LWL-Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Mitteilung vom 25.07.05

Presse-Infos | Der LWL

3.000 Jahre alte Gräber auf Friedhof in Vreden:
Fehlende Urnen und die Axt im Frauengrab
Aktuelle Funde ab September in der Landesausstellung in Herne

Bewertung:

Vreden/Herne (lwl). Alle fünf Jahre präsentieren die Fossilienforscher und Archäologen in Nordrhein-Westfalen ihre aktuellen Forschungsergebnisse und die wichtigsten Funde der Öffentlichkeit. In der Landesausstellung ¿Von Anfang an ¿ Archäologie in Nordrhein-Westfalen¿ zeigt das Westfälische Museum für Archäologie in Herne ab dem 23. September über 35.000 Objekte aus 320 Millionen Jahren. Einige der wichtigsten Exponate stellt der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), Träger des Museums, in einer Serie vor.

Makaber mutet die Entdeckungsgeschichte von Grabanlagen aus der Bronze- und Eisenzeit (1200 bis 500 v. Chr.) in Vreden (Kreis Borken) an: Als auf dem Städtischen Friedhof in Vreden ein Grab ausgehoben wurde, kamen drei kleine Scherben und einige Stückchen verbrannter Knochen zum Vorschein ¿ offensichtlich aus einem deutlich älteren Grab. Ein aufmerksamer Friedhofsbesucher bemerkte die Funde und meldete sie dem Westfälischen Museum für Archäologie.

Die fortschreitende Belegung des Städtischen Friedhofes machte eine Ausgrabung in der ungewöhnlichen Kulisse notwendig. Dabei entdeckten die LWL-Archäologen über 80 Gräber, die zwischen 3.200 und 2.500 Jahre alt sind.
Die Gräber sind wie überdimensionale Schlüssellöcher oder kreisförmig eingefasst, wie es in der Zeit vom Übergang der Bronzezeit zur Eisenzeit üblich war.

Für die Forscher überraschend war aber, dass sich in 57 der insgesamt über 80 Gräber zwar die verbrannten Knochenreste, aber keine Urnen befanden. Denn normalerweise wurden zu dieser Zeit die Reste der verbrannten Toten in Urnen bestattet. Die Gemeinschaft, die hier ihre Toten begrub, sammelte aber die verbrannten Knochen aus dem Scheiterhaufen heraus und legte sie direkt in die Grabgrube. Nur in 23 der über 80 Bestattungen waren Aschengefäße zu finden. ¿Warum hier nur so wenige Urnen benutzt wurden, werden hoffentlich die wissenschaftlichen Auswertungen zeigen¿, erläutert Grabungsleiter Jürgen Gaffrey vom LWL. ¿Als Ursachen kommen zum Beispiel Einflüsse aus anderen Regionen in Frage oder der zeitliche Abstand zwischen den Bestattungen. Aber dieses Gräberfeld zeigt schon jetzt, dass sich auch in vergleichsweise gut erforschten Zeitabschnitten immer wieder neue Besonderheiten ergeben, die unser Bild der Geschichte ergänzen oder korrigieren.¿

Sowohl in den Gräbern selbst als auch in den Einfassungen fanden die Ausgräber zahlreiche Objekte. Zu den häufigsten gehören Keramikgefäße, in denen den Toten wohl ursprünglich Speisen und Getränke mitgegeben wurden. Metallgegenstände aus dieser Zeit wurden bislang in Vreden nicht gefunden, aber die Forscher hoffen auf die weiteren Untersuchungen. Denn die Urnen wurden mit einem Gipsmantel umgeben und als Block geborgen. Im Labor graben die Restauratoren sie dann vorsichtig zu Ende aus.
Ein ungewöhnlicher Fund ist bereits jetzt zu vermelden und gibt den Forschern Rätsel auf: eine unscheinbare Pfeilspitze aus Feuerstein. Allerdings war sie schon 9.000 bis 10.000 Jahre alt, als sie in das Grab kam. Vielleicht war das Stück bei der Feldarbeit gefunden und als Talisman getragen worden.

Auch die Ergebnisse naturwissenschaftlicher Untersuchungen verwundern manchmal die Fachleute. In einem Grab wurde eine Axt aus Felsgestein entdeckt. Die Anthropologen fanden heraus, das hier eine junge Frau im Alter von 16 bis 20 Jahren bestattet wurde. Normalerweise sind Werkzeuge wie diese Axt eher Beigaben in Männergräbern. Bei der Axt war aber die Schneide schon abgebrochen als sie in das Grab gelangte. Das Reststück wurde ¿ wie Abnutzungsspuren an dem Stein verrieten ¿ längere Zeit als Stößel verwendet. Stößel wiederum werden meistens in der Nahrungszubereitung benutzt. Und da die ja bekanntlich ¿Frauensache¿ war, könnte das die Erklärung sein, warum hier eine Axt in einem Frauengrab lag.

¿Von Anfang an ¿ Archäologie in Nordrhein-Westfalen¿
23. September 2005 bis 05. Februar 2006
Westfälisches Museum für Archäologie in Herne, Europaplatz 1
Dienstag, Mittwoch, Freitag 9 bis 17 Uhr
Donnerstag 9 bis 19 Uhr
Samstag, Sonntag 11 bis 18 Uhr



Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, Tel. 0251 591-235 und Jana Sager, Tel. 0251 5907-287
presse@lwl.org




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