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Mitteilung vom 02.02.07

Presse-Infos | Der LWL

"Zeitkapsel" Arbeiterhaus

LWL-Industriemuseum gibt Buch zum Lebensalltag um 1920 heraus

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Bocholt (lwl). "Ich kann mich erinnern, dass früher in der Küche gewohnt wurde; in diesem Raum lebte ja alles. Wir hatten zwar eine kleine Wohnstube, aber die war nie benutzt", erzählt Hermann Tebrügge. Der 69-Jährige wuchs in Rhede in einem typischen Arbeiterhaus auf. Wie der Alltag damals war, haben er und andere Zeitzeugen dem Industriemuseum des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) erzählt. Ihre Erinnerungen sind im Arbeiterhaus des LWL-Textilmuseums in Bocholt präsent, wo das Leben der kleinen Leute zwischen 1900 und 1940 in einer "Zeitkapsel" lebendig wird. Nachdem das LWL-Museum im letzten Jahr die Dauerausstellung erneuert hat, stellte der LWL am heutigen Freitag (2.2.) in Bocholt das Buch zum Haus vor. Es zeigt auf 160 Seiten, wie eine Arbeiterfamilie im Münsterland lebte, was die Bewohner aßen, wie sie kochten, sich wuschen, kleideten und feierten. Die reich bebilderte "Hausbesichtigung" führt durch Keller und Küche, in die gute Stube und das Schlafzimmer, die Ställe, den Gemüsegarten und das Plumpsklo.

"Wir haben uns besonders darüber gefreut, dass bei der Recherche für das Buch weitere Quellen und Objekte aus den historischen Arbeiterhäusern am Mussumer Kirchweg in Bocholt auftauchten, die ja das Vorbild für unseren Nachbau waren", freut sich LWL-Museumsleiter Dr. Hermann Josef Stenkamp. So konnten 100 Jahre alte Bilder und Textilien aus einem Familienbesitz in die "gute Stube" der Ausstellung übernommen werden. Auch ein historischer Bauplan und Quittungen gehören zu den Schätzen. Letztere weisen einen Kaufpreis von 2.500 Mark aus, die Heinrich Bestert in drei Raten zwischen 1913 und 1921 für das Haus am Mussumer Kirchenweg 102 zahlte. Stenkamp: "Das erscheint uns heute sehr niedrig, aber bei einem durchschnittlichen Jahresverdienst in der Bocholter Textilindustrie von etwa 850 Mark im Jahr 1913 war es den Familien nur selten möglich, größere Summen anzusparen und abzuzahlen."

Einen besonderen Schwerpunkt legt das Museum auf die Themen Versorgung und Ernährung. Vor der Folie des heutigen Überflusses auf dem Teller machen Ausstellung und Buch die bescheidenen Lebensverhältnisse damals deutlich. Küche, Garten und Kleintierställe hinter dem Wohnhaus zeigen außerdem, dass die Textilarbeiter nach der Zeit in der Fabrik die Füße noch lange nicht hochlegen konnten. Bei optimalem Anbau lieferte die eigene Scholle zwar so viel Kartoffeln und Kohl, Steckrüben, Mangold und Möhren, dass die Familie davon satt wurde. "Das bedeutete aber auch, dass ein Arbeitstag etwa zur Erntezeit bis zu 16 Stunden haben konnte", erzählt Stenkamp, der auch mit der überkommenen Vorstellung von Behaglichkeit im trauten Heim aufräumt: "Das Leben in der Wohnküche zum Beispiel war oft alles andere als gemütlich ¿ auch wenn dort im Winter der einzige Ofen beheizt war. Aber hier wurde auf engstem Raum gekocht, gewaschen, genäht, gebadet, hier machten die Kinder Schulaufgaben und spielten."

Das LWL-Industriemuseum stellt das Buch im Rahmen einer Veranstaltung am Sonntag, 25. Februar, in seinem Textilmuseum in Bocholt öffentlich vor. Geplant sind am Nachmittag eine öffentliche Führung durch das Arbeiterhaus, eine Lesung mit Hintergrundinformationen sowie musikalischem und kulinarischem Rahmenprogramm. Interessierte sind herzlich willkommen.

Das Arbeiterhaus.
Textilmuseum in Bocholt.
Hermann Josef Stenkamp (Hg.).
160 Seiten, zahlreiche Abbildungen,
LWL- Industriemuseum, Kleine Reihe, Nr. 27, Klartext Verlag, Essen 2006,
9,90 ¿, ISBN 978-3-89861-744-4



Pressekontakt:
Christiane Spänhoff, LWL-Industriemuseum, Telefon: 0231 6961-127 und Markus Fischer, Tel. 0251 591-235
presse@lwl.org




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