Landschaftsverband Westfalen-Lippe - 11.05.18 - 15:23 Uhr

URL: https://www.lwl.org/LWL/Kultur/fremde-impulse/die_impulse/Impuls-Polen-um-1900/Polen-Am-Kortlaender-Bochum

»Klein Warschau« an der Ruhr

Die Mehrheit der polnischen Arbeiter, die seit den 1870er Jahren ins Ruhrgebiet gekommen waren, wollte ihre Kultur und Gepflogenheiten auch in Deutschland beibehalten. Die meisten besaßen zwar die deutsche Staatsbürgerschaft, fühlten sich aber als Polen, pflegten ihre Sprache und sozialen Kontakte. Die mangelnde Integrationsbereitschaft war vor allem Folge der verbreiteten Fremdenfeindlichkeit seitens der einheimischen Bevölkerung, der Behörden und Arbeitgeber. Obwohl die Polen auf den Ruhrzechen einen unverzichtbaren Teil der Belegschaften ausmachten, wurden sie abschätzig behandelt und politisch unterdrückt. Sie mussten untergeordnete Arbeiten verrichten und galten als Lohndrücker. Verschiedene Gesetze und Verordnungen untersagten die Verwendung der polnischen Sprache.

Angesichts dieser Situation entstanden im Ruhrgebiet seit den 1890er Jahren zahlreiche polnische Vereinigungen und Organisationen. Neben lokalen Sport-, Gesangs- und Gebetsvereinen wurden mehrere Institutionen von überregionaler Bedeutung gegründet. Ihr Sitz war in Bochum, das damit zum ruhrpolnischen Zentrum wurde.

Im Umfeld des ehemaligen Bochumer Redemptoristenklosters siedelten sich an der heutigen Straße Am Kortländer unter anderem die Arbeiterbank - Bank Robotników eGmbH -, die Polnische Gewerkschaftsvereinigung - Zjednoczenie Zawodowe Polskie (ZZP) - und die Filiale der Handelsbank - Kasa deposytowa Bank Handlowy eGmbH - an. Wegen der dichten Folge polnischer Institutionen hieß die Straße Am Kortländer im Volksmund »Klein-Warschau«. Noch heute erinnert die verblasste Inschrift der Bank Robotników auf der Seitenwand des Hauses Nr. 2 an die lange polnische Tradition.
 

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