LWL-Newsroom

Mitteilung vom 16.08.07

Presse-Infos | Kultur

Dem ¿Schmalflügeligen Pelzbienen-Ölkäfer¿ auf der Spur

Das LWL-Museum für Naturkunde bittet um Meldung von Fundorten

Bewertung:

Münster (lwl). Biologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) sind in Zusammenarbeit mit dem Käferspezialisten Johannes Lückmann der Verbreitung des ¿Schmalflügeligen Pelzbienen-Ölkäfers¿ auf der Spur. Um Informationen über das Vorkommen dieses Ölkäfers zu sammeln, der wegen seiner Behaarung so heißt, bittet das LWL-Naturkundemuseum in Münster alle Naturfreunde, ihre Beobachtungen und Funde des Schmalflügeligen Pelzbienen-Ölkäfers aber auch anderer Ölkäfer-Arten beim LWL-Museum oder beim Käferexperten zu melden. Als sichere Belege sind Fotos oder Belegtiere willkommen. Die Angaben sind wichtig, um die Ausbreitung der Käfer besser bewerten zu können.

Warum dieses Interesse für einen kleinen schwarzen Käfer, der nur einen Zentimeter groß wird und nicht einmal fliegen kann? LWL-Biologe Dr. Heinrich Terlutter: ¿Die aktuelle Diskussion um die Klimaerwärmung zeigt, dass die Natur immer in Bewegung ist. Da taucht das Taubenschwänzchen, ein Schmetterling aus südlichen Gefilden, plötzlich im Ruhrgebiet an Blüten auf. Und der Große Klappertopf, ein stark gefährdetes Braunwurzgewächs, scheint sich am Niederrhein wieder auszudehnen. Geografie und Ökologie der Tiere und Pflanzen können und müssen ab und zu neu geschrieben werden. Die Natur liefert die besten Indikatoren für Umweltveränderungen. Vielleicht ergeben sich auch mit dem Vordringen des Schmalflügeligen Pelzbienen-Ölkäfers nach Westