LWL-Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Mitteilung vom 18.12.12

Presse-Infos | Kultur

Funde aus der Heimat: Steinkistengräber, Amphoren und ein Königshof

Neue LWL-Publikation über Archäologie in Westfalen-Lippe 2011

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Westfalen-Lippe (lwl). Einen ausführlichen bebilderten Rückblick auf das Jahr 2011 in Westfalen gibt es ab sofort im Handel: In der Publikation ¿Archäologie in Westfalen-Lippe 2011¿ berichten Archäologen und Naturwissenschaftler gut verständlich in 69 Beiträgen auf 284 Seiten von den interessantesten Ausgrabungen, Funden und neuen Erkenntnissen aus der Forschung ¿ ergänzt durch einen Rückblick auf Ausstellungen des vergangenen Jahres. Den Band hat der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) herausgegeben, er ist für 19,50 Euro im Buchhandel und in den drei archäologischen Museen des LWL in Herne, Haltern und Paderborn erhältlich. Autoren sind vor allem die Archäologen und Paläontologen des LWL, kommunale Archäologen und Fachleute von Universitäten.

In der Reihe ¿Archäologie in Westfalen-Lippe¿ erscheint damit zum dritten Mal der aktuelle Jahresbericht über die archäologischen Aktivitäten in Westfalen-Lippe. ¿Mit dem termingerecht produzierten dritten Band dürfte die Reihe ihren festen Platz am Markt gefunden haben¿, meint Prof. Michael Rind, Direktor der LWL-Archäologie für Westfalen. Die steigenden Abonnentenzahlen spiegelten dies bereits wider. ¿ Wir beobachten zunehmendes Interesse von Autoren aus anderen westfälischen Forschungseinrichtungen¿, stimmt Dr. Aurelia Dickers, Vorsitzende der Altertumskommission für Westfalen, zu.

Das Themenspektrum reicht in der Rubrik ¿Ausgrabungen und Funde¿ von der Paläontologie über die Stein- und Bronzezeit bis zu Mittelalter und Neuzeit. In der Rubrik ¿Methoden und Projekte¿ stellen u. a. zahlreiche Naturwissenschaftlerinnen wie Archäozoologen und -botaniker oder Geophysikerinnen ihre weiterführenden Ergebnisse vor. Unter dem Stichtwort ¿Ausstellungen¿ finden sich Blicke in die archäologischen Museen in Herne, Haltern und Paderborn.

¿Archäologie in Westfalen-Lippe 2011" ist in jeder Buchhandlung, in den LWL- Museen in Herne, Haltern und Paderborn sowie im Internet unter https://www.archaeologie-und-buecher.de erhältlich.

Archäologie in Westfalen-Lippe 2011

Herausgegeben von der LWL-Archäologie für Westfalen und der Altertumskommission für Westfalen
284 Seiten, broschiert, durchgehend farbig bebildert
Langenweißbach 2012
ISBN 978-3-941171-76-3
ISSN 2191-1207
19,50 Euro

Beiträge und Themen (Auswahl)

Olfen-Sülsen: ein neues Römerlager an der Lippe

Für besonderes Aufsehen hatte im letzten Jahr die Entdeckung eines neuen Römerlagers in Olfen gesorgt, das zudem das einzige kaum überbaute römische Lager an der Lippe ist. Von dem über fünf Hektar großen Lager aus kontrollierten die Römer in der Zeit von 11 bis 7 v. Chr. den Fluss-Übergang über die Lippe. In dem aktuellen Band werden nun die ersten Forschungsergebnisse vorgestellt, die durch die Kombination von Einzelfunden (gefunden von ehrenamtlichen Mitarbeitern), von Luftbildarchäologie, Magnetometerprospektion, gezieltem Sondengängereinsatz und Sondagegrabungen gewonnen wurden. In diesem Lippebereich wurde zwar seit langem ein Römerlager vermutet, der endgültige Nachweis und die Lokalisierung gelangen aber erst durch Hilfe von Sondengängern, die ihre Funde den LWL-Archäologen vorstellten. Zukünftig wird vor allem der Schutz des Bodendenkmals im Vordergrund stehen.


