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Mitteilung vom 18.09.15

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Blätterhöhle offenbart seltene Funde aus dem Alltag der steinzeitlichen Jäger und Sammler

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Hagen (lwl). Die Blätterhöhle in Hagen hat in der jüngsten Grabungskampagne des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) seltene Einblicke in das Leben der Menschen in der Mittel- und Jungsteinzeit zu bieten: Menschliche Knochen, Tierknochen, Werkzeuge aus Feuerstein und Feuerstellen, geologische Schichten sind 2015 hinzugekommen, um den Alltag der Menschen in und vor der Blätterhöhle vor knapp 11.000 bzw. 6.000 Jahren besser zu verstehen.
Zum Beispiel in Pfeilschaftglätter: Er ist aus Stein, hat eine Rille in der Mitte und passte perfekt auf den Schaft eines Pfeiles. In der Steinzeit war der sogenannte Pfeilschaftglätter unerlässlich, um dem Jagdgerät die bestmögliche Flugfähigkeit zu verleihen. Heute sind diese steinzeitlichen Werkzeuge archäologische Raritäten.
Eine Forschungsgemeinschaft unter Leitung der Außenstelle Olpe der LWL-Archäologie mit 13 Studenten der Universitäten Bochum, Köln und Berlin haben, angeleitet von Grabungsleiter Wolfgang Heuschen, acht Wochen lang zwei Flächen im Höhleninneren untersucht und weitere Grabungsschnitte auf dem Vorplatz der Höhle angelegt.

Dr. Jörg Orschiedt von der Freien Universität Berlin leitet die Ausgrabungen und das Forschungsprojekt seit neun Jahren und erläutert: ¿Wir haben in der Höhle zwei neue Profile durch die Schichten des Erdreiches gelegt. Damit hoffen wir, nähere Erkenntnisse über den Aufbau der Schichten und die Einbettungsvorgänge gewinnen zu können.¿ Darüber hinaus sollen auch weitere Knochen der menschlichen Bestattungen für ergänzende genetische Untersuchungen geborgen werden.

Rege Aktivitäten entfalteten die steinzeitlichen Bewohner auch auf dem Vorplatz der Blätterhöhle. Auch hier sollen Schnitte durch die Erdschichten Aufschluss geben über die Abfolge der Ablagerungen. Besonders interessant ist dabei für die Forscher das Umfeld einer mittelsteinzeitlichen Feuerstelle. ¿Unter der Erdoberfläche liegen wertvolle Hinweise auf die Besiedlung während der Mittel- und Jungsteinzeit¿, schildert Dr. Ralf Blank von der Stadt Hagen, der die Forschungen in der Blätterhöhle ebenfalls schon seit vielen Jahren begleitet.

Entdeckt worden ist die Blätterhöhle, in der sich unzählige Menschenknochen aus der Steinzeit erhalten haben, bereits 2004 vom Arbeitskreis Kluterthöhle e. V. Archäologische Untersuchungen finden seit 2006 in einer Forschungsgemeinschaft im Höhleninneren und auf dem Vorplatz statt.

In diesem für Nordrhein-Westfalen einmaligen Fundort treten seitdem fast jährlich besondere Relikte aus dem Alltag der Mittel- und Jungsteinzeit zum Vorschein. Insbesondere die hervorragend erhaltenen Menschenknochen geben mithilfe von DNA- und Isotopen-Analysen Hinweise etwa auf die Ernährungs- und Lebensweise vor knapp 11.000 bzw. 6.000 Jahren.

So hat die Blätterhöhle ganz neue Erkenntnisse zur Archäologie der späten Steinzeit beigetragen: Vor etwa 7.000 Jahren sind die Menschen zwar sesshaft geworden und haben als Bauern die Landschaft für ihren Lebensunterhalt kultiviert. Im Umfeld der Blätterhöhle gab es neben diesen Menschengruppen auch noch solche, die 2.000 Jahre nach Beginn dieser für die Menschheit revolutionären neuen Lebensweise weiterhin als Jäger und Sammler unterwegs waren.

Die mittelsteinzeitlichen Funde aus der Blätterhöhle sind die bisher frühesten direkten archäologischen Nachweise für moderne Menschen in Westfalen und im Ruhrgebiet. Darüber hinaus zählen diese Funde zu den frühesten Menschenresten aus der Nacheiszeit in Europa überhaupt. Die Blätterhöhle ist auch deshalb ein archäologisches Juwel, weil sich in den Sedimenten des Vorplatzes eine außergewöhnlich vollständige und überregional bedeutende Schichtenfolge von der frühen bis in die späte Mittelsteinzeit erhalten hat. Darin können die Forscher die Siedlungsaktivitäten der damaligen Jäger und Sammler geradezu aus dem Boden ablesen. Bislang wurden unter anderen vier Feuerstellen untersucht.

¿In diesem Jahr stellten erstmals Landesmittel aus dem Denkmalförderungsprogramm NRW die archäologische Ausgrabung über die LWL-Archäologie für Westfalen sicher¿, betont LWL-Archäologe Prof. Dr. Michael Baales. Zudem unterstützten wie in den vergangenen Jahren auch die Stadt Hagen sowie der Arbeitskreis Kluterthöhle die Arbeiten.

Da es sich bei der Blätterhöhle um eine in NRW einmalige Fundstelle handelt, wollen die Forscher in den kommen Jahren weitere Erkenntnisse insbesondere über die bestatteten Menschen, das Siedlungsgeschehen und die Einbettungsvorgängen auf dem Vorplatz und im Höhleninneren gewinnen. Daher wird angestrebt, die Arbeiten in das Forschungsförderprogramm des Landes NRW zu integrieren.

Funde aus der Blätterhöhle sind aktuell auch in der Archäologischen Landesausstellung NRW unter dem Titel ¿Revlution jungSteinzeit¿ zu sehen, die bis zum April 2016 noch im LVR-Landesmuseum Bonn stattfindet. Nähere Informationen unter http://www.revolution-jungsteinzeit.de.



Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235 und Katja Burgemeister, LWL-Archäologie für Westfalen, Telefon: 0251 591-8921.
presse@lwl.org



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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


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