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Mitteilung vom 20.03.15

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Zwischen Trümmern und Träumen

Filmreihe ¿Drehbuch Geschichte¿ beleuchtet Kriegsende und Neuanfang des Jahres 1945

Bewertung:

Münster (lwl). Im Frühjahr 2015 jährt sich das Ende des Zweiten Weltkriegs zum 70. Mal. Dieser Epochenbruch deutscher und europäischer Geschichte hat auch im Kino vielfältigen Niederschlag gefunden. In der Reihe ¿Drehbuch Geschichte¿ macht sich der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) zusammen mit dem Geschichtsort Villa ten Hompel in Münster, dem Verein ¿Die Linse¿ zur Förderung kommunaler Filmarbeit, dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., dem Verein ¿Gegen Vergessen ¿ Für Demokratie¿ und der Filmwerkstatt Münster auf Spurensuche. Vom 25. März bis zum 29. April präsentieren die Veranstalter fünf ausgewählte Spielfilme aus den Jahren 1945 bis 2008, die das Jahr 1945 in den Blick rücken. Ein weiteres Forum zeigt dokumentarische Aufnahmen vom Kriegsende in Westfalen.

¿Mit ihren sechs Foren beleuchtet die Filmreihe sowohl Ende als auch Neuanfang des Jahres 1945¿, erläutert Prof. Dr. Markus Köster, Leiter des LWL-Medienzentrums, der die Filmreihe gemeinsam mit Christoph Spieker vom Geschichtsort Villa ten Hompel der Stadt Münster initiiert hat. ¿Die Filme nehmen die Schrecken der letzten Kriegsmonate in den Blick, aber auch jenen schmalen Zeitkorridor der ¿Stunde Null`, in der an die Stelle der angeblichen ¿Volksgemeinschaft` eine ¿Zusammenbruchgesellschaft` getreten war.¿

Die Filme:
¿Kolberg¿(Deutschland 1945), 25. März

Den Anfang der Reihe macht mit ¿Kolberg¿ ein NS-Film, der noch während des Zweiten Weltkrieges entstand und der die vom Bombenkrieg geschundene deutsche Bevölkerung zum Durchhalten aufrufen sollte. Der unter der Regie von Jud-Süß-Regisseur Veit Harlan gedrehte und am 30. Januar 1945 uraufgeführte Propagandastreifen reinszeniert in opulenten Farbbildern die Verteidigung der pommerschen Stadt Kolberg gegen die Truppen Napoleons im Jahr 1807. Während die Militärs zur Kapitulation bereit sind, organisiert der Bürgermeister (Heinrich George) den Widerstand der Bevölkerung in einer Art vorwegge-nommenem Volkssturm. ¿In unverkennbar propagandistischer Absicht zeichnet der mit ungeheurem Aufwand produzierte Film die Kolberger als aufopferungsvolle Volksgemeinschaft, die bereit ist, ihre Stadt in einem totalen Krieg um jeden Preis zu verteidigen¿, so Köster.

¿Deutschland im Jahre Null¿ (Italien 1948), 26. März
Einen völlig anderen Blick auf das Kriegsende werfen zwei Filme der Reihe, die beide in der unmittelbaren Nachkriegszeit entstanden und heute zu den wichtigsten Produktionen des Genres ¿Trümmerfilm¿ zählen: Roberto Rosselinis 1947 zum Teil im zerbombten Berlin mit Laiendarstellern gedrehter Film ¿Deutschland im Jahre Null/Germania anno zero¿ gibt aus der Perspektive des italienischen Neorealismus eine präzise Schilderung der Lebensumstände im Nachkriegsdeutschland. Erzählt wird die Geschichte des 12-jährigen Jungen Edmund (Edmund Menschke) in den Trümmern von Berlin. Er versucht sich durchzuschlagen und Verantwortung für seine völlig aus der Bahn geworfene Familie zu übernehmen, scheitert aber beständig und am Ende tragisch. ¿In seinem Film verdichtet Rossellini Alltagssituationen, um die Heimatlosigkeit der Menschen zu beschreiben, die zu keinen neuen Identitäten finden können, weil sie zutiefst in sich gefangen sind¿, erläutert Winfried Bettmer, Leiter der Filmwerkstatt Münster, der in den Film einführen wird.

¿Die Mörder sind unter uns¿ (Deutschland 1946), 15. April
Zumindest vom Titel noch bekannter als Rosselinis Meisterwerk ist heute die unter der Regie von Wolfgang Staudte im Frühjahr 1946 entstandene Produktion ¿Die Mörder sind unter uns¿. Hauptprotagonist dieses ersten deutschen Nachkriegsfilms überhaupt ist der Kriegsheimkehrer Dr. Mertens, der sich mit der KZ-Überlebenden Susanne Wallner (Hildegard Knef in ihrer ersten Hauptrolle) eine Trümmerwohnung teilt. Eines Tages begegnet der schwer kriegstraumatisierte Arzt seinem früheren Hauptmann wieder, der an der Ostfront die Erschießung unschuldiger Zivilisten befohlen hatte. Der Mann lässt mittlerweile als Fabrikant aus Stahlhelmen Kochtöpfe pressen und lebt als biederer Familienvater ohne jedes Schuldbewusstsein. ¿Besonders bemerkenswert ist, wie ernsthaft sich ¿Die Mörder sind unter uns` schon ein Jahr nach Kriegsende mit der Schuldfrage auseinandersetzt und dabei sogar die später tabuisierten Kriegsverbrechen der Wehrmacht thematisiert¿, erläutert Christoph Spieker, Leiter der Villa ten Hompel.