Haltern am See: Amphoren aus den römischen Militäranlagen
Mit den Römern in Westfalen beschäftigt sich seit 2011 auch ein groß angelegtes Forschungsprojekt: Hier stehen die Amphoren aus den römischen Militäranlagen von Haltern am See im Mittelpunkt wissenschaftlicher Untersuchungen, da das Amphorenmaterial des militärisch und verwaltungspolitisch bedeutendsten Truppenstandortes an der Lippe der Jahre vor und nach Christi Geburt einen der wichtigsten chronologischen Fixpunkte für die Provinzialrömische Archäologie darstellt.

Bisher war der Halterner Amphorenbestand noch fast unbearbeitet. In dem Gemeinschaftsprojekt der Provinzialrömischen Archäologie des LWL und des Instituts für Klassische Archäologie der Universität Trier wurden zunächst 2.320 Funde anhand der Form und der Tonbeschaffenheit in mehr als 160 Gruppen unterteilt und weiter untersucht. Da im Römischen Reich in der Regel eine bestimmte Amphorenform für einen speziellen Inhalt verwendet wurde, lässt sich u. a. erschließen, aus welchen Gegenden des Reiches und mit welchen Waren Haltern beliefert wurde. Überraschenderweise waren selbst in der westfälischen Provinz Fischsauce und eingelegte Oliven aus Marokko und Trockenfrüchte wie Feigen und Datteln aus dem östlichen Mittelmeerraum im Angebot. Zudem wird mit der Erstellung von Referenzgruppen eine wichtige Datenbasis für die zukünftige Amphorenforschung geschaffen.

Porta Westfalica-Barkhausen: eines der reichsten bronzezeitlichen Gräber Westfalens
Die archäologischen Ausgrabungen auf dem Baugebiet mit dem Römerlager in Porta Westfalica-Barkhausen konnten 2011 abgeschlossen und die Nachbereitung begonnen werden. Die letzte Grabungskampagne der Außenstelle Bielefeld der LWL-Archäologie hielt aber noch eine Überraschung bereit: Hier konnte eines der reichsten bronzezeitlichen Gräber in Westfalen untersucht werden. In dem Grab wurde ein 47 bis 54 Jahre alter Mann verbrannt bestattet. Die reiche Grabausstattung bestand aus einem Schwert mit einer bronzenen Klinge und einer Schwertscheide aus Holz, einer Nadel aus Bronze, einer Goldspirale und einem Niet- oder Nadelkopf. Anhand dieser Beigaben konnte das Grab in die mittlere Bronzezeit, also auf die Zeit um etwa 1.200 v. Chr., datiert werden. Die ungewöhnlich reichen Grabbeigaben lassen vermuten, dass der hier Bestattete eine sozial herausgestellte Position hatte, zumal dieses Grab isoliert von den übrigen Brandgräbern lag, die durchweg nur bescheidenere Beigaben aufwiesen.

Erwitte-Schmerlecke: Galeriegräber
Eine der wichtigsten Ausgrabungen in Südwestfalen findet seit mehreren Jahren zur Erforschung der Steinkistengräber der sogenannten Wartbergkultur in Erwitte-Schmerlecke statt. Zwischen 3.500 und 2.800 v. Chr. wurden in diesen Gräbern jeweils über einen langen Zeitraum hinweg bis zu 250 Verstorbene bestattet.

