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Mitteilung vom 06.08.19

Presse-Infos | Kultur

Stichtag 7. August 1887: Geburtstag von Elisabeth Schragmüller

Rätselhafte Agentin in der Ausstellung "Alles nur geklaut?"

Bewertung:

Dortmund (lwl). Sie stand nicht im Rampenlicht wie Mata Hari, sondern zog vom Schreibtisch aus die Strippen für den deutschen Nachrichtendienst: Dr. Elisabeth Schragmüller, am 7. August 1887 im westfälischen Petershagen geboren und in Dortmund zur Schule gegangen, leitete im Ersten Weltkrieg die Dienststelle der Spionage gegen Frankreich. Die Geschichte der "Mademoiselle Docteur", wie sie auch bezeichnet wurde, erzählt der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) in der Ausstellung "Alles nur geklaut? Die abenteuerlichen Wege des Wissens" im LWL-Industriemuseum Zeche Zollern in Dortmund (bis 13.10.).

"Nach dem Krieg existierten sehr viele Gerüchte und Legenden um Elisabeth Schragmüller. Sie war die rätselhafte Agentin der Deutschen, deren Identität niemand kannte. Erst Jahre später gab sie sich zu erkennen und veröffentlichte einen kurzen Bericht ihrer Tätigkeit", erklärt Ausstellungskurator Dr. Georg Eggenstein. Der Sammelband von 1929, in dem ihr Aufsatz erschien, ist in der Ausstellung zu sehen. An einer Audiostation können sich die Besucher Passagen daraus vorlesen lassen. Da wenig Material über Elisabeth Schragmüller existiert, schlüpfte eine Schauspielerin in ihre Rolle. In Gestalt eines 3D-Hologramms berichtet sie von ihrer Tätigkeit.

Hintergrund
Elisabeth Schragmüller - auch Elsbeth genannt - wurde am 7. August 1887 in Schlüsselburg, das heute zu Petershagen (Kreis Minden-Lübbecke) gehört, geboren. 1889 wurde der Vater als Amtmann nach Mengede, heute ein Stadtteil Dortmunds, versetzt. Dort besuchte sie die Volkschule, zog jedoch schon als Neunjährige zur Großmutter nach Münster, um eine klassische Ausbildung zu genießen, wozu auch Unterricht in Englisch und Französisch gehörte. 1908 begann sie ihr Studium der Staatswissenschaften in Freiburg, das sie 1913 mit einer Doktorarbeit abschloss. Damit gehört Elsbeth Schragmüller zur ersten Generation des Frauenstudiums und der hochqualifizierten berufstätigen Frauen in Deutschland.

Bei Beginn des Ersten Weltkriegs arbeitete Schragmüller als Lehrerin für Staatsbürgerkunde in Berlin. Sie teilte den patriotischen Enthusiasmus vieler Frauen. Hartnäckig bat sie um einen Passierschein für die Westfront, den sie am 20. August endlich bekam. "In Brüssel quartierte sie sich im selben Hotel wie Generalfeldmarschall Colmar von der Goltz ein, lauerte ihm regelrecht auf und überzeugte ihn von ihrer Absicht, für das Militär zu arbeiten", berichtet Georg Eggenstein.

Sie bekam zunächst eine bescheidene Tätigkeit: die Kontrolle beschlagnahmter Briefe belgischer Soldaten. Die umfassenden Berichte des "Leutnants Schragmüller" fielen dem Leiter der Nachrichtenstelle auf. Hauptmann Kefer war erstaunt, eine Frau kennenzulernen, dennoch bot er ihr eine feste Stelle an. Bis Anfang 1915 wurde sie eingearbeitet, danach übertrug ihr der Chef des Geheimdienstes bei der Obersten Heeresleitung, Major Walter Nicolai, die Leitung des Nachrichtendienstes gegen Frankreich, zunächst in Antwerpen, von 1917 an in Freiburg. Dort baute sie ein Agentennetz aus französischen Deserteuren auf.

In ihrem einzigen autobiografischen Bericht von 1929 erklärt sie, dass sie "niemals als ⿺Spionin⿹ [...] zu Ermittlungen irgendwelcher Art in das feindliche Ausland entsandt worden" sei. Vielmehr lag ihre Aufgabe "in der Organisation der systematischen Aufklärung des bis nach Amerika reichenden westlichen Kriegsschauplatzes, in der Gewinnung von [Verbindungspersonen], in ihrer Instruktion, in der Sicherstellung ihrer Meldewege [...], in der Abfassung und Weiterleitung der Meldungen an das Große Hauptquartier".