¿Karbid und Sauerampfer¿ (DDR 1963), 29. April
Wie ¿Die Mörder sind unter uns¿ ist auch ¿Karbid und Sauerampfer¿ eine DEFA-Produktion, also im Osten Deutschlands entstanden. 1963 drehte Frank Beyer, der als einer der wichtigsten DDR-Regisseure gilt, diese Komödie, die ihrem Hauptdarsteller Erwin Geschonneck wie auf den Leib geschrieben war. Geschonneck spielt darin den Arbeiter Kalle, der nach Kriegsende mit dafür sorgen möchte, dass in seiner Dresdner Zigarrenfabrik wieder produziert wird. Auf abenteuerliche Weise organisiert er elbabwärts sieben Fässer Karbid, die er nun per Anhalter nach Dresden schaffen muss. Sein Zahlungsmittel sind Zigaretten, seine Wegzehrung ist Sauerampfer.

¿Anonyma¿ (Deutschland 2008), 22. April
Der jüngste Film der Reihe ist ¿Anonyma ¿ Eine Frau in Berlin¿, 2008 unter der Regie von Max Färberböck entstanden. Wie ¿Die Mörder sind unter uns¿ spielt er im Berlin des Jahres 1945 und nimmt genau wie Staudtes Trümmerfilm aus dem Jahr 1946 ein weibliches Schicksal in den Blick: Im Keller eines halbzerstörten Wohnhauses warten die Menschen auf das Kriegsende. Als die Russen einmarschieren, beginnt ein Martyrium. Massenhaft vergewaltigen die Eroberer Frauen jeden Alters. Die Journalistin und Fotografin Anonyma (Nina Hoss) sucht Schutz beim russischen Offizier Andrej. Es entsteht eine Beziehung, die sich wie Liebe anfühlt. Der Film inszeniert ein Tabuthema des Kriegsendes und stützt sich dabei auf die Tagebuchaufzeichnungen einer bis zu ihrem Tod anonym gebliebenen Autorin. ¿Mit seinem Film begibt Max Färberböck sich zweifelsohne auf eine Gratwanderung zwischen der wichtigen Erinnerung an eine weitgehend verdrängte Opfergruppe des Kriegsendes und der Gefahr einer unreflektierten Stilisierung der Deutschen zu Opfern und der Russen zu Tätern. Aber gerade das macht den Film diskussionswürdig¿, so Köster.

¿Heute vor 70 Jahren ¿ Das Kriegsende in Westfalen¿, 1. April
Die fünf Spielfilme der Reihe werden in einem Forum am Mittwoch (1.4.) um eine regionalgeschichtliche Facette ergänzt: Auf den Tag genau 70 Jahre nach Beginn der Besetzung Münsters werden in der Villa ten Hompel dokumentarische Filmaufnahmen präsentiert, die amerikanische und britische Kameraleute im Frühjahr 1945 beim Einmarsch in Westfalen drehten. Die Aufnahmen zeigen zum Teil spektakuläre und überwiegend unveröffentlichte Filmbilder von Sieg und Niederlage, Ende und Neuanfang des Jahres 1945.

Die Spielfilme werden im Cinema Münster an der Warendorfer Str. 45 oder im Schlosstheater an der Melcherstraße 81 gezeigt und von Fachleuten eingeführt. Anschließend besteht Gelegenheit zu Nachfragen und Diskussionen. Alle Filme im Cinema können auf Anfrage auch als Schulvorführungen gezeigt werden.


Die Filme im Überblick:
Mittwoch (25.03.) 19 Uhr im Cinema Münster
Kolberg (D 1945, Veit Harlan)
Einführung: Prof. Dr. Markus Köster, Historiker

Donnerstag (26.03.) 19 Uhr im Schlosstheater Münster
Deutschland im Jahre Null (Italien 1948, Roberto Rossellini)
Einführung: Winfried Bettmer, Filmwerkstatt Münster

Mittwoch (1.4.) 19 Uhr in der Villa ten Hompel (Kaiser-Wilhelm-Ring 28, Münster)
Heute vor 70 Jahren ¿ Alliierte Filmaufnahmen vom Kriegsende in Westfalen
Einführung: Malte Berndt/Dr. Ralf Springer/Tobias Renner, alle Historiker

Mittwoch (15.4.) 19 Uhr im Cinema Münster
Die Mörder sind unter uns (D 1946, Wolfgang Staudte)
Einführung: Katarzyna Salski M.A., Historikerin

Mittwoch (22.4.) 19 Uhr im Cinema Münster
Anonyma ¿ Eine Frau in Berlin (D 2008, Max Färberböck)
Einführung: Dr. Julia Paulus, Historikerin

Mittwoch (29.4.) 19 Uhr im Cinema Münster
Karbid und Sauerampfer (DDR 1963, Frank Beyer)
Einführung: Horst Wiechers, Historiker

Weitere Informationen: http://www.lwl-medienzentrum.de



Pressekontakt:
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
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