Die Ausgrabungen werden von der Außenstelle Olpe der LWL-Archäologie betreut. Erst die Zusammenarbeit verschiedener Institutionen erlaubt jedoch die Anwendung zahlreicher moderner wissenschaftlicher Verfahren, die ganz neue Erkenntnisse ermöglichen. Die Auswertung der Grabungsergebnisse findet im Rahmen des Schwerpunktprogramms »Frühe Monumentalität« der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) statt. Ebenfalls involviert sind die Westfälische Wilhelms-Universität Münster und die Universitätsmedizin der Georg-August-Universität Göttingen. Untersuchungen der menschlichen Skelettreste nehmen dabei eine herausragende Stellung ein. Da die Skelette nicht mehr im anatomischen Zusammenhang liegen, mussten hierfür 15.000 Einzelfunde in Grab II und über 11.000 Einzelfunde in Grab III untersucht werden. Sie lassen die Erstellung einer ¿Biografie¿ einzelner Individuen oder generelle Erkenntnisse zu Krankheitsursachen und Krankheitshäufigkeiten zu. Dadurch lassen sich wiederum die äußeren Lebensbedingungen und Umweltverhältnisse dieser Jungsteinzeit-Menschen wie beispielsweise Ernährung, Wohn- und Arbeitsverhältnisse, geografische und klimatische Gegebenheiten sowie hygienische und sanitäre Bedingungen rekonstruieren: Aus unserer heutigen Sicht hatte die jungsteinzeitliche Bevölkerung von Erwitte-Schmerlecke ein schweres und entbehrungsreiches Leben.

Lennestadt-Elspe: ein ottonischer Königshof
Am 18. Mai 1000 hatte das heutige Lennestadt-Elspe hohen Besuch: Historische Urkunden belegen einen Aufenthalt von Kaiser Otto III. in Elspe. Hier soll er das Kanonissenstift Oedingen bestätigt und unter seinen Schutz genommen haben. Da der Haupthof in Elspe als Ort dieses hoheitliche Aktes sicher königlicher Besitz war, hatten sich bereits Generationen von Heimatforschern auf die Suche nach dem Königshof gemacht und vermuteten ihn auf dem Hof Börger.

Im März 2011 ermöglichten nun der Abriss der bestehenden Gebäude des Hofes und die Umgestaltung des Hofgeländes archäologische Untersuchungen durch die Außenstelle Olpe der LWL-Archäologie und die Firma Archbau. Dabei konnten Gebäudefundamente freigelegt und zahlreiche Funde geborgen werden. Bei der Keramik handelt es sich ausschließlich um hochwertige Importkeramik aus dem Rheinland, die ins 10. und 11. Jh. datiert werden konnte. Die Verwendung von Steinmaterial für das Gebäude ist ebenfalls bemerkenswert: Im Hochmittelalter wurden nur repräsentativere Gebäude wie z. B. Kirchen aus Stein errichtet. Sonst gab es im ländlichen Raum lediglich hölzerne Pfostenbauten. Beide Faktoren sind deutliche Hinweise auf einen gehobenen Lebensstandard der Hofbewohner. Damit spricht auch einiges dafür, dass hier ein kleiner Rest des Haupthofes aus ottonischem Besitz gefunden wurde.

Detmold-Berlebeck: Eine Schachfigur von der Falkenburg
Fortgeführt wurden 2011 die Grabungen auf der Falkenburg bei Detmold-Berlebeck, die seit 2004 im Zuge von Sanierungsarbeiten und Konservierungsmaßnahmen stattfinden. Die Untersuchungen auf der Hauptburg werden voraussichtlich Ende 2012 abgeschlossen. 2011 wurde dabei u. a. der Keller eines Gebäudes aus der Frühzeit der Burg freigelegt, das im 13. Jh. bei einem Brand zerstört worden war. Aus der Schuttschicht kamen zahlreiche Funde zutage, von denen eine geschnitzte Schachfigur besonders erwähnenswert ist. Sie wird in der Publikation ausführlich vorgestellt, erlaubt sie doch einen Einblick in das herrschaftliche Leben des 12./13. Jh. in einer herausragenden Burganlage. Zudem sind derartige Schachfiguren im archäologischen Fundmaterial äußerst selten. Die Figur ist nämlich nicht so abstrakt wie der arabische Typ, den wir kennen, sondern trägt das Ornat eines Bischofs. Sie wurde im Schachspiel wohl als Läufer eingesetzt. Aufgrund zahlreicher figürlicher Details darf für den Erzbischof von der Falkenburg eine Kölner Beinschnitzwerkstatt vermutet werden.

