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Mitteilung vom 15.02.22

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Erfolgreicher Sondengeher beschert LWL-Archäologie südlichsten

Nachweis steinzeitlicher Rentier-Jäger in Westfalen

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Meinerzhagen (lwl). Jahrzehnte ist es her, dass den Archäolog:innen des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) ein Beleg für steinzeitliche Rentierjäger in Südwestfalen untergekommen ist. Die nun entdeckte Pfeilspitze aus Meinerzhagen (Märkischer Kreis) ist nicht nur der seit langem aktuellste Fund dieser Art, sondern zudem der südlichste Beleg für die Anwesenheit altsteinzeitlicher Rentierjäger in ganz Westfalen. Zu verdanken ist das besondere Stück einem sehr aufmerksamen, ehrenamtlichen Sondengänger aus Attendorn.

Als Rentiere durch Meinerzhagen zogen
Den seit langer Zeit ersten Beleg dafür, dass während der späten Altsteinzeit (vor etwa 12.000 Jahren) im Raum um Meinerzhagen Rentiere gejagt wurden, liefert eine auf den ersten Blick unscheinbare Pfeilspitze. Entdeckt hat sie Sondengänger Marcel Stipp südöstlich von Meinerzhagen-Valbert, südlich des Kamms des Ebbegebirges.
"Wir vermuten, dass die Rentierjäger während des Frühjahrs oder im Herbst die Herden hier erwarteten, als sie den über 600 Meter hohen Mittelgebirgskamm passierten", erklärt Prof. Michael Baales, Leiter der Olper Außenstelle der LWL-Archäologie. Die Klinge besteht aus grauem Baltischen Feuerstein, der etwa 50 Kilometer nördlicher im Ruhrgebiet zu finden ist. Er wurde zu einer sehr typischen Pfeilspitzen-Art, einer sogenannten Stielspitze, weiterbearbeitet.
"Durch beidseitige Stumpfung jeweils eines Teils der Kante entstand ein kurzer Stiel, der von dem längeren Blatt deutlich abgesetzt ist. Dieses wurde ebenfalls an einer Kante zugerichtet. Die Spitze ist durch die Bewegungen im Acker nur leicht beschädigt", sagt Baales.

Derartige Pfeilspitzen sind typisch für die spätaltsteinzeitliche, sog. Ahrensburger Kultur, die vor rund 12.000 Jahren im nördlichen Mitteleuropa existierte. "Die Menschen bejagten damals die im saisonalen Rhythmus wandernden Rentierherden, die im Frühjahr in die Mittelgebirge zogen", so Baales.
Das wissen die Fachleute dank eines der wichtigsten westfälischen Fundorte dieser Zeit, dem Hohlen Stein bei Rüthen-Kallenhardt. Für den LWL-Archäologen hat der Fund der Pfeilspitze auch eine persönliche Bedeutung, denn vor genau 30 Jahren hat er im Rahmen seiner Kölner Dissertation die Funde des Hohlen Steins bearbeitet.
"Ich finde es toll, dass dieser Neufund die Verbreitung der Ahrensburger Kultur nun auch für das südliche Sauerland belegt; dies ist zudem der erste Neufund dieser Art in den 20 Jahren, seit ich in Olpe bin" freut sich Baales.

Sondengehende finden oft forschungsrelevante Objekte
"Es ist interessant, welche Erkenntnisse solch ein auf den ersten Blick unscheinbarer Fund ermöglicht", freut sich der ehrenamtliche Sondengänger und Pfeilspitzen-Entdecker Marcel Stipp.
Stipp bringt einige Erfahrung mit und hatte gleich erkannt, dass es sich um eine gestielte Pfeilspitze handelt und hoffte, einen der seltenen altsteinzeitlichen Funde gemacht zu haben. Diese Hoffnung hat sich nun erfüllt. Vor einigen Jahren hat er begonnen, mit der Metallsonde Funde zu bergen und auch schon einige interessanten Stücke entdeckt, darunter einen hochmittelalterlichen Buntmetallbeschlag des Apostels Petrus, der einst auf einem Kreuz befestigt war. Ein sehr seltener Fund, nicht nur in Südwestfalen.

Doch hat Stipp zuletzt auch vermehrt ein gutes Auge für das Erkennen verschiedenster Steingeräte aus der Urgeschichte entwickelt. Jungsteinzeitliche Steinbeile aus Quarzit und Pfeilspitzen aus Feuerstein oder geometrische Pfeilspitzen der Mittelsteinzeit hat er mittlerweile schon einige bergen können und so ganz neue Fundstellen im Raum Attendorn - Meinerzhagen entdeckt.

"Die Fortschreibung der ältesten Landesgeschichte Westfalens profitiert außerordentlich vom Engagement ehrenamtlicher Mitarbeiter:innen, die ihre Region kennen und Funde melden", betont Baales. Seit etwa 20 Jahren sind hier verstärkt Metallsonden im Einsatz, die eine solche Anzahl an Objekten zutage fördern, die die LWL-Archäolog:innen kaum noch bearbeiten können. So waren im Regierungsbezirk Arnsberg Ende 2020 etwa 300 lizensierte - also mit einer Genehmigung ausgestattete - Sondengehende registriert, ein Jahr später schon 400. Dagegen nimmt die Zahl der klassischen Fundmelder:innen, die auf den Ackerflächen mit bloßem Auge Fundobjekte suchen, steig ab.
"Mittlerweile sind es nur noch eine Hand voll. Umso erfreulicher ist es, wenn Sondengehende auch die nichtmetallischen Fundkategorien wie Keramikscherben oder Steingeräte berücksichtigen. Marcel Stipp ist so einer", schließt Baales.



Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235 und Sandra Görtz, LWL-Archäologie für Westfalen, Tel.: 0251 591-8946
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