LWL-Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Mitteilung vom 20.12.13

Presse-Infos | Kultur

¿Archäologie in Westfalen-Lippe 2012¿:

Neue Publikation präsentiert die aktuellsten archäologischen Erkenntnisse der Region

Bewertung:

Westfalen (lwl). Wer ein komplettes Stück westfälischer Archäologie im wahrsten Sinne mit Händen greifen will, kommt jetzt zum Zuge. Ab sofort liegt die vollständige Arbeit der Archäologen aus Westfalen und Lippe aus dem Jahr 2012 in kompakt gedruckter Form in den Buchläden. In dem reich bebilderten, ausführlichen Rückblick auf das archäologische Jahr 2012 berichten 100 Autoren unter dem Titel ¿Archäologie in Westfalen-Lippe 2012¿ in 74 Beiträgen auf 304 Seiten von den interessantesten Ausgrabungen und Funden, den spannendsten Forschungsergebnissen und den größten Ausstellungen des vergangenen Jahres.

Die Publikation des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) wurde gemeinsam von der LWL-Archäologie für Westfalen und der Altertumskommission für Westfalen herausgegeben. Die Autoren der allgemein verständlichen Beiträge sind neben den Archäologen und Paläontologen des LWL kommunale Wissenschaftler und Fachleute von westfälischen Universitäten. Die Publikation ist zum Preis von 19,50 Euro im Buchhandel und in den drei archäologischen LWL-Museen in Herne, Haltern und Paderborn erhältlich.

Bereits zum vierten Mal erscheint der aktuelle archäologische Jahresbericht jetzt in der Reihe ¿Archäologie in Westfalen-Lippe¿. Wichtigste Themen für die Wissenschaftler waren in den Jahren 2012 und 2013 die Änderungen im Denkmalschutzgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen. ¿Der aktuelle Band zeigt wieder deutlich, welche wichtigen und vor allem auch unvorhersehbaren Ergebnisse auch Rettungsgrabungen bringen können. Daher begrüßen wir die Stärkung der Denkmalpflege, auch wenn die Finanzierung weiterhin schwierig bleibt¿, so Michael Rind, Direktor der LWL-Archäologie für Westfalen. Aurelia Dickers, Vorsitzende der Altertumskommission für Westfalen, ergänzt: ¿Wir hoffen, dass auch dieser Band wieder dazu beiträgt, Verständnis für die Belange der Archäologie zu wecken und auch Laien für unsere Vergangenheit zu begeistern¿. Als spektakuläre Beispiele aus dem Berichtsjahr nennen die beiden Herausgeber die Funde der ältesten Flusspferde oder einer der ältesten Leitern Europas oder die Untersuchung des bisher einzigen Gräberfeldes der ersten sesshaften Bauern in Westfalen. Diese einzigartigen Untersuchungen bringen ganz neue Erkenntnisse und ermöglichen einen weiteren Schritt bei der Rekonstruktion unserer Vergangenheit.

"Archäologie in Westfalen-Lippe 2012" ist in jeder Buchhandlung, in den LWL-Museen in Herne, Haltern und Paderborn sowie im Internet unter https://www.archaeologie-und-buecher.de erhältlich.

Archäologie in Westfalen-Lippe 2012
Herausgegeben von der LWL-Archäologie für Westfalen und der Altertumskommission für Westfalen
304 Seiten, broschiert, durchgehend farbig bebildert
Langenweißbach 2013
ISBN 978-3-941171-90-9
ISSN 2191-1207
19,50 Euro


Beiträge und Themen (Auswahl)

Zu den ältesten im Band vorgestellten Funden gehören die Reste von Flusspferden und Nashörnern aus der sogenannten Tegelen-Warmzeit, die am Haarstrang entdeckt wurden. Mit ihrem Alter von 1,8 bis 2,2 Millionen Jahren zählen sie zudem zu den ältesten derartigen Nachweisen in Europa. Durch gravierende Klimaveränderungen änderte sich in der Vergangenheit die Höhe des Meeresspiegels extrem, wodurch immer wieder Landbrücken zwischen den Kontinenten entstanden und versanken. Über diese Landbrücken drangen mehrmals afrikanische Tiere wie Elefanten oder Flusspferde nach Eurasien. In Westfalen sind die Funde vom Haarstrang jedoch einmalig: Flusspferde konnten von der Paläontologischen Bodendenkmalpflege des LWL-Museums für Naturkunde zum ersten Mal in Westfalen nachgewiesen werden. Sie kamen vermutlich über die Mittelmeerküsten entweder von Osten über die Donau oder von Westen über die Rhône bis zum Rhein und von dort über die Lippe zum Haarstrang. Auffallend ist die Größe der hier gefunden Flusspferdzähne. Sie sind deutlich imposanter als jüngere Funde.

