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Mitteilung vom 28.07.04

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'Auch Menschen mit Behinderungen sind kündbar' ¿ Interview zum Kündigungsschutz - Arbeitslosenzahlen unverändert hoch

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Westfalen (lwl). Auf dem Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen zeichnet sich weiterhin keine positive Bewegung ab: Die Arbeitslosenzahlen schwerbehinderter Menschen waren im Juni nahezu unverändert so hoch wie im Mai. Das zeigt der jüngste Bericht des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL). Danach waren Ende Juni 23.289 schwerbehinderte Menschen (8087 Frauen und 15.202 Männer) in Westfalen-Lippe ohne Arbeit. Das sind nur elf weniger als vor einem Monat aber 917 mehr als vor einem Jahr.

'Der gleichbleibend hohe Stand der Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen in Westfalen-Lippe ist sehr problematisch. Hinzu kommt, dass auch in diesem Jahr sehr viele Arbeitgeber aus betriebsbedingten Gründen unsere Zustimmung zur Kündigung von schwerbehinderten Beschäftigten beantragen. Dies verheißt für den Arbeitsmarkt schwerbehinderter Menschen nichts Gutes. Das LWL-Integrationsamt hofft dennoch, mit dem am 1. Juli neu aufgelegten Förderprogramm ¿Aktion Integration IV¿ zusammen mit den Agenturen für Arbeit Fortschritte für die arbeitslosen schwerbehinderten Menschen in Westfalen-Lippe erzielen zu können', erklärt LWL-Sozialdezernent Dr. Fritz Baur. In diesem Programm werden das LWL-Integrationsamt gemeinsam mit den Agenturen für Arbeit unter anderem Arbeitgeber fördern, die beruflich besonders beeinträchtigte schwerbehinderte Menschen einstellen.

Interview zum Kündigungsschutz
Was bedeutet der besondere Kündigungsschutz, den Menschen mit Behinderungen genießen, für sie und für ihre Arbeitgeber? Im Interview erklärt Ulrich Adlhoch, Leiter des LWL-Integrationsamt, wen das Sozialgesetzbuch schützt und unter welchen Bedingungen Arbeitgebern ihren schwerbehinderten Mitarbeitern kündigen können.


Frage: Bedeutet der Kündigungsschutz, dass Menschen mit Behinderung unkündbar sind?
Adlhoch: Nein, auch schwerbehinderte Menschen sind kündbar. Wenn sie aber länger als sechs Monate angestellt sind, genießen sie nach dem Gesetz einen besonderen Schutz. Will ein Arbeitgeber einem schwerbehinderten Beschäftigten kündigen, braucht er dazu die vorherige Zustimmung des Integrationsamtes, erst dann kann er die Kündigung aussprechen.

Frage: Unter welchen Bedingungen stimmen Sie einer Kündigung zu?
Adlhoch: Im Schwerbehindertenrecht gilt ein Sonder-Kündigungsschutz. Daher ist die Frage, ob der Kündigungsgrund mit der Behinderung in Zusammenhang steht oder nicht, von ganz entscheidender Bedeutung. Bei behinderungsbedingten Kündigungsgründen kann das Integrationsamt des LWL den Beteiligten oft seine Unterstützung sowie finanzielle Hilfen zur Problembewältigung anbieten. Dadurch können Kündigungen vermieden werden - im beiderseitigen Interesse, denn der Arbeitgeber erhält eine praktische Lösung seines Problems anstelle eines Rechtsstreits vor dem Arbeitsgericht. Soll einem schwerbehinderten Menschen hingegen aus betriebsbedingten Gründen gekündigt werden, weil z. B. der Betrieb verkleinert oder gar geschlossen wird, entfaltet der Kündigungsschutz nur eine geringe Wirkung.

Frage: Hand aufs Herz: Trägt der Kündigungsschutz wirklich dazu bei, Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung zu erhalten oder schreckt der Kündigungsschutz Arbeitgeber eher ab, Menschen mit Behinderungen einzustellen?
Adlhoch: Sowohl als auch. Schauen Sie auf die Kündigungsschutzverfahren, bei denen es trotz aller Bemühungen, Verhandlungen und Unterstützungsangeboten am Ende bei den widerstreitenden Interessen bleibt: Der Arbeitgeber will kündigen, der schwerbehinderte Mensch will weiterbeschäftigt werden.

Von 1.930 streitigen Fällen des vergangenen Jahres hat das Integrationsamt des LWL 1.061 mal (= 55 Prozent) zugunsten des schwerbehinderten Menschen entschieden, 869 mal (= 45 Prozent) zugunsten des Arbeitgebers. Ähnliche Zahlen hatten wir auch die Jahre zuvor. Ich meine: eine ausgewogene Entscheidungspraxis. Der Kündigungsschutz hat also seine positive Wirkung für nicht wenige schwerbehinderte Menschen, aber auch die Arbeitgeberinteressen werden angemessen berücksichtigt.
Andererseits verkennen wir das Problem des Kündigungsschutzes nicht: Der Arbeitgeber muss einen Zustimmungsantrag beim Integrationsamt stellen, dieser wird geprüft, es wird verhandelt, eventuell werden Gutachten eingeholt: Ein solches Verfahren wirkt bei vielen Arbeitgebern psychologisch als Einstellungshemmnis - auch wenn die Entscheidungspraxis zeigt, dass der Kündigungsschutz keineswegs zu Lasten der Arbeitgeber gehandhabt wird.



Pressekontakt:
Markus Fischer Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org




Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


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