Landschaftsverband Westfalen-Lippe - 11.05.18 - 15:22 Uhr

URL: https://www.lwl.org/LWL/Kultur/fremde-impulse/die_impulse/Impuls-Alliierte-Ruhrgebiet

Neuordnung des Bergbaus und Demokratisierung durch westliche Kultur

Als „Waffenschmiede des Reiches“ und Verwaltungszentrum des Ruhrbergbaus war Essen aus Sicht der alliierten Besatzungsmächte nach dem Zweiten Weltkrieg die bedeutendste Ruhrgebietsstadt. Zahlreiche alliierte Institutionen hatten hier ihren Sitz, darunter die North German Coal Control (NGCC), die im Sommer 1945 die Kontrolle über den Ruhrbergbau übernommen hatte. Langfristiges Ziel war die Dezentralisierung des Bergbaus wie der Wirtschaft überhaupt und eine dauerhafte Kontrolle über die bedeutenden Kohlevorräte des Reviers. Schon 1947 milderten Amerikaner und Briten ihre Strategie, setzten stärker auf die Mitwirkung deutscher Institutionen und Führungskräfte und richteten selbstverwaltete Institutionen ein, so die Deutsche Kohlenbergbau-Leitung (DKBL) mit Sitz auf der Villa Hügel. Sie sollte – unter direkter Kontrolle der Alliierten - die nach Kriegsende fast zum Erliegen gekommene Kohleförderung wieder in Gang setzen. Sie zog Ende 1947 ins Glückaufhaus, in der kurz nach Kriegsende bereits die britische Stadtkommandantur untergebracht war. 1953 wurde die DKBL aufgelöst.

Neben politischer und wirtschaftlicher Kontrolle setzte die amerikanische Besatzungspolitik auf eine veränderte Einstellung der Menschen. In diesem Kontext ist die Errichtung von Amerikahäusern in vielen Städten zu sehen. Auf Basis eines 1948 erlassenen Gesetzes wurden solche „U.S. Information Center“ international in über 70 Ländern eingerichtet, sie sollten „ein besseres Verständnis für die Vereinigten Staaten […] fördern und die gegenseitige Verständigung zwischen dem amerikanischen Volke und den Völkern anderer Nationen vertiefen […] helfen.“

Vom anfänglichen Ziel der „Re-education“ der Deutschen verschob sich die Aufgabenstellung der Amerikahäuser mit Beginn des Kalten Krieges: Das „erzieherische“ Ziel lag nun weniger in der Beseitigung nationalsozialistischen Gedankenguts, sondern in der Abwehrpropaganda gegen den Kommunismus. Bis 1951 entstanden in der Bundesrepublik 135 kleinere Lesesäle und 27 Amerika-Häuser, die in der kulturellen Diaspora der Nachkriegszeit auch mangels anderer Angebote schnell an Attraktivität gewannen. Mit einer kostenlosen Leihbibliothek, Vortragsveranstaltungen, Konzerten, Ausstellungen, Lesungen und Filmvorführungen boten sie eine willkommene Abwechslung. Ob die Amerika-Häuser tatsächlich den intendierten Erfolg hatten, ist jedoch trotz hoher Besucherzahlen zweifelhaft, denn am 18. Juni 1951 gab das amerikanische Hochkommissariat für Deutschland die Schließung von 12 Häusern und 100 Lesesälen bekannt. Man konzentrierte sich nun auf Standorte in Ballungszentren wie das Ruhrgebiet, wo bisher noch keine Einrichtung dieser Art eröffnet worden war.

Das Amerika-Haus Ruhr, eröffnet 1952, markiert damit einerseits einen Wendepunkt der Entwicklung der Institution, hinsichtlich des materiellen Aufwands und des Symbolgehalts des Neubaus allerdings eher einen Höhepunkt. Denn das Amerika-Haus Ruhr war das erste für diesen Zweck entworfene und errichtete Gebäude in Deutschland und hob sich damit sinnträchtig von den Gebäuden ab, die die Alliierten üblicherweise nutzten.

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