äußerte. Dieser Prozess der Nationalisierung der Massen führte letztlich zu den Massenritualen des Nationalsozialismus.

Mit Max Weber lässt sich von vergemeinschaftenden Praktiken sprechen. Unter Vergemeinschaftung im Gegensatz zu Vergesellschaftung verstand Weber Gesellungsformen, die eher auf gefühlten Bindungen, statt auf Verbindung aufgrund von rationalen Interessen beruhten. Nationen können mithin als "Imagined Communities" (vorgestellte Gemeinschaften) verstanden werden. Dieser Ansatz von Benedict Anderson hebt die kulturellen Bedingungen hervor, unter denen nationale Vergemeinschaftung erfolgte. In symbolischen Formen wie Sprache, Denkmälern und nationalen Mythen wurde die Nation vorstellbar.

Ein Medium der Vermittlung des kulturellen Gedächtnisses sind Denkmale. Aus dem 19. Jh. sind uns deutschlandweit eine Reihe von Nationaldenkmälern überliefert, die die nationale Vergemeinschaftung der Deutschen vor dem Hintergrund verschiedener herrschaftlicher Verständnisse repräsentieren. Angefangen hat die Entwicklung mit der Walhalla von 1842 bei Regensburg, die das Verständnis der Deutschen als einige Kulturnation feiert; ihr folgte die Befreiungshalle von 1863 bei Kehlheim, die die Vergemeinschaftung in den Befreiungskriegen gegen das napoleonische Frankreich zelebriert, später das Niederwalddenkmal von 1883 bei Rüdesheim, in dem eine siegesgewisse Germania über Frankreich triumphiert. In eine ähnliche Deutungsvariante der deutsch-französischen Auseinandersetzung ist die Reaktivierung des Hermannsmythos im Hermannsdenkmal in Detmold [1875] einzuordnen, in dem der Schlachtensieg des Cheruskerfürsten über die Römer mit dem Sieg über Napoleon parallelisiert wird.

Eine ganze Reihe von Kaiser-Wilhelm-Denkmälern feiert die deutsche Einigung im Medium des deutsch-französischen Krieges, gefolgt war diese Denkmalssetzungswelle von annähernd 300 Kaiser-Wilhelm-Denkmälern, wie dem Kyffhäuser Denkmal [1897] und dem Denkmal am Deutschen Eck in Koblenz [1896] durch eine ebenso große Welle von Bismarcktürmen mit Feuersäulen, von denen einer auf dem der Porta Westfalica gegenüberliegenden Jakobsberg errichtet wurde [1902]. Schließlich kann als monumentaler Abschluss der Serie nationalstaatlicher Denkmäler das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig [1913] gelten.

Allen diesen Denkmalen ist gemein, dass sie die deutsche Reichseinigung in einem Deutungsrahmen nationalstaatlicher Vergemeinschaftung feiern und damit von den konkreten gesellschaftlichen Verhältnissen der Stiftungszeit abstrahieren. Vor allem bei den Denkmälern aus dem deutschen Reich ist auffallend, dass sie die gesellschaftlichen Konflikte ihrer Gründungszeit nicht reflektieren, den über die Sozialistengesetze erfolgten Ausschluss der Sozialdemokraten aus der nationalen Vergemeinschaftung ebenso wenig wie den über den Kulturkampf erfolgten Ausschluss des politischen Katholizismus. An Stelle der Thematisierung gesellschaftlicher Verhältnisse tritt ein Bildprogramm nationaler Vereinheitlichung, das seinen Ausdruck in Allegorien für die Nation und in der Überhöhung von Herrscherbildern fand. Die Denkmäler dienten der Nationalisierung der Massen; durch Denkmalsfeste, Aufmärsche und ähnliche vergemeinschaftende Rituale wurde die Nation zur einigen, kampfbereiten Gemeinschaft verschworen. Die Vergemeinschaftung zielt auf Einheitsvorstellungen, die in der gesellschaftlichen Wirklichkeit wenig Entsprechung haben. Daher konstituieren Nationaldenkmäler in ihrem Denkmalsprogramm die Nation als Imagined Community.
Ressourcen zum Hermannsdenkmal, zum Kaiser-Wilhelm-Denkmal in Porta Westfalica und zum Kaiser-Wilhelm-Denkmal in Dortmund-Hohensyburg


Hans-Joachim Behr:  Westfalen im Kaiserreich bis zum Vorabend des Ersten Weltkriegs


Materialien für den Schulunterricht: Georg Hebbelmann,  Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal


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Luftbild, mit Kaiser-Wilhelm-Denkmal


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Lageplan des Denkmals, April 1937


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Blick auf das Kaiser-Wilhelm-Denkmal


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Kaiser-Wilhelm-Denkmal in Koblenz
 
 

2. Das Denkmal an der Porta Westfalica

 
 
 
Diese allgemeinen Merkmale finden sich auch wieder beim Denkmal an der Porta Westfalica. Das 1896 errichtete Personendenkmal und Nationaldenkmal der Provinz Westfalen stellt die Figur des deutschen Kaisers in das Zentrum des Bildprogramms.