Bereits im Krieg entstanden bei Franzosen und Engländern verschiedene Legenden um "Mademoiselle Docteur". Dass sie tatsächlich Elsbeth Schragmüller hieß, war nur wenigen bekannt. Sie selbst hat sich äußerst zurückgehalten. Memoiren gibt es nicht, auch ein Nachlass ist nicht vorhanden. Sie schrieb über ihre Tätigkeit nur in dem 1929 herausgegebenen Sammelwerk "Was wir vom Weltkrieg nicht wissen". Sie bestätigte darin, dass sie die berühmt-berüchtigte "Mademoiselle Docteur" sei, über die zu ihrem Ärger viel Falsches in der Presse zu lesen gewesen sei. In der Tat erschienen nach dem Ersten Weltkrieg Romane mit völlig frei erfundenem Inhalt über die Geheimdienst-Mitarbeiterin.

Der Ausstellungskurator: "Elsbeth Schragmüller war eine Schreibtischtäterin, die aus dem Büro die Fäden zog, und dazu beitrug, der geheimdienstlichen Arbeit in der deutschen Armee Struktur und System zu geben, die aber niemals öffentlich in Erscheinung trat, geschweige denn ins Rampenlicht rückte." Mit Mata Hari, die genau das Gegenteil verkörperte, stand Elsbeth Schragmüller in Kontakt: Die beiden trafen sich im März 1916 im Kölner Domhotel, wo Mata Hari Instruktionen direkt von der Vorgesetzten erhielt.

Nach dem Krieg setzte Elsbeth Schragmüller zunächst ihre Laufbahn an der Freiburger Universität fort. Eine Tuberkulose-Infektion fesselte sie später überwiegend ans Bett. 1940 verstarb sie 52-jährig in München.

Forum für Zeitreisende
Wer mehr wissen möchte über Elisabeth Schragmüller und die weiteren Protagonisten der Schau, kann online im "Forum für Zeitreisende" stöbern. Dort schreiben sie aus heutiger Sicht und sehr persönlich von ihren Erfindungen und geheimen Waffen, über geklautes Wissen, ihre Arbeit und ihr Leben. Sie sind online miteinander vernetzt und tun das, was sie zu Lebzeiten nicht konnten: Sie kommentieren gegenseitig ihre Beiträge. http://www.lwl.org/industriemuseum/ausstellungen/allesnurgeklaut/forum-fuer-zeitreisende

Vorträge
Der Historiker Heiko Suhr, der einen Aufsatz über Elisabeth Schragmüller im Ausstellungskatalog verfasst hat, ist mit dem Vortrag "Eine Frau im militärischen Nachrichtendienst: Elisabeth Schragmüller" zweimal zu Gast im LWL-Industriemuseum: am Dienstag (24.9.) um 18 Uhr im LWL-Industriemuseum Zeche Zollern in Dortmund und am Freitag (15.11.) um 18 Uhr im LWL-Industriemuseum Glashütte Gernheim in Petershagen. Der Eintritt ist jeweils frei.


Alles nur geklaut? Die abenteuerlichen Wege des Wissens
23.3. - 13.10.2019 | LWL-Industriemuseum Zeche Zollern, Dortmund
http://www.allesnurgeklaut.lwl.org

Die Ausstellung "Alles nur geklaut?" zeigt an Beispielen aus Geschichte und Gegenwart, wie Wissen geschaffen, geteilt und geschützt wird. Sie veranschaulicht damit die Entstehung der modernen Wissens- und Informationsgesellschaft. Auf 1.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche lernen Besucherinnen Götter, Erfinder, Spioninnen und Whistleblower kennen. 3D-Hologramme erwecken historische Personen zum Leben. Das Spektrum der Exponate reicht vom 4.000 Jahre alten Scheibenrad über eine BH-Minikamera und die Verschlüsselungsmaschine Enigma bis hin zur elektronischen Fußfessel. Abenteuer und Rätselspaß versprechen die sechs Escape-Rooms in der Ausstellung. Kleine Gruppen müssen gemeinsam Aufgaben lösen, damit sich die Tür zur nächsten geheimen Kammer des Wissens öffnet. Auch im Sachverständigenlabor für Original und Nachahmung ist Mitmachen gefragt. Und wer will, kann Selfies in eine Cloud schicken, die über den Köpfen der Gäste schwebt. Objekte zum Anfassen, Hörstationen und ein barrierefreier Zugang machen die Schau für alle Menschen zum Erlebnis.



Pressekontakt:
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235 und Christiane Spänhoff, LWL-Industriemuseum, Telefon: 0231 6961-127
presse@lwl.org



LWL-Einrichtung:
LWL-Museum Zeche Zollern
Grubenweg 5
44388 Dortmund
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Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


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