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Mitteilung vom 30.04.20

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Auf den Spuren eines Verbrechens?

Schädelfund bei Kanalarbeiten sorgt für Aufsehen

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Steinfurt (lwl). Bei Kanalarbeiten in Laer (Kreis Steinfurt) hat die Polizei Teile eines Skeletts geborgen, die aktuell von Archäologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) untersucht werden. Möglicherweise handelt es sich um eine Bestattung aus der frühen Neuzeit. Noch ist unklar, wie es dort hingelangt ist.

Als am 21. April ein Bauarbeiter in 1,3 Metern Tiefe während Kanalarbeiten in Laer einen Schädel auf seiner Baggerschaufel erspähte, wurden die Bauarbeiten wurden zunächst unterbrochen und die Polizei informiert. Frank Tobschall, Beamter der Polizei Steinfurt, barg den Fund und verbrachte ihn zur Rechtsmedizin der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Die dortigen Kollegen baten den Beamten, zur leichteren Identitätsklärung des Toten weitere Skelettteile am möglichen Tatort zu bergen.

Soweit kam es allerdings nicht, denn die Tochter des Beamten, studierte Archäologin, regte an, zuvor die LWL-Archäologie für Westfalen einzubeziehen. Zum Glück, denn tatsächlich handelte es sich nicht um einen heimlich verscharrten Toten, sondern um eine frühneuzeitliche Bestattung - und damit um einen archäologischen Fund. Die Kriminalpolizei konnte somit die Akte schnell schließen. Stattdessen begaben sich die LWL-Archäologen der Außenstelle Münster auf weitere Spurensuche.

Der Fund
"Unser Grabungstechniker Michael Esmyol hat in dem Kanalgraben das restliche Skelett freilegen können", berichtet der Leiter der Außenstelle Münster, Dr. Christoph Grünewald. Wie er weiter erklärt, handelt es sich um eine ordnungsgemäß durchgeführte Bestattung. Das schließen die LWL-Fachleute aus der großen Grabtiefe, und auch die Lage des unbekannten Toten spricht dafür: Der Körper lag auf dem Rücken, den Kopf nach Westen ausgerichtet und die Hände in der Beckengegend übereinandergelegt.

Unter den gefalteten Händen des Skeletts fand der Archäologe ein stark zerfallenes Eisenteil. Grünewald konnte zunächst nur Vermutungen darüber anstellen, worum es sich hierbei handelt: "Wir erwarten ein der Teil Kleidung des Toten, wie etwa eine Verzierung. Wir sind gespannt auf die Ergebnisse unserer Restauratoren, die das Stück aktuell in unserer Werkstatt untersuchen."

Wie kam der Tote hierher?
Was die Archäologen darüber hinaus interessiert ist die Frage, weshalb der oder die Tote an diesem Ort bestattet worden ist. Anhand der bisher vorliegenden Fakten ist sich Grünewald sicher: "Da wurde niemand heimlich verscharrt. Der oder die Bestattete liegt ganz so, wie es auch auf einem Friedhof hätte sein können." Weitere Tote wurden allerdings nicht entdeckt, weshalb klar ist, dass der Tote eben nicht auf einem Friedhof bestattet wurde. Weshalb also fand er gerade hier seine letzte Ruhe?

Da die Bestattung weitab von der Kirche lag, kann es sich nach Meinung der Experten nicht um die alltägliche Bestattung eines Dorfbewohners handeln. Denn in früheren Zeiten wurde nur unter besonderen Umständen außerhalb von geweihtem Boden bestattet. Solche Umstände könnten beispielweise unruhige Zeiten wie Krieg oder Seuchen gewesen sein. Grünewald: "Da wir das Opfer eines Kriminalfalls ausschließen können, blieben zunächst zwei Möglichkeiten: eine Bestattung aus dem frühen Mittelalter, also 5. bis 9. Jahrhundert nach Christus, oder eine irreguläre Bestattung aus der frühen Neuzeit."

Bei einer frühmittelalterlichen Grablege allerdings würden die Fachleute weitere Gräber erwarten, denn damals bestattete man auf größeren Friedhöfen. Ein solcher Friedhof lag im benachbarten Horstmar-Leer. Dass der Tote aber allein bestattet worden ist, darüber sind sich die Archäologen einig. Denn nach Absprache mit der Gemeinde wurden die folgenden Bauarbeiten weiter von den Ausgräbern begleitet. "Somit gewinnt die zweite Möglichkeit, die Deutung als neuzeitliche Bestattung, mehr an Wahrscheinlichkeit", so Grünewald.

Wie es nun weitergeht
"Eine Altersbestimmung durch die Untersuchung des Skeletts wird kaum möglich sein, da dafür die Knochen keine Informationen liefern. Für eine naturwissenschaftliche Untersuchung mittels Radiokarbon-Datierung ist der Fundkomplex zu jung, diese Untersuchungsmethode eignet sich nur für wesentlich älteres Fundmaterial", erklärt Grünewald. Aufklärung soll daher der Eisenfund unter den Händen des Toten geben. Allerdings nur, wenn er sich als spezifisch für eine bestimmte Zeitstellung entpuppt.

Grünewald: "Oft hilft ein Blick in die Geschichte. Im Jahr 1592 wurden Laer, Borghorst und Leer im Zuge des 80 Jahre währenden spanisch-niederländischen Krieges von spanischen Truppen geplündert. Vorstellbar wäre daher, dass ein auf spanischer Seite kämpfender Söldner während der Kampfhandlungen zu Tode gekommen ist und hier beerdigt wurde." Auf Grundlage dessen sollen nun anthropologische Untersuchungen folgen.



Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235 und Sandra Maus, LWL-Museum für Archäologie, Tel.: 0251 591-8946
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