2.1. Denkmalsinitiative

Die Initiative für die Erbauung des Denkmals kam kurz nach dem Tod Kaiser Wilhelms I. am 09.03.1888 zustande. Der Dortmunder Abgeordnete Albert Hoesch regte in der Dortmunder Stadtverordnetenversamm- lung am 16.04.1888 an, ein weithin sichtbares Denkmal auf einem Berge zu errichten und schlug für das angedachte kolossale Reiterstandbild des Kaisers die Porta Westfalica in Westfalen bei Minden vor. In Minden zeigte man sich von der Idee angetan und bildete ein Komitee zur Errichtung eines Denkmals an der Porta. Der Dortmunder Oberbürgermeister Schmieding hingegen hatte bereits am 27.04.1888 einen Brief an alle Städte, den Städtetag, den Oberpräsidenten, die Regierungspräsidenten und den Provinziallandtag geschrieben, jedoch ohne die Porta Westfalica zu erwähnen. Daraufhin entstand eine Konkurrenz zwischen verschiedenen Städten um den Standort des Kaiserdenkmals. Im August 1888 formierte sich das Mindener Komitee schließlich in einer vereinsähnlichen Form und versuchte für den Mindener Standort Politik zu machen. Eine Idee war, den nordwestdeutschen Raum mit Hannover, Braunschweig und Oldenburg in das Denkmalsprojekt einzubeziehen. Dadurch wäre erstens die Finanzierung auf breitere Schultern gestellt worden, zweitens war damit ein Argument für den Standort an der Porta Westfalica im Raum, insofern diese bei einem nordwestdeutschen Projekt zentraler gelegen hätte als etwa die Ruhrberge, die von der Dortmunder Seite bevorzugt wurden.
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Kaiser Wilhelm I. (1797-1888, reg. ab 1858/1861 bzw. 1871-1888)


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Denkmal, 2007


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Denkmal, 1920
 
 

2.2 Beschluss und Ausschreibung

 
 
 
Am  15.03.1889 stand die Entscheidung im Provinziallandtag Westfalens an. Nicht weniger als elf Standorte standen zur Debatte. Darunter waren Denkmäler in Städten wie zum Beispiel in Münster genauso vertreten wie Denkmäler auf verschiedenen Höhenzügen. In der Debatte galt als eine der Alternativen unter den Höhenzügen die Hohensyburg bei Dortmund und als eine weitere wichtige die Porta Westfalica. Der Provinziallandtag lehnte die Einbeziehung Hannovers in das Denkmalsprojekt mit großer Mehrheit ab. Bezüglich der anderen beiden Kooperationspartner Braunschweig und Oldenburg hatte der Kaiser persönlich durchblicken lassen, dass er sie nicht im Denkmalsprojekt haben wollte, und diese wurden daher nicht in die Entscheidung einbezogen. Die entscheidende Abstimmung darüber, ob das Denkmal auf einem der Ruhrberge erbaut werden sollte und damit im Einzugsgebiet des bevölkerungsreichen industriellen Zentrums, verlor der Dortmunder Bürgermeister Schmieding mit 39 zu 41 Stimmen. Die Entscheidung fiel zu Gunsten der Porta Westfalica knapp mit 43 zu 36 Stimmen. Damit war auch die Entscheidung über den weitgehenden Ausschluss der Arbeiterschaft aus diesem Projekt der nationalen Vergemeinschaftung beschlossen, denn Porta Westfalica lag von den bevölkerungsreichen Zentren zu weit entfernt, als dass man sie ohne weiteres mit einem Sonntagsausflug hätte erreichen können.

