LWL-Industriemuseum

Westfälisches Landesmuseum für Industriekultur

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Gisbert Hasenjaeger

  • Geburtstag: 1.6.1919
  • Alter: 100 Jahre
  • Wohnort: Münster, Princeton, Bonn
  • Beruf: Mathematiker, Kryptologe
  • Mitglied seit: 27.5.2019

Beim Militär ist jeder Informationsschnipsel, den man über seinen Gegner hat, Gold wert. Pläne können verfeinert und Risiken minimiert werden. Aber genauso wichtig ist es im Umkehrschluss, dass eigene Wissen vor den anderen Kriegsparteien zu verbergen und zu schützen. Diese Aufgabe kam mir im Zweiten Weltkrieg zu. Und ich wusste nicht, dass mir eine Armada an Gegenspielern gegenüberstand.

Die Mathematik war immer mein Steckenpferd. Das wurde mir von meinen Lehrern bestätigt. Als ich 1937 mein Abitur überreicht bekam, fand sich darauf ein Vermerk, der meine hervorragende mathematische Begabung hervorhob. Besonders der Logik war ich zugetan. Noch während meiner Schulzeit in Mülheim konnte ich Kontakte mit Heinrich Scholz knüpfen. Heinrich lehrte zu der Zeit als erster Logik an der Universität zu Münster. Und mir war nach dem Abitur absolut klar, was ich wo studieren wollte.

Damals war man gezwungen vor der Aufnahme des Studiums einen Arbeitsdienst zu leisten. Also meldete ich mich. Doch bevor ich mein Studium beginnen konnte, brach der Krieg aus und ich wurde zum Militärdienst eingezogen. Nach der Ausbildung wurde ich an die Ostfront geschickt.  Anfang 1942 wurde ich während der Kämpfe schwer am Kopf verwundet. Ein Projektil durchschlug meinen Helm und trat auf der anderen Seite wieder aus. Doch bevor ich nach meiner Genesung wieder zurück nach Russland geschickt werden konnte, setzte sich Heinrich für meinen Einsatz im OKW/Chi, der Chiffrierungsabteilung des Oberkommandos der Wehrmacht, ein.

Im Oktober ’42 traf ich in Berlin ein und war mit 24 Jahren das jüngste Mitglied der OKW/Chi. Nach einem kurzen Kurs in der Chiffriertechnik wurde es zu meiner Aufgabe, die deutschen Schlüsselverfahren auf ihre Sicherheit zu kontrollieren. Mit mir waren wir insgesamt vier Leute in dieser Abteilung.

Meine Neigung zur Logik konnte ich nun in vollen Zügen an der Enigma ausleben, um ihre Schwächen aufzudecken. Sie war eine der bedeutendsten Chiffriermaschine, auf der große Teile der deutschen Kommunikation bauten.

Was wir vier in Berlin nicht wussten: Nordwestlich von London, im Bletchley Park, arbeiteten mehr als 10.000 Frauen und Männer daran, die Enigma zu knacken.  Was wir auch nicht wussten: Ihnen gelang es noch während des Krieges. Während ich noch die Enigma auf ihre Schwachstellen untersuchte, konnten die Alliierten bereits weite Teile der deutschen Kommunikation mitlesen. Dass es so war, erfuhr ich erst lange nach dem Krieg. Als sich sein Ende abzeichnete, löste sich das OKW/Chi auf. Wir verbrannten die wichtigsten Dokumente und setzten uns in den Süden ab. In der Nähe von Salzburg wurden wir festgesetzt und interniert.

Meine Kriegsgefangenschaft war nur von kurzer Dauer. Bereits 1945 konnte ich in Münster mein Studium der Mathematik aufnehmen, wo ich 1953 meine Professur erlangte. Mein Weg führt mich von Münster nach Bonn und sogar in die USA. Dass die Enigma geknackt wurde hat mich persönlich nie sehr betroffen gemacht. Genaugenommen hat es sich positiv auf die Kriegslänge ausgewirkt. Historiker schätzen, dass der Krieg um zwei oder sogar vier Jahre verkürzt wurde. Wäre es nicht so gewesen, dann wäre die erste Atombombe vermutlich nicht auf Japan, sondern auf Deutschland gefallen.

Johann Georg hat einen Kommentar hinterlassen

Johann Georg Krünitz schrieb am 29.5.2019 um 8:36 Uhr:

Bis zu 14.000 Menschen haben waren an einem Projekt tätig? Amüsant. Auch kleine Gruppen, sogar Einzelpersonen können phantastische Qualität abliefern. Wenn Sie einmal in meine Enzyklopädie schauen wollten, um sich davon zu überzeugen? Zumindest bis Band 72 bürge ich für die Qualität.

Karl hat einen Kommentar hinterlassen

Karl von Drais schrieb am 3.6.2019 um 12:17 Uhr:

Alles Gute nachträglich zum 100. Geburtstag, werter Freund! Ob Sie es glauben oder nicht, selbst jetzt sind Sie erneut der Jüngste in unserer illustren Runde.