Das erste linienbandkeramische Gräberfeld in Westfalen überhaupt konnte in Warburg-Hohenwepel von der Außenstelle Bielefeld der LWL-Archäologie für Westfalen untersucht werden. Auf einer Fläche von 800 Quadratmetern wurden hier bisher 34 Gräber der ersten sesshaften Bauern in Westfalen, die in die Zeit von 4800 bis 5500 v. Chr. datieren, freigelegt. Die Toten wurden unverbrannt bestattet und gehörten wohl zu einer der beiden Siedlungen aus derselben Zeit, die in den letzten Jahren in einer Entfernung von nur etwa 200 Metern entdeckt wurden. Die Knochen waren sehr schlecht erhalten, aber es konnten zahlreiche Beigaben geborgen werden. So fanden sich in den Gräbern vollständig erhaltene Keramikgefäße, Feuersteinartefakte und Werkzeuge zur Holzbearbeitung mit Steinklingen, sogenannte Dechsel. Vermutlich wurde bisher nur ein Drittel des Gräberfeldes freigelegt, sodass hier ursprünglich 120 bis 160 Gräber angelegt worden waren.

Eine der ältesten Einholmleitern Europas stammt von einem eisenzeitlichen Siedlungsplatz in Bönen. Auf der 1,2 Hektar großen Grabungsfläche wurden von der Außenstelle Olpe der LWL-Archäologie insgesamt 525 Siedlungsbefunde freigelegt. Sie erlauben die Rekonstruktion von separaten Hofstellen, die auf der gesamten Fläche zu finden sind. Sie bestanden jeweils aus einem größeren, zweischiffigen Wohnhaus und mehreren Speicherbauten. In einem Brunnen fand sich dann der erstaunlich gut erhaltene, 55 Zentimeter lange Rest der hölzernen Einholmleiter. Anhand von Keramik kann sie in das 3. Jahrhundert v. Chr. datiert werden und gehört damit zu den ältesten vergleichbaren Funden Europas. Schlacken und ein Grubenmeiler zeigen, dass hier bereits von den Menschen der Eisenzeit ein ¿Gewerbegebiet¿ angelegt und genutzt wurde. Erstmals in Südwestfalen zeigt sich hier großflächig ein eisenzeitliches, agrarisch geprägtes Siedungsbild. Die weitere Auswertung der Befunde und Funde lässt neue Ergebnisse zu den damaligen Siedlungsverhältnissen und -strukturen erwarten.

Mit den Spuren, die die Römer in Westfalen hinterlassen haben, beschäftigen sich gleich zwei Beiträge. Das Referat Provinzialrömische Archäologie der LWL-Archäologie untersuchte 2012 im sogenannten Hauptlager von Haltern am See den westlichen Teil der Lagerumwehrung. Anlass für die Ausgrabung war der erste Bauabschnitt des ¿Römerparks Aliso/Archäologische Baustelle am LWL-Römermuseum¿. Die Westfront des Lagers ist etwa 380 Meter lang und besteht aus einer Holz-Erde-Mauer und zwei vorgelagerten Wehrgräben mit dem charakteristischen V-förmigen Querschnitt.
Der zweite Beitrag zur provinzialrömischen Archäologie widmet sich Analysen von römischer Keramik. In einem gemeinsamen Pilotprojekt der LWL-Archäologie und der Forschungsstelle Keramik am Institut für Archäologische Wissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt am Main wurde die chemische Zusammensetzung des Tons, aus dem die sogenannte Terra-Nigra-Keramik hergestellt wurde, untersucht. Bei dieser Keramikgattung ist die Frage, ob es sich um einheimische germanische Produkte oder um römische Importe handelt, weitgehend ungeklärt. Mithilfe der chemischen Analysen soll herausgefunden werden, aus welchen Lagerstätten der Ton kommt, um dadurch Rückschlüsse auf die Produzenten ziehen zu können. Erste Ergebnisse belegen sowohl eine einheimische Produktion als auch den geringen Import qualitativ höherwertiger Stücke. Die bekannten Tonlagerstätten scheinen aber als Rohstofflieferanten nicht infrage zu kommen. Weitere Untersuchungen werden sicherlich einige offene Fragen beantworten können.

Bei Balve-Garbeck wurde erstmals im Sauerland eine merowingerzeitliche Siedlung entdeckt. Völlig überraschend kamen hier unter Federführung der Außenstelle Olpe der LWL-Archäologie bei den Untersuchungen Spuren der frühmittelalterlichen Besiedlung zutage. Insgesamt konnten drei Grubenhäuser, zwölf Gruben und zwei Pfostengruben erfasst werden. Zu den Funden gehören neben Mahlsteinen und Keramik des 7. bis 8. Jahrhunderts zahlreiche Eisenschlacken, die belegen, dass hier die Gewinnung und Verarbeitung von Eisen eine wirtschaftliche Rolle spielten.

In der Abbauwand der Tongrube Teepe wurde 2011 in Westerkappeln-Westerbeck ein mehrperiodiger mittelalterlicher Hofplatz angeschnitten. Die Außenstelle Münster der LWL-Archäologie konnte hier über 300 Befunde freilegen. Bei ihnen handelt es sich vorwiegend um Pfostengruben, aus denen sich mehrere Hausgrundrisse rekonstruieren lassen. Herausragender Baubefund ist der schiffsförmige Grundriss eines außergewöhnlich großen Hauptgebäudes mit Kellergrube im östlichen Hausbereich. Keller finden sich erst ab dem 10. Jh. immer häufiger in Wohnhäusern. Das zugehörige Fundinventar datiert den Befund ebenfalls in das 10./11. Jahrhundert. Zu den Funden gehört auch Keramik mit einer Magerung mit Muschelgrus. Das Material belegt Kontakte in den Nordseeküstenraum.

Ein Schwerpunkt im Referat für Mittelalter- und Neuzeitarchäologie war im Jahr 2012 die Beschäftigung mit dem jüdischen Kulturgut in Westfalen-Lippe. So wurden im vorliegenden Band die Ergebnisse der Ausgrabungen einer Mikwe ¿ eines jüdischen Ritualbades ¿ in der Altstadt von Warburg und im münsterländischen Raesfeld sowie einer jüdischen Schule in Petershagen publiziert. Sie erlauben neue Einblicke in das jüdische Alltagsleben, in die Entstehung der ersten eigenständigen Synagogen und in die Entwicklung der jüdischen Gemeinden seit der frühen Neuzeit.

Der bisher nördlichste Vertreter der hochmittelalterlichen oktogonalen Burgen im deutschsprachigen Raum ist die Holsterburg bei Warburg. Die ungewöhnliche achteckige Bauform und die hochqualitativen Steinmetzarbeiten weisen die Anlage von europäischem Rang als weithin sichtbares Statussymbol der Edelherren von Holthausen, genannt Berkule, aus. Sie wurde wohl vor 1170 gebaut und im Jahre 1294 bereits wieder zerstört. Sichtbar war zuletzt nur ein bewachsener Hügel. Bei den Ausgrabungen kam unter diesem Hügel völlig überraschend das zweischalige, 1,80 Meter starke Mauerwerk der Außenmauer zum Vorschein, das noch bis eine Höhe von bis zu sechs Metern erhalten ist. Bislang lässt sich eine Innenbebauung mit bis zu drei Nutzungsphasen nachweisen. Zur außergewöhnlichen Ausstattung der Wohngebäude zählten eine luxuriöse Warmluftheizung und ein Kachelofen. Zu den Funden, die von der Mittelalter- und Neuzeitarchäologie der LWL-Archäologie geborgen werden konnten, gehört vor allem Keramik. Zudem weisen Spinnwirtel darauf hin, dass auf der Holsterburg Textilien hergestellt wurden. Die Bewohner hatten aber auch Muße für einen spielerischen Zeitvertreib, wie ein verzierter Brettspielstein zeigt.

Von ¿westfälischen Dickköpfen¿ berichtet ein Beitrag, der die Ausstellung ¿Schädelkult¿ im LWL-Museum für Archäologie in Herne beleuchtet. Hier fanden sich heimische Häupter zusammen mit Schädeln aus der ganzen Welt in einer spannenden Gesamtschau wieder, die den zum Teil ebenso fremden wie schrecklich schönen Kulten rund den menschlichen Kopf auf ungewöhnliche Weise widerspiegelt. Die Ausstellung steht stellvertretend für viele andere Projekte und Veranstaltungen aus den drei Museen der LWL-Archäologie für Westfalen.

Achtung Redaktionen:
Im Anhang dieser Pressemitteilung finden Sie die Inhaltsangabe zum Leitartikel sowie Beispielseiten aus dem aktuellen Band (PDF-Dokument).


Haben Sie Probleme das PDF-Dokument zu lesen? Dann wenden Sie sich bitte unter presse@lwl.org an die LWL-Pressestelle. Wir helfen Ihnen gerne weiter.



Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235 und Laura Verweyen, LWL-Archäologie für Westfalen, Telefon: 0251 591-3504, laura.verweyen@lwl.org.
presse@lwl.org



Anlagen:
Anlage 1: AiW2012_S22u23.pdf
Anlage 2: AiW2012_S76u77.pdf
Anlage 3: AiW2012_S274u275.pdf
Anlage 4: AiW2012_Inhalt.pdf


LWL-Einrichtung:
LWL-Archäologie für Westfalen
Zentrale
An den Speichern 7
48147 Münster
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Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


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