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Mitteilung vom 03.01.19

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Gesellschaft in der Weimarer Republik: "Westfalen war von unterschiedlichen 'sozial-moralischen Milieus' geprägt"

Vorschau auf die Wanderausstellung "Weimar im Westen: Republik der Gegensätze" (Teil 4)

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Münster (lwl). Was haben die jungen Fußballspieler auf einem Foto aus der Weimarer Zeit gemeinsam? Das Alter, die Kleidung, die Begeisterung für den Sport? Es gibt eine Verbindung, die der Betrachter ihnen nicht ansieht und die man dennoch mit einiger Sicherheit bestimmen kann: Sie sind katholisch. Bei den Jugendlichen handelt es sich um eine Fußballmannschaft des katholischen Sportverbands "Deutsche Jugendkraft" im westfälischen Raesfeld um 1930. Der Katholizismus war neben dem Protestantismus und der Arbeiterbewegung eines der prägenden Milieus in Westfalen zurzeit der Weimarer Republik. Dieses Thema beleuchtet die Wanderausstellung "Weimar im Westen: Republik der Gegensätze" der Landschaftsverbände Westfalen-Lippe (LWL) und Rheinland (LVR) im Rahmen des Projekts "100 Jahre Bauhaus im Westen" ab Januar 2019 im Düsseldorfer Landtag.

"Das Foto zeigt exemplarisch, dass Westfalen in der Weimarer Republik von unterschiedlichen 'sozialmoralischen Milieus' geprägt war. Der Begriff bezeichnet Gruppen Gleichgesinnter, die ähnliche Wertorientierungen, Lebensstile, Beziehungen und Mentalitäten aufwiesen und damit das Denken und Handeln der Menschen umfassend von der Geburt bis zum Tod beeinflussten", erklärt Kuratorin Regina Göschl vom LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte, die die Ausstellung zusammen mit Dr. Julia Paulus konzipiert. "Diese Gruppen ermöglichten somit kollektive Identitätsbildungen, die sich den zunehmend individualisierenden Tendenzen der Moderne widersetzten."

Die Milieus waren jedoch nicht strikt voneinander getrennt, da beispielsweise die meisten Arbeiter im Ruhrgebiet auch katholisch waren. Der Zusammenhalt der verschiedenen Gruppen zeigte sich in den 1920er Jahren nicht nur durch die parteipolitische Orientierung ihrer Angehörigen beispielsweise Richtung Zentrum (Katholiken) und SPD beziehungsweise KPD (Arbeiter). Es wurden auch gezielte Unterstützungsangebote wie die Caritas (Katholiken) und die Innere Mission (Protestanten) geschaffen.

Ebenso waren Freizeitangebote auf die verschiedenen Milieus ausgerichtet. Das Foto verweist auf ein Beispiel dieser Milieubindung. So gründete sich im Jahr 1920 die "Deutsche Jugendkraft - Reichsverband für Leibesübungen in katholischen Vereinen" (DJK) mit Sitz in Düsseldorf als konfessionsgebundene Entsprechung zum 1919 ins Leben gerufenen "Arbeiter-Turn- und Sportbund" (ATSB). Die Verbindung zwischen Glaube und Sport, die heute nicht mehr selbstverständlich erscheint, wurde so begründet:

"Wir wollen eine Leibespflege, die vom Geist getragen, von Zucht beherrscht, von dem christlichen Grundsatz der geschwächten Menschennatur begrenzt ist; Leibesübungen, die die Seele als Höchstes und Letztes anerkennen, auf den inneren Menschen zielen und ihn bewusst mitgestalten helfen."

"Dabei wird deutlich, dass gemäß der christlichen Lehre der Geist und die Seele Vorrang gegenüber dem Körperlichen und Materiellen hatten", erläutert Göschl. Erster Vorsitzen-der des DJK war Generalpräses Carl Mosterts. Er prägte den Satz, dem sich der DJK-Sportverband laut eigenen Aussagen bis heute verpflichtet fühlt: "Sport um der Menschen Willen." Für die Fußballmannschaft aus Raesfeld war das wohl bereits 1930 entscheidend.

Hintergrund
Die "Milieus" in Westfalen und im Rheinland sind nur ein Aspekt der Wanderausstellung "Weimar im Westen: Republik der Gegensätze", den die Landschaftsverbände Westfalen-Lippe (LWL) und Rheinland (LVR) 2019 im Rahmen des Projekts "100 Jahre Bauhaus im Westen" beleuchten. Bislang unbekannte Fotos und Filme stehen im Mittelpunkt der Schau, die erstmals einen umfassenden Blick auf "Weimar im Westen" eröffnet. Ergänzt wird die regionale Perspektive durch eine Einführung in die allgemeine Geschichte Deutschlands zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus mit ihren vielfachen Bezügen zu Westfalen und zum Rheinland. Eröffnet wird die Ausstellung zum 100. Jahrestag der Weimarer Nationalversammlung am 23. Januar 2019 im Düsseldorfer Landtag. Anschließend ist sie bis Ende 2019 an sieben weiteren Orten in Westfalen und im Rheinland zu sehen. Ausstellung und Begleitprogramm erarbeitet das LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte in Kooperation mit dem LWL-Medienzentrum für Westfalen und dem LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte.

Weitere Informationen: http://www.weimar-im-westen.de


Die Stationen der Wanderausstellung
1. 23.01. bis 13.02.2019: Landtag NRW (Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf)

2. 17.02. bis 27.03.2019: Geschichtsmuseum der Stadt Lüdenscheid (Sauerfelder Straße 14, 58511 Lüdenscheid)

3. 1.04. bis 16.05.2019: LVR-Landeshaus (Kennedy-Ufer 2, 50679 Köln)

4. 19.05. bis 23.06.2019: Museum für Kunst und Kulturgeschichte Dortmund (Hansastraße 3, 44137 Dortmund)

5. 27.06. bis 27.07.2019: Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek Bielefeld (Neu-markt 1, 33602 Bielefeld)

6. 1.08. bis 16.09.2019: NS-Dokumentation Vogelsang (Vogelsang 70, 53937 Schleiden)

7. 21.9. bis 26.10.2019: Mindener Museum (Ritterstraße 23, 32423 Minden)

8. 5.11. bis 21.11.2019: LWL-Landeshaus (Freiherr-vom-Stein-Platz 1, 48133 Münster)



Pressekontakt:
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235 und Kathrin Nolte, LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte, Tel. 0251 591-5706 (Mo, Di, Mi)
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