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Mitteilung vom 09.10.07

Presse-Infos | Soziales

Handicap mit den Augen: ¿Höchstens noch eine kleine Hürde¿

Hasan Günüc und Sascha Fehr haben den Präzisions-Dreh raus

Bewertung:

Die ¿Woche des Sehens¿ ist vom 7. bis 15. Oktober 2007. Ein Schwerpunktthema: Blindheit und Beruf. Schirmherr Bundespräsident Horst Köhler:¿Ich mache gern mit. Blinde und Sehbehinderte leisten einen wertvollen Beitrag in den Unternehmen und Betrieben.¿ Zum Beispiel Hasan Günüc und Sascha Fehr. Was sie im Berufsbildungswerk Soest des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) gelernt haben, wenden sie jetzt als Drehtechniker bei der Edelstahlgießerei Kuhn in Radevormwald an.


Soest/Münster/Radevormwald (lwl). Lichtkuppeln im Dach und rotglühender Edelstahl aus Schmelzöfen hellen die weitläufigen Produktionshallen auf. Zwischen Männern mit Schutzmantel und Helm, dunklen Durchfahrten, Hitze und Staub wummern bunte Maschinen. Ihr Lärm erzwingt lautes Reden und Zeichensprache. In der Edelstahlgießerei Klaus Kuhn GmbH muss man sich erstmal zurechtfinden. Hasan Günüc und Sascha Fehr haben den Durchblick inzwischen ¿ trotz des Handicaps mit ihren Augen.

Die beiden sehbehinderten Drehtechniker sind gern gesehene Fachkräfte in dem Betrieb, der in Radevormwald im Bergischen Land an der Grenze zu Westfalen mit 245 Mitarbeitern produziert ¿ Präzisionsrohre und andere Edelstahl-Rotationsteile zum Beispiel für die Lebensmittelindustrie. Ihren Beruf haben Werkzeugmaschinenspanner Sascha Fehr und Zerspannungsmechaniker Hasan Günüc drei- bzw. dreieinhalb Jahre lang im Berufsbildungswerk Soest des Landschaftsverbandes Westfalen-Lpppe (LWL) erlernt.

Hinter der Tür zur Präzisions-Dreherei wird es angenehm leiser. ¿Hier werden unsere ¿kleinen¿ Werkstücke bearbeitet¿ sagt Steffen Tharang, Prozessleiter der Fertigungslinie, ¿und hier arbeitet auch unser Mitarbeiter Günüc¿.

Den Zuschlag bekam der 27jährige CNC-Fachmann (CNC= Computer-Numeric-Control) im Som-mer 2006: ¿Bewerber mit einer Beeinträchtigung werden bei gleicher Qualifikation vorrangig berücksichtigt¿, hatte es in der Stellenanzeige geheißen. Die Qualifikation stimmte, Günücs Handicaps sind eine starke Kurzsichtigkeit und eine hohe Blendempfindlichkeit.

Dass Hasan Günüc sich hier wohl fühlt, sieht man ihm an. Er trägt ein T-Shirt und eine Schirmmütze mit dem Logo seines Arbeitgebers. So steht er jetzt vor ¿seiner¿ CNC-Drehmaschine, rundherum Rohmaterial und fertige Drehteile auf Paletten zur Weiterbearbeitung, vor ihm auf der Werkbank zahlreiche Messinstrumente mit digitaler Anzeige. ¿Die Digitalmesswerkzeuge hat mir die Agentur für Arbeit als Hilfsmittel zur Verfügung gestellt. Das war eine sehr gute Sache, weil mein Prozessleiter gleich sehen konnte wie ich arbeite und dass ich damit auch gleichmäßig hohe Qualität abliefern kann¿.

Bei der Einstellung von Hasan Günüc kannte sich in dem expandierenden Betrieb im Bergischen Land noch niemand mit Sehbehinderten und deren Arbeitstechniken aus. Die Hemmschwelle be-schreibt der Fertigungsleiter und Personal-Verantwortliche Klaus Bernhardt so: ¿Als Herr Günüc sich hier beworben hat, konnten wir uns nicht vorstellen, wie er mit dieser Behinderung den sehr hohen technischen Standards und den kundenseitig sehr großen Qualitätsansprüchen gerecht werden kann.¿ Aber: ¿Inzwischen sind wir von Herrn Günüc und seinen Fähigkeiten so überzeugt, dass die Sehbehinderung gar kein Thema mehr ist¿.