Zur Finanzierung des Denkmals stellte die Provinz Westfalen 500.000 Reichsmark zur Verfügung. Die restlichen Kosten sollten durch private Spendensammlungen gedeckt werden. Dazu veröffentlichte der Provinzialausschuss einen Aufruf zur Bildung lokaler Fördervereine. Als die Spendensammlung im Januar 1892 abgeschlossen wurde, waren 301.504 Reichsmark gespendet worden. Insgesamt standen also knapp über 800.000 Reichsmark zur Verfügung.

Der Provinzialausschuss nahm am 05.06.1889 eine Ortsbesichtigung vor und entschied sich endgültig für den Wittekindsberg als Standort des Denkmals. Im Februar 1890 wurde daraufhin ein öffentlicher
 Wettbewerb ausgeschrieben. Unter den 58 Entwürfen von 56 Bewerbern musste das vom Provinziallandtag berufene Preisgericht auswählen. Es vergab vier Preise. Den ersten Preis erhielt der Berliner Architekt Bruno Schmitz. Dieser war zu seiner Zeit ein gefragter Architekt für Nationaldenkmäler. Von ihm stammen unter anderem die Kaiser-Wilhelm-Denkmäler am Kyffhäuser von 1897 und am Deutschen Eck in Koblenz von 1896 sowie das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig von 1913. Schmitz Entwurf fand auch die Zustimmung des Monarchen. Am  28.10.1890 stimmte auch der Provinziallandtag dem Entwurf zu, verlangte jedoch diesen einzuschränken und zu verkleinern.
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Der preisgekrönte Entwurf für das Kaiser-Wilhelm-Denkmal von Bruno Schmitz, aus: Deutsche Bauzeitung 1916, Nr. 38


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Fernblicke auf das Kaiser-Wilhelm-Denkmal an der Porta Westfalica


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Blick vom Kaiser-Wilhelm-Denkmal über die Weser und das Mindener Land, um 1923


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Felsbasis des Kaiser-Wilhelm-Denkmals
 
 

2.3 Gestaltung des Denkmals

 
 
 
Dies war nötig geworden, weil Schmitz’ Planungsvorlage Baukosten in Höhe von 1.262.358 Mark verursacht hätten. Vorgesehen waren für das Denkmal 500.000 Mark und die Statue 100.000 Mark, 200.000 Mark waren für Erschließungskosten eingeplant. Schmitz war nach anfänglichem Widerstand zu Modifikationen bereit. Im Endeffekt stiegen die Kosten bei der Realisierung des Denkmalsprojektes dann doch noch auf 1 Million Mark an. Die Bauarbeiten begannen im September 1892. Mit der Bauausführung wurde die Firma Becker und Groß aus Münster beauftragt, ab 1894 die Firma Groß. 1895 wurde ihr der Bauauftrag entzogen und die Firma Schumacher aus Leer mit dem Abschluss des Baus betraut.

Nach der ersten Auseinandersetzung um die grundlegende Bauplanung und die Höhe der aufzuwendenden Mittel waren die Konflikte noch nicht zu Ende. Schmitz und der Provinzialverband hatten 1892 unterschiedliche Ansichten über die Gestaltung des Baus. Schmitz hatte einen monumentalen Baldachin entworfen, in dessen Schutz die Kaiser-Wilhelm-Statue des Bildhauers Kaspar von Zumbusch stehen sollte. Der Baldachin sollte nach Schmitz Auffassung mit einer Doppelkuppelanlage ausgestattet werden. Diese plante er von innen mit Heldengestalten der deutschen und der preußischen Geschichte auszumalen. Unter anderem sollte der Cheruskerfürst Hermann, auch Arminius genannt, in der Kuppelanlage Platz finden. Mit dieser Anspielung auf die Varusschlacht, bei der der Germane Arminius den römischen Feldherren Varus im ersten nachchristlichen Jh. geschlagen hatte, sollte eine überzeitliche Kontinuitätslinie von den Germanen bis zum Reichseiniger Wilhelm I. hergestellt werden. Dieses Projekt einer Invention of Tradition wurde jedoch aufgrund der Modifizierung der Baupläne, nachdem Schmitz gegenüber der Bauleitung und der Provinzialverwaltung beigeben musste, zunächst aufgeschoben und später nie verwirklicht.

