Mitteilung vom 20.03.03
Presse-Infos | Der LWL
Günter Schmidt: Retrospektive der Plakate 1970 - 2000 im Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster
Münster (lwl). Günter Schmidt hat in den vergangenen drei Jahrzehnten mit einer Vielzahl eindringlicher Plakate - neben den Logos die klassische "Hohe Schule" aller öffentlich präsenten "Bildbotschaften" - eine sich rasant verändernde, die Printmedien sträflich vernachlässigende Bildschirm-Werbewelt zum Nachdenken über das Selbstverständnis der Branche herausgefordert. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) zeigt vorm 22. März bis 25. Mai die Ausstellung "Günter Schmidt: Retrospektive der Plakate 1970 - 2000" in seinem Westfälischen Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte.
Die Botschaften seiner Bildersprache sind kurzgeschlossen kaum in BuchstabenTexte übersetzbar. Jeder spezifischen Werbeaufgabe gemäß, antworten je spezifische Verschmelzungen aus weltweitem Bürger-Engagement, deutscher Bauhaus-Strenge, französischem Esprit und bisweilen exotischer Extravaganz. Als Quintessenz ist stets eine sehr persönliche und trotzdem ungemein publikumswirksame Bildcollage zu bewundern.
Schon ein kurzer Blick auf eine Günter Schmidt-Plakatwand, und sei es innerhalb einer verfremdenden musealen Präsentation, kann diesen unverzichtbaren Sympathie-Transfer zwischen der klugen, schnellen Plakat-Botschaft und ihrem gewitzten, trainierten Dechiffrierer in Gang setzen. Möglichst denselben "A-Ha-Effekt" sollen die Reproduktionen im vorliegenden, die Ausstellung begleitenden Bildkatalog in den Köpfen der Betrachter auslösen. Hier - bei den über 200 Abbildungen - liegt der Hauptakzent der weitausgreifenden Retrospekive. Auch anhand von vielen bisher weniger bekannt gewordenen Arbeiten Günter Schmidts geht es dabei um das chronologische Nachzeichnen seiner graphischen Handschrift, die sich schon seit Anfang der Siebziger Jahre Bahn zu brechen begann (das genial-elementare Stadtlogo Münsters von 1970/1971).
Nach vielfältigen Experimenten mit Foto-Montagen und bildmäßigen Kreidezeichnungen sowie Ausflügen in die farbberauschte und schriftenselige Pop-Kultur verdichtete sich zu Beginn der Achtziger Jahre das "Günter-Schmidt-Plakat" quasi zum unverwechselbaren Markenzeichen, dessen Hauptmerkmal der zurückhaltende, wohlüberlegte Einsatz aller graphischen Kunstgriffe ist. Der zuletzt bis zum Tode des Graphikers im April 2001 immer sparsamere, immer souveränere Umgang mit Farbe, Silhouette und Symbol nötigt Respekt ab; ebenso sein unbeirrbares, ganz und gar nicht resignatives Einlassen auf die Zweidimensionalität, auf die Natur des Flächen-Mediums Plakat. Deshalb nur konsequent erscheint schließlich sein bewusst unzeitgemäßes Nein zum plakativen Nachäffen einer in 3-D-Sensationen schwelgenden virtuellen Welt der Video-Clips.
Den "Roten Faden" der Plakatgeschichte des 20. Jahrhunderts erblickte er trotz aller expressiven Ausbrüche oder lähmenden Gängeleien von Seiten diktatorischer Regimes im unterschwelligen Herausarbeiten von sachlich-"bauhäuslerischen" Gestatungslinien, ohne die mit Bildwitz und Wortspiel arbeitenden Pariser und Schweizer Plakaschulen unterschätzen zu wollen. Aus diesem historischen Blickwinkel heraus fand er seine persönlichen Anknüpfungspunkte, von hier aus sortierte er Favoriten und Nieten einer vergangenen Plakatlandschaft auseinander, auch in den Diskussionen, die der Verfasser mit ihm während der Retrospektiv-Ausstellung "Die nützliche Moderne 1935/1955" noch im Frühjahr und Sommer 2000 führen durfte. Denn selbst in der von Faschismus, Krieg und Nachkriegs- verwüsteten Mitte des letzten Jahrhunderts hatten die von Günter Schmidt geschätzten ökonomischen Arbeitsprinzipien der Avantgarde gerade im Graphik-Design ihren langen Atem bewiesen.
Obwohl der Münsteraner dank bildmächtiger Wettbewerbs-Entwürfe höchste internationale Auszeichnungen nach Hause brachte, so blieb doch die gerade in Deutschland nicht ohne Grund gestellte Frage nach der Wirksamkeit des "Propheten im eigenen Lande". Bei aller unvermeidlich kritischen Distanz jedes Künstlers zu seinem örtlichen Arbeitsumfeld, bezog Günter Schmidt andererseits Kräfte der Konzentration gerade aus einer Stadt wie Münster, Anregungen, die ihm Metropolen mit ihrer anonymen Szene großer Werbeagenturen so nicht haben bieten können. Zweifellos ermöglichte die "Provinz" mit einer traditionsbewußten Kaufmannschaft am Ort in diesem Fall selten gewordene Spielräume des Gestaltens jenseits platt-agressiver Massenwerbung um jeden Preis. Der Bildteil des Kataloges belegt dies mit zahlreichen Plakaten bis hin zu ganzen Serien, die sich teilweise über Jahre hinweg dank eines verlässlichen, solide finanzierten Kundenstammes entfalten konnten.
In den späten 1990er Jahren waren es dann Günter Schmidts fast asketische, schwarz-weiß konturierte "Low-Budget" Plakate für die Städtischen Bühnen Münster, die als "Hingucker" an allen Litfaßsäulen nicht nur die eingefleischten Theatergänger bezaubern sollten - und es auch schafften, zum Stadtgespräch zu werden. Quasi als Urbilder starken Graphik-Designs teilten sie souverän die papierbunten Ströme links und rechts an den Anschlagflächen.
Dort verwittern Plakate in der Regel nach Wochen, werden überklebt, erfüllen ihre Bestimmung als Gebrauchsgraphik und enden ihr Dasein als "Verbrauchsgraphik". Die Erhaltung einzelner Exemplare geschieht noch oft genug rein zufällig, systematisch zusammengestellte - aber stets lückenhaft bleibende - Plakat-Oeuvres folgen in der Regel erst nach Jahrzehnten. Umso mehr ist es als Glücksfall zu bezeichnen, dass Günter Schmidt - der beileibe keinen Ehrgeiz zum Archivar besaß - alle ihm bewahrenswert erscheinenden Plakate (zusammen mit Einladungskarten, Logos, freien Siebdrucken) im Atelier sorgfältig aufeinanderstapelte. Der vorliegenden Retrospektive legte der Künstler damit noch selbst die solide, repräsentative Basis; er konnte noch selbst Regie führen.
Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher Katalog mit Farbabbildungen alle ausgestellten Werke. 19 € an der Museumskasse
Pressekontakt:
Markus Fischer Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org
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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.
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