Ein Jahr später, Sommer 2007: Das gute Beispiel macht Schule. Als weiteren Absolventen des LWL-Berufsbildungswerkes Soest stellt die Edelstahlgießerei Kuhn Sascha Fehr ein. Nach einem Praktikum bekommt der 24jährige Werkzeugmaschinenspaner seinen Vertrag. Er arbeitet an einer konventionellen Drehmaschine und kümmert sich um die Bestückung der Maschinen und um die Maßkontrolle. ¿Hier drehen wir die Rotationsteile vor, die anschließend von Kollegen wie Herrn Günüc weiter bearbeitet werden¿, erklärt der zuständige Prozessleiter Jens Opitz.

Auch Opitz ist mit seinem neuen Mitarbeiter vollauf zufrieden. ¿Er gibt sich die größte Mühe, alles richtig zu machen. Und das klappt auch.¿ Nur mit dem Farbsehen hapert es aufgrund der Sehbehinderung. ¿Das hat am Anfang echt Probleme gegeben¿, sagt Sascha Fehr, ¿nämlich als ich das Material von der roten Palette nehmen wollte. Die Teile darauf sind aber nicht in Ordnung und sollten zum Einschmelzen zurück in die Giesserei¿. Und dann? ¿Da haben die Kollegen ordentlich geschimpft, und dann haben sie überlegt, was sie tun können, um mir zu helfen¿, erzählt er und grinst: ¿Jetzt sind Buchstaben auf der Palette, die anzeigen, ob das Material gut oder schlecht ist. Und seitdem habe ich auch keine falsche Palette mehr an meine Maschine gefahren.¿

Hilfestellung hat Methode in der Firma: ¿Wir stellen jedem neuen Mitarbeiter während der Einarbeitungszeit einen ¿Paten¿ zur Seite¿, sagt Vorgesetzter Opitz, ¿gerade Herrn Fehr hat das beim Auf-bau von Vertrauen sehr geholfen.¿ Und das wirkt fort: Weil Sascha Fehr wegen seiner Sehbehinderung die Paletten mit dem schweren Material nicht selber mit dem Gabelstapler transportieren kann, besorgt das der Mann von der Nachbarmaschine ganz selbstverständlich mit. ¿Ein Handicap wie eine Sehbehinderung ist für uns keine Grenze mehr, sondern höchstens noch eine kleine Hürde nach den guten Erfahrungen¿, sagt Personalchef Bernhardt.

Hintergrund:
Das LWL-Berufsbildungswerk Soest bildet jährlich 30 bis 40 blinde und sehbehinderte junge Men-schen in den Berufsfeldern Wirtschaft und Verwaltung, Ernährung und Hauswirtschaft, Metalltechnik und im Handwerk aus.¿Die Ausbilder/-innen und Integrationsberater/-innen dort unternehmen alles, um den Absolventen geeignete Arbeitsstellen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu vermitteln¿, lobt LWL-Direktor Dr. Wolfgang Kirsch.

Dabei arbeitet das LWL-Berufsbildungswerk Soest im ¿Netzwerk Berufliche Teilhabe blinder und sehbehinderter Menschen (NBT)¿ zusammen mit bundesweit 15 ähnlichen Einrichtungen und zwei Selbsthilfeorganisationen. In der ¿Woche des Sehens¿ wirbt das NBT gemeinsam mit dem Deut-schen Blinden- und Sehbehindertenverband und der Bundesagentur für Arbeit für die beruflichen Belange seiner Klientel.

Mehr Infos: https://www.ihre-einstellung.de und https://www.lwl-bbw-soest.de



Pressekontakt:
Erwin Denninghaus, Tel. 02921 684-223 und Karl G. Donath, Tel. 0251 591-235
presse@lwl.org




Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


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