Ein dritter Konflikt um die Gestaltung betraf die Widmungsinschrift. Während Schmitz als Denkmalsstifter das Volk Westfalens in der Widmungsinschrift erwähnt sehen wollte, plante die Provinzialverwaltung eine Inschrift, die die Provinz Westfalen und damit eine Verwaltungseinheit als Denkmalsetzer nennen wollte. Auch um die Kaisertitulatur war man sich nicht einig. Schmitz erschien die Titulatur "Wilhelm I. - Dem Siegreichen" als ein Ausdruck tiefsten Byzantinismus. Im Endeffekt einigte man sich auf die Inschrift "Wilhelm dem Großen - Die Provinz Westfalen" und verzichtete auf das zwischenzeitlich angedachte "Die dankbare Provinz Westfalen", was Schmitz zu servil vorgekommen war. Die Inschrift wurde nicht nur mit der Provinzialverwaltung abgesprochen, auch der Kaiser selbst mischte sich in die Auseinandersetzungen um die Titulatur Wilhelms I. ein und war mit der schließlich gewählten Titulatur zufrieden.

Über die Gestaltung der Statue gab es auch unterschiedliche Ansichten. Die Provinzialverwaltung wünschte ein barhäuptiges Standbild des Kaisers in Reitstiefeln, Panzer und übergeworfenem Hermelin, wohingegen Wilhelm II. ein Standbild des Großvaters wünschte, das einfacher und so gestaltet sein sollte, wie sich Wilhelm II. die Gestalt seines Großvaters in alltäglicher Form vorstellte, nämlich in Militärmantel und Helm. Die letztlich realisierte Statue entsprach mehr den Vorstellungen der Provinzialverwaltung. Allerdings war dem Kaiser ein Lorbeerkranz als Siegerkranz auf den Kopf gesetzt worden. Deutungskontroversen gibt es um die Interpretation der Handhaltung. Die Statue hat die rechte Hand erhoben. Die überwiegende Anzahl der zeitgenössischen wie wissenschaftlichen Interpreten deutete diese Handhaltung als Segensgeste des Kaisers, mit der er die westfälischen Lande segnet. Dies unterstreicht die sakralisierende Wirkung des Denkmals, die schon durch die Bauform des Denkmals hervorgehoben wird, insofern der über dem Denkmal errichtete Baldachin dem ganzen eine sakrale Form gibt und die Nation überhöht.
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Bauarbeiten am Kaiser-Wilhelm-Denkmal, Ende 1895


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Erläuterungstafel zum Kaiser-Wilhelm-Denkmal


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Inschrift des Kaiser-Wilhelm-Denkmals


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"Denkmalsrestaurant"


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"Denkmalsgaststätte" nach dem Umbau


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Auffahrt zum Denkmal gegenüber der Denkmalsgaststätte


 Arminius - Varus. Die Varusschlacht im Jahre 9 n. Chr. Ein Kooperationsprojekt des Internet-Portals "Westfälische Geschichte mit dem LWL-Römermuseum Haltern und dem Lippischen Landesmuseum Detmold mit vielfältigen Informationen und Ressourcen.
 
 

2.4 Die Einweihung

 
 
 
Die Einweihung fand am 18.10.1896 statt und fiel damit auf den Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig in den antinapoleonischen Befreiungskriegen. Durch die symbolische Anknüpfung an dieses geschichtsmächtige Datum fügte sich die Einweihung in den nationalistischen Diskurs des 19. Jhs. ein, in dem die Völkerschlacht seit Jahrzehnten eine konstitutive Funktion für die Definition der Nation über die Bestimmung des Verhältnisses zu Frankreich einnahm. Durch die Abgrenzung von einem konstitutiven Außen wird die eigene nationale Identität konstituiert.

Der äußere Form der Einweihungsfeierlichkeit verstärkte noch die Sakralisierung der Nation, denn er entsprach einer nationalen Liturgik, in der sich Ansprachen und Gesänge einem Gottesdienst gleich abwechselten. Durch ein ritualisiertes Festprogramm wurde die nationale Vergemeinschaftung von Honoratioren und Abordnungen des "Volkes" der Provinz Westfalen, wie man es zeitgenössisch verstand, bei der Einweihung des Denkmals 1896 vollzogen.