Coesfeld-Lette: ein Münzschatz aus dem 17. Jh.
Im Oktober 2011 wurde auf einem Acker in Coesfeld-Lette von einem privaten Finder ein Schatzfund aus 169 überwiegend handtellergroßen Silbermünzen entdeckt und der Außenstelle Münster der LWL-Archäologie gemeldet. Die Münzen waren ursprünglich in einem Keramikgefäß deponiert worden, das durch das Pflügen des Ackers zerstört wurde, sodass die Scherben und die Münzen verstreut an der Oberfläche lagen. Während es sich bei dem Steinzeuggefäß vermutlich um eine westmünsterländische Produktion handelt, stammen die Münzen bis auf wenige Ausnahmen aus den Niederlanden. Hier wird deren wirtschaftlicher Einfluss auf das westliche Münsterland deutlich. Der Schatzfund aus dem späten 17. Jh. setzt sich vor allem aus sogenannten Dukatons und Patagons zusammen. Alle Münzen zusammen hatten einen Wert von umgerechnet 185 Talern. Für einen Bauern dieser Zeit war das schon ein stattlicher Betrag: Aus historischen Quellen ist bekannt, dass Kindern von Höfen mittlerer Größe eine Mitgift von etwa 100 Talern versprochen wurde und Ackerpferde um die 20 Taler kosteten.

Luftbildarchäologie
Seit langem ist bekannt, dass sich archäologische Befunde ¿ je nach Beschaffenheit des Bodens ¿ beispielsweise in Getreidefeldern, im Pflanzenwachstum, Schattenwurf oder in Feuchtigkeitsmerkmalen abzeichnen. Diese Hinweise sind vor allem aus der Luft zu erkennen, weshalb die infrage kommenden Gebiete regelmäßig beflogen werden. Für Westfalen übernimmt Dr. Baoquan Song vom Institut für Archäologische Wissenschaften der Ruhr-Universität Bochum diese Aufgabe. Die Aussagekraft der Fotos aus der Vogelperspektive schwankt allerdings stark, da sie u. a. von der Jahreszeit, dem Wetter im Verlauf des Jahres oder der Getreidesorte anhängt. Das extrem trockene Frühjahr und der Sommer 2011 führten zu ganz hervorragenden Rahmenbedingungen für die Luftbildarchäologie, sodass zahlreiche neue Fundstellen entdeckt werden konnten. Diese Ergebnisse und die Methodik werden in einem Beitrag vorgestellt.

Landesausstellung ¿Fundgeschichten. Neueste Entdeckungen von Archäologen in NRW¿
Im LWL-Museum für Archäologie in Herne konnten vom 16. April bis 20. November 2011 die spektakulärsten Funde der vergangenen fünf Jahre in der Landesausstellung ¿Fundgeschichten, Neueste Entdeckungen von Archäologen in NRW¿ präsentiert werden. Vom Vorratsspeicher eines Urzeithamsters über Werkzeug aus einer Alchimisten-Küche und kostbare Münzschätze bis hin zum Bomber des Zweiten Weltkrieges ¿ über 1.000 in NRW geborgene Exponate aus rund 185 Millionen Jahren haben 33.000 Besucher gesehen. Zu dieser Sonderausstellung ist ein 566 Seiten starker, bebilderter Ausstellungskatalog erschienen, der vom NRW-Wirtschafts- und Bauministerium in Zusammenarbeit mit den Landschaftsverbänden LVR und LWL herausgegeben worden ist.

Das Inhaltsverzeichnis der neuen LWL-Publikation ist als Anlage beigefügt.

Haben Sie Probleme, das pdf-Dokument zu lesen? Dann wenden Sie sich bitte unter presse@lwl.org an die LWL-Pressestelle. Wir helfen Ihnen gerne weiter.



Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235 und Katja Burgemeister, LWL-Archäologie für Westfalen, Telefon: 0251 591-8921.
presse@lwl.org



Anlagen:
Anlage 1: AiW2011_Inhaltsverzeichnis_1.pdf


LWL-Einrichtung:
LWL-Archäologie für Westfalen
Zentrale
An den Speichern 7
48147 Münster
Karte und Routenplaner



Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


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