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Mitteilung vom 16.08.04

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Die älteste Meschederin ¿ ein Ergebnis archäologischer Untersuchungen

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Meschede (lwl). Die erste bislang bekannte Frau, die in Meschede (Hochsauerlandkreis) beigesetzt wurde, starb zwischen 684 und 876 n. Chr. und litt an einer schmerzhaften Knorpelgeschwulst. Das haben archäologische und naturwissenschaftliche Untersuchungen an einem Skelett ergeben, das Archäologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) bei der ehemaligen Stiftskirche St. Walburga in Meschede freigelegt haben.

Eine sogenannte C14-Datierung (Analyse einer bestimmten Kohlenstoff-Art in organischen Objekten) hat den Archäologen des Westfälischen Museums für Archäologie jetzt bestätigt, was sie schon vermutet hatten: Die Person, deren Skelett sie im vergangenen Jahr bei Sanierungsarbeiten in St. Walburga in Meschede gefunden hatten, rückt die Baugeschichte der ehemaligen Stiftskirche in ältere Zeit.

'Das Grab verlangte besondere Beachtung', berichtet Grabungsleiterin Aline Kottmann, 'schon seine aufwändige Gestaltung mit Mauereinfassung und doppelter Abdeckung setzte es von allen übrigen Bestattungen ab, die wir fanden. Ganz besonders interessierte es uns, weil es genau in der Mittelachse des ursprünglichen nördlichen Querarmes lag. Dieser Querarm war bei den Umbauten der Kirche in romanischer, spätestens aber barocker Zeit abgerissen worden. Die Grabgestaltung und seine prominente Lage vor dem ehemaligen Querarm-Altar spricht dafür, dass es sich um eine hochrangige Person handelte', interpretiert sie den archäologischen Befund.

Zwei C14-Analysen von Knochenproben, deren Finanzierung von der Firma Felix Müller, Landschafts- und Gartenbau, in Meschede ermöglicht wurden, ergaben, dass die Person zwischen 684 und 876 gestorben ist, am ehesten zwischen 690 und 780. 'Dieses Ergebnis liegt deutlich vor der bisher angenommenen Bauzeit der Kirche, die Archäologen mit der Datierung von Bauholz in der Kirche um 900 belegen, Historiker dagegen schon früher vermuten.'

Eine endgültige Erklärung haben die Mittelalter-Experten vom LWL-Archäologen für die neuen Ergebnisse ihrer naturwissenschaftlichen Kollegen noch nicht. Denkbar ist für sie, dass das Gründungsdatum doch wenigstens in die Mitte des 9. Jahrhunderts reicht, der Bau der Kirche hätte sich dann über einige Jahrzehnte hingezogen. Das Grab gehört auf jeden Fall zu den ersten Bestattungen. Ob es sich nicht sogar in einem, mutmaßlich kleineren Vorgängerbau befand, lässt sich auf Grund der durch etliche moderne Bodeneingriffe 'gestörten Situation' rund um das Grab auch nicht mit Sicherheit ausschließen.

Die anthropologische Untersuchung der Bestattung ergab, dass es sich bei der Toten um eine mindestens 20 Jahre alte, vermutlich aber deutlich ältere Frau handelt. Sie hatte im Beckenbereich ein 'extraossäres Chondrosarkom', so der medizinische Fachausdruck, das vorwiegend bei 40- bis 50-Jährigen auftritt und von einer, meist bösartigen Weichteilgeschwulst herrührt. Die Knorpelgeschwulst war sicherlich schmerzhaft für die Frau ¿ ob die Krankheit aber zu ihrem Tod führte, lässt sich nicht mehr nachweisen.

Die archäologischen Forschungen an der ehemaligen Stiftskirche St. Walburga zu Meschede können auf eine über 100-jährige, für einen Kirchenbau nicht unbedingt übliche Geschichte zurückblicken: Schon 1880 waren in den Wänden der Orgelempore eingemauerte Töpfe zu Tage gekommen. 1965 hatte die Entdeckung weiterer Töpfe die ersten Archäologen auf den Plan gerufen. Die 'Mescheder Schalltöpfe' sind inzwischen weithin bekannt, 20 von ihnen sind im neuen Westfälischen Museum für Archäologie in Herne in die Wände einer mittelalterlichen Kircheninstallation eingebunden, einige waren davor schon im LWL-Museum in der Kaiserpfalz in Paderborn zu sehen.

Die Bauuntersuchungen von 1965 bis 1981 erwiesen, dass der Kirchenbau um 900 fertig gestellt worden sein muss. Denn Untersuchungen von eingebauten Hölzern ergaben, dass die Bäume zwischen 897 und 905 gefällt worden waren.

2003 waren erneut Sanierungsarbeiten an der denkmalgeschützten Kirche nötig geworden. Von Juni bis September begleitete die LWL-Mittelalter- und Neuzeitarchäologie des Amts für Bodendenkmalpflege die Trockenlegung der Fundamente. Die Bodeneingriffe erstreckten sich entlang der gesamten Außenmauern des Baus, deckten sich aber nur teilweise mit den schon früher untersuchten Flächen.

'Wir haben noch längst nicht alle Fragen beantwortet. Immerhin sind sich Archäologen und Historiker beim Gründungsdatum des Stiftes näher gekommen', resümiert die Archäologin Kottmann die jüngsten Untersuchungen.



Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, Tel: 0251 591-235 und Dr. Yasmine Freigang, Tel. 0251 5907-267
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