Die Planungen zur Einweihung, bei der der Kaiser zugegen sein sollte, nahmen verschiedene Institutionen der Provinz Westfalen in Beschlag. Im einzelnen waren das Oberhofmarschallsamt, der Oberpräsident der Provinz Westfalen Conrad Studt, der Landeshauptmann der Provinz Westfalen August Overweg, der Regierungspräsident des Regierungsbezirks Minden Oskar von Arnstedt, der Landrat des Kreises Minden Christian Bosse, und die Amtmänner des Kreises Minden involviert. Die Federführung lag beim Landratsamt Minden. Durch die Beteiligung so vieler Kooperationspartner wurde die Einweihung zu einem obrigkeitsstaatlich verwalteten Ereignis, dessen Verlauf bis ins Kleinste geplant wurde und dessen Teilnehmer wohlbedacht vorausgewählt wurden. Dennoch nahmen bis zu 20.000 Besucher an der Massenveranstaltung teil. Bis in die Details der Aufstellung wurde der Durchzug des Kaisers und die Spalierbildung von Minden bis zum Denkmal hinauf durchorganisiert. Individuelle Zuschauer waren nicht vorgehen. Vielmehr waren die Teilnehmenden über ein gestaffeltes System von Abordnungen delegiert und als Vertreter von vaterländischen und anderen Vereinen, Kriegervereinen, Institutionen, Schulen und Betriebsabordnungen organisiert. Arbeiter waren nicht als Vertreter ihrer Partei zugelassen, sondern nur als Repräsentanten der betrieblichen hierarchischen Ordnung. Damit war die Abgrenzung gegen die Reichsfeinde, als die die Sozialdemokraten auch nach der Aufhebung der Sozialistengesetze im Kaiserreich noch immer betrachtet wurden, nach innen vollzogen.

Die Feierlichkeiten begannen in Minden am Vorabend des 18.10.1896, einem Samstagabend, mit Glockengeläut und einem Platzkonzert. Teile der Stadt und das Rathaus waren mit Gaslicht nach Einbrechen der Dunkelheit beleuchtet, ebenso wie das über allem thronende Kaiserdenkmal, das mit Magnesiumfackeln illuminiert wurde.

Der Kaiser traf sonntags um 14 Uhr mit einem Sonderzug am Bahnhof in Minden eintreffen. Begrüßt wurde er vom Oberbürgermeister Bleek der Stadt auf dem Marktplatz. Dann bewegte sich der Festzug zum Denkmal hin. Nach dem Eintreffen am Denkmal schritt der Kaiser die Ehrenkompanie des 15. Infanterieregiments ab. Darauf begrüßte ihn Alexander von Oheimb als Vorsitzender des Provinziallandtags vor dem Ehrenpavillon für den Kaiser. Der Kaiser wiederum begrüßte die erschienenen Repräsentanten der Provinz Westfalen. Darauf folgte die Intonation der Begrüßungshymne durch den Männergesangsverein Minden und verschiedene Liedertafeln. Von Oheimb betonte in seiner Ansprache die Verdienste des Kaisers Wilhelms I. um die Reichseinigung. Das Denkmal sei ein Appell, über die trennenden Parteien- und Interessengegensätze hinweg, das Gemeinwohl zu wahren und zu fördern. Dem national vergemeinschaftenden Appell folgte der Vortrag der Festhymne zum Gedächtnis Wilhelms I. Daran schlossen unzählige Hochrufe auf den Kaiser an und es wurde Heil Dir im Siegerkranze gesungen. Der Rundgang um das Denkmal durch den Kaiser und sein Gefolge war von der musikalischen Huldigung durch 1.300 Posaunenbläser begleitet. Die Abfolge von Liedern, Musik, Reden und kultischen Handlungen lässt an einen Gottesdienst denken.
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Einladungskarte für die Einweihungsfeier des Kaiser-Wilhelm-Denkmals an der Porta Westfalica, 1896


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Aufstellungsplan für die Spalierbildung anläßlich der Einweihungsfeier des Kaiser-Wilhelm-Denkmals an der Porta Westfalica, 1896


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Einweihungsfeier des Kaiser-Wilhelm-Denkmals an der Porta Westfalica: Kaiser Wilhelm II. beim Abschreiten der Ehrenkompanie, 18.10.1896


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Mitglieder des Provinziallandtags während der Einweihungsfeier des Kaiser-Wilhelm-Denkmals, 16.10.1896


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Kaiser Wilhelm II. während einer Kutschfahrt durch Minden anlässlich der Einweihung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals in Porta Westfalica, Oktober 1896


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Feier am Kaiser-Wilhelm-Denkmal, um 1925
 
 

2.5 Die Rezeption des Denkmals
im sozialen Raum

 
 
 
Das Denkmal zog bereits vor seiner Einweihung Schaulustige und Touristen an. Die Erschließung des Denkmals durch Wege und eine verkehrstechnische Infrastruktur spielte darum von Anfang an eine Rolle. Die Köln-Mindener-Eisenbahn hielt sieben Mal pro Tag an der Station Porta. Von Minden aus wurde eine Straßenbahn nach Barkhausen gebaut, um die Besucherinnen und Besucher bequem zum Denkmal zu bringen. Die Straßenbahn wurde 1893 eingeweiht. Den letzten Aufstieg auf den Wittekindsberg leisteten die Besucherinnen und Besucher zu Fuß.

