Landschaftsverband Westfalen-Lippe - 11.05.18 - 15:19 Uhr

URL: https://www.lwl.org/LWL/Kultur/fremde-impulse/die_baudenkmale/hagen

Hagen als Knotenpunkt eines europäischen Netzwerkes der Moderne

Der ab 1964 im Rückblick von Nic Tummers geprägte Begriff ´Hagener Impuls´ bezeichnet einen Abschnitt in der Geschichte des Ruhrgebiets, der seinen Ausgangspunkt und Hauptort im südlich von Dortmund gelegenen Hagen hat, aber auch auf das gesamte Ruhrgebiet und darüber hinaus als „ein Himmelszeichen im westlichen Deutschland" strahlte, wie Emil Nolde in seinen Lebenserinnerungen beschrieb. Die damals noch junge Industriestadt war Schauplatz für eine international bedeutende bürgerliche Initiative am Beginn der sogenannten Moderne: Es ist die Periode zwischen 1900 und 1921, in der der 1874 geborene Hagener Bankier Karl Ernst Osthaus als Mäzen, Vermittler und Organisator seine Vision, „die Schönheit wieder zur herrschenden Macht im Leben“ werden zu lassen, in seiner Heimatstadt beispielhaft zu realisieren versuchte.

Karl Ernst Osthaus lancierte in Hagen verschiedene Projekte, die die junge Industriestadt zu einem Zentrum der modernen Bewegung bildender und angewandter Kunst sowie Architektur machten und ihr einen dauerhaften Platz unter den kulturellen Höhepunkten des Ruhrgebietes sichern. Die Gründung und Eröffnung des Museums Folkwang war 1902 der Auftakt für zahlreiche Projekte: So der Bau der Villenkolonie Hohenhagen mit Gebäuden von Peter Behrens, dem aus Belgien stammenden Künstler Henry van der Velde sowie des Niederländers Johannes Ludovicus Matheus Lauweriks am Rande Hagens, wie auch die feste Bindung bedeutender Künstler an die Stadt, die Osthaus nach Hagen berief oder denen er Aufträge in Hagen oder über Hagen hinaus vermittelte. Neben dem Maler Christian Rohlfs, dem Architekten Lauweriks und der Bildhauerin Milly Steger aus Berlin konnte Osthaus auch den niederländischen Maler Johan Thorn Prikker für Hagen gewinnen. Steger und Prikker bewohnten wie Lauwerik selbst von diesem eigens für sie entworfene Häuser in der Villenkolonie Hohenhagen.

Der besondere Charakter der heute als „Hagener Impuls“ bezeichneten Bemühungen von Karl Ernst Osthaus bestand darin, dass sie sich nicht nur in einer überschaubaren Siedlung oder Architekturausstellung erschöpften. Osthaus´ Versuch der Umgestaltung des gesellschaftliches Lebens durch Kunst bezog sich vielmehr auf die soziale Realität der ganzen Industriestadt. Entsprechend sind die verschiedenen Zeugnisse für den „Hagener Impuls“ heute nicht nur über das ganze Stadtgebiet verteilt, sondern finden sich auch in sehr unterschiedlichen funktionalen Zusammenhängen, wie einer Arbeitersiedlung von Richard Riemerschmid, der ersten monumentalen Glasmalerei der Moderne im Hagener Hauptbahnhof von Johan Thorn Prikker, der Ausmalung und Farbverglasung der Essener Friedenskirche ebenfalls von Thorn Prikker, oder dem Eduard-Müller-Krematorium von Peter Behrens.

Während dieser ersten zwanzig Jahre des Zwanzigsten Jahrhunderts war Hagen international eines der wichtigsten Zentren und Knotenpunkt für die Entwicklung der Moderne. Äußeres Zeichen dieser allgemeinen Reformbewegung, die sich gegen die überkommenen Strukturen im wilhelminischen Deutschland richtete, war der sogenannte Jugendstil, der durch Künstler und Architekten wie Behrens, van der Velde und Riemerschmid in Deutschland verbreitet wurde. Durch die Verbundenheit Osthaus´ mit dem Deutschen Werkbund ist Hagen darüber hinaus Beispiel für die Weiterentwicklung und Überwindung des Jugendstils in „sachlichere“ Gestaltungsformen, die dann später – nach dem ersten Weltkrieg – besonders im Weimarer und Dessauer Bauhaus zur Blüte kamen. 

 

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