Für die Infrastruktur vor Ort war eine lokale Gastronomie wichtig. Das Hotel "Nottmeyer" an der Straße nach Minden, das Hotel "Zum Großen Kurfürsten" auf der rechten Weserseite und das "Hotel Bellevue" am Ausläufer des Jakobsberges standen den Denkmalstouristen ebenso zu Verfügung wie das feine "Hotel Kaiserhof", das über eine großen Garten und einen Saalbau verfügte, der 2.000 Besucherinnen und Besucher fassen konnte.

Wichtig für die Rezeption des Denkmals war die Entstehung eines Andenkenmarktes. Am Denkmal wurde bereits mit der Einweihung ein Kiosk bewirtschaftet, der allerhand nationale Devotionalien für den heimischen Gebrauch anbot. Denkmale und der um sie etablierte Denkmalskult fanden nämlich bereits früh ihren Niederschlag in industriellen Reproduktionen für den Andenkenmarkt, in Fotografien, Vexierbildern, Ansteckern, Statuetten und dergleichen mehr, mit denen sich die Besucher ihres Besuches des Nationaldenkmals versichern und dieses in die heimischen vier Wände importieren konnten, um den nationalen Kult zu Hause zu reproduzieren. Auch Medaillen spielten eine Rolle. Erste Erinnerungsmedaillen wurden bereits anlässlich der Einweihungsfeierlichkeiten geprägt.

In der Weimarer Republik drohte das Denkmal wegen des Wegfalls der Monarchie in Vergessenheit zu geraten. So wurde zum 25-jährigen Jubiläum der Erbauung 1921 keine Gedenkveranstaltung abgehalten. Doch bereits 1926 witterten die nationalen Verbände Morgenluft und veröffentlichten überregional einen Aufruf, einen "deutschen Tag" am Kaiser-Wilhelm-Denkmal zu begehen. Ihm folgten das Mindener Bürgerbataillon, die Feuerwehren, zahlreiche Kriegervereine, der Frontkämpferbund Stahlhelm und die monarchistische Bismarckjugend. Begleitet von Musikkapellen, die das Deutschlandlied und den Preußenmarsch intonierten, ging es vom "Hotel Kaiserhof" zum Denkmal. Dort hatte sich eine riesige Menschenmenge eingefunden, wo sie bei Reden und Kranzniederlegungen die Abordnungen empfingen.

Am Denkmal wurden 1921 eine Plakette zur Erinnerung an die Gefallenen des Ersten Weltkriegs und 1953 eine Fackel zur Erinnerung an die Opfer des Zweiten Weltkriegs angebracht. Redner bei beiden Veranstaltungen war der demokratische Politiker Dr. Hans Luther. Seine Reden waren nachdenklicher als das Getöse der nationalen Verbände. Die unterschiedlichen Feiern zeigen, dass das Denkmal mit seiner nationalen Botschaft von unterschiedlichen Seiten, von nationalistischer wie von demokratischer Seite vereinnahmt wurde.

Zwischen März 1944 und März 1945 wurden in Porta Westfalica drei Außenlager des KZ Neuengamme (Hamburg) - Barkhausen, Hausberge und Lerbeck - eingerichtet. Im Barkhausener Lager, das sich im Großen Festsaal des von der SS beschlagnahmten "Hotel Kaiserhof" befand, waren bis zu 1.300 Zwangsarbeiter aus mehr als 12 Nationen interniert, die beim Ausbau eines Stollens im Wittekindsberg (heute sog. Denkmalsstollen) für die Rüstungsindustrie eingesetzt waren. Die SS-Wachmannschaften wurden im gegenüberliegenden Café Arnsmeier und der SS-Führungsstab im Hotel "Kaiser Friedrich" in Hausberge einquartiert. Viele hundert Häftlinge starben an den Folgen von Strafaktionen, unmenschlicher Haft und Arbeitsbedingungen beim Stollenbau. Als nach der Befreiung die britische Besatzungsmacht am 23.04.1946 den Denkmalsstollen sprengen wollte, gab es Befürchtungen, dass dies auch Auswirkungen auf das Denkmal haben könnte, das schon durch Artilleriebeschuss in den letzten Kriegstagen geringfügig am Sockel beschädigt worden war. Als die Sprengung des Denkmalstollens dann tatsächlich erfolgte, wurden Teile der Denkmalsterrasse fortgerissen. Das Denkmal selbst blieb unbeschädigt. Die Trümmer der Denkmalsterrasse lagen bis 1950 am Berg. 1956 begann man mit der Beseitigung der Schäden an der Terrasse und reduzierte dabei die Plattform erheblich.

1996 beging man das hundertjährige Jubiläum der Erbauung. In Minden gab es eine regionalhistorische Vortragsreihe, die das Denkmal kritisch würdigte. Bei der zentralen Feier sprach mit Ilse Brusis die sozialdemokratische Ministerin für Stadtentwicklung, Kultur und Sport. Dass eine Sozialdemokratin und noch dazu eine Frau die Festrede auf Kaiser Wilhelm und sein Denkmal 100 Jahre später halten würde, hätten sich die Denkmalsstifter 1896 nicht träumen lassen und von den kritischen Tönen zum Denkmalskult war man zu Beginn des Zeitalters der Nationalisierung der Massen weit entfernt.
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Kaiser-Wilhelm-Denkmal


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Krone auf dem Baldachin des Kaiser-Wilhelm-Denkmals


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Standbild von Kaiser Wilhelm I. (1797-1888, reg. ab 1858/1861 bzw. 1871-1888)


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Standbild


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Standbild


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Standbild


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Standbild


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kaiserlicher Adler auf dem Mantel von der Rückseite des Standbilds
 
 

3. Das Umfeld

 
 
 
An der Porta Westfalica sind aber, wie bereits angesprochen, noch weitere Erinnerungsorte zu verzeichnen, die im Zeitalter des Nationalismus im Zentrum der kulturellen Erörterungen nationaler Vergemeinschaftung standen. Zunächst ist auf dem Wittekindsberg die Wittekindsburg mit der Margaretenkapelle (Margaretenklus) und der zwischenzeitlich versiegten Widukinds-Quelle zu nennen. Um den Sachsenherzog Widukind entwickelte sich im ausgehenden 19. Jh. und in der ersten Hälfte des 20. Jhs. ein nationalistischer Diskurs, der sich um die Legende der Bekehrung, vor allem aber auch um die fränkisch-sächsische Auseinandersetzung im 8. Jh., für die Widukind stellvertretend steht, rankte. Besonders der germanophil gedeutete sächsische Widerstand gegen die fränkische Herrschaft spielt in dieser Deutung eine herausgehobene Rolle, insofern der Widerstand gegen die Franken parallelisiert wurde mit den Befreiungskriegen gegen die französische Herrschaft. Die Gegenüberstellung von fränkischer und germanischer Herrschaft diente der nationalen Vergemeinschaftung und bewegte sich im Rahmen einer Invention of Tradition. An diese vergemeinschaftende Legende knüpften unter anderem die Nationalsozialisten an, als die SS mit der Wewelsburg eine zentrale ideologische Wirkstätte im Lande "Hermanns und Widukinds" errichteten, wie es in den Selbstdeutungen der SS heißt. Mit der Widukindslegende wurde ein nationalistischer Mythos begründet, der die deutsche Einigung in graue Vorzeit verlegte und damit ähnlich wie der parallele und in Westfalen populäre Hermannsmythos der Invention of Tradition diente. Nationalbewegungen bedürfen aus legitimatorischen Gründen der Invention of Tradition und damit der rückwärtsgewandten Legitimation gegenwärtiger oder gewünschter zukünftiger Verhältnisse. Beachtenswert ist die für den deutschen Nationalismus konstitutive Abgrenzung nach außen, gegenüber Fremden, die der neueren Nationalismustheorie als ein der eigenen Nation gegenüberstehend vorgestelltes Anderes galten, die einen Platz als konstitutives Außen der Nation einnahmen. Die Widukindssage wurde in diesem Sinne in der aufstrebenden deutschen Nationalbewegung verwendet und war bis in die 30er Jahre des 20. Jhs. populär.

Gegenüber dem Kaiser-Wilhelm-Denkmal wurde auf dem Jakobsberg 1902 ein Bismarck-Turm errichtet. Dieser war in seiner Formgebung monumental gehalten. Er sollte an den Kanzler erinnern. Die Bewegung zur Errichtung von Bismarcktürmen ging von den deutschen Studentenschaften als Träger nationalistischer Ideen aus. Diese schlugen vor, über das Land verteilt ein Netz von Nationaldenkmalen in Form germanisch bewehrter Türme zu installieren, die an ihrer Spitze mit Feuerschalen ausgestattet sein sollten. Diese wurden traditionell an Bismarcks Geburtstag, am 01.04., und zur Sommersonnenwende mit Feuern illuminiert. Dadurch sollte sich ein Netz von Feuern über das Land erstrecken, das die nationale Vergemeinschaftung durch Anknüpfung an ein vorgestelltes germanisches Brauchtum symbolisieren sollte. Der Bismarckturm auf dem Jakobsberg wurde 1952 zugunsten eines Fernmeldeturms mit Aussichtskanzel abgerissen, der wiederum 1975 einem 142 m hohen Neubau weichen musste.

Die konstitutive Abgrenzung nach außen war auch für ein weiteres Denkmalsprojekt ausschlaggebend. Auf dem gegenüberliegenden Bergsporn, dem Jakobsberg stand ein weiteres wichtiges Denkmal des deutschen Nationalismus, das Denkmal für Albert Leo Schlageter, errichtet 1934, allerdings konzeptionell nie vollendet. Schlageter war ein Nationalheld der beginnenden nationalsozialistischen Bewegung, der weit über dieses Parteimilieu hinaus Anziehungskraft besaß, da er einer katholischen nationalistischen Studentenverbindung angehörte. Schlageter wurde zum Nationalhelden stilisiert, weil er sich mit terroristischen Mitteln gegen die französische Ruhrbesetzung 1923 zur Wehr gesetzt hatte, woraufhin er von den Franzosen hingerichtet wurde. Die reichsweit verbreiteten Denkmalssetzungen für Albert Leo Schlageter waren in hohem Maße Ausdruck antifranzösischer Ressentiments und dienten so zur Nationalisierung durch Abgrenzung von einem konstitutiven Außen. Gleichzeitig waren sie Bestandteile eines nationalen Totenkults. Schlageter wurde zum Nationalmärtyrer erkoren, der von den verschiedensten Einflussgruppen für sich reklamiert wurde. Das Denkmal selbst besteht aus einem monumentalen steinernen Sockel, an dem in den dreißiger Jahren eine Inschrift und ein großes Stahlkreuz angebracht werden sollte. Um das Stahlkreuz entstanden gestalterische und parteiinterne Konflikte in der NSDAP, die schließlich dazu führten, dass das Denkmal nicht vollendet wurde.

Im erinnerungspolitischen Ensemble der Porta Westfalica ist schließlich auch das bereits erwähnte KZ Porta Westfalica-Barkhausen zu nennen, ein Außenlager des in Hamburg befindlichen KZ Neuengamme. In ihm waren Zwangsarbeiter beschäftigt, die im Rahmen der unterirdischen Rüstungsverlagerung des NS-Regimes unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten mussten. Die Überreste des KZ repräsentieren vor Ort die NS-Herrschaft und sind damit ein Zeugnis der Entwicklung, zu der ein übersteigerter Nationalismus und ein mit diesem einhergehendes radikales Ordnungsdenken führte. Ein weiteres Stollenprojekt befand sich westlich vom Fernmeldeturm, unterhalb der sog. Porta-Kanzel, einer nach Süden abfallenden natürlichen Sandstein-Felsklippe. Die dortigen Stollen wurden während des Zweiten Weltkriegs, ab Herbst 1944, von Zwangsarbeitern zu unterirdischen Produktionsstätten ausgebaut. Hier mussten ab Februar 1945 bis zur "Evakuierung“ am 01.04.1945 KZ-Häftlinge aus verschiedenen deutschen Konzentrationslagern - v. a. jüdische Frauen aus den Niederlanden und Ungarn - unter unmenschlichen Bedingungen in der Rüstungsindustrie (Deckname "Hammerwerke“) arbeiten. Das Lager für die rund 1.000 Zwangsarbeiterinnen befand sich an der Kreuzung Mindener Weg / Frettholzweg. Die Stollen wurden nach dem Krieg zum Teil gesprengt. Mit einem weiteren KZ-Außenlager in Lerbeck bildete das KZ Porta - Barkhausen, Hausberge und Lerbeck - ein Ensemble der terroristischen Infrastruktur des Nationalsozialismus.

Johannes Platz
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Wesertal mit Straßenviadukt und Blick zum Kaiser-Wilhelm-Denkmal auf dem Jakobsberg, um 1959
 
 

Weitere Ressourcen zum Thema

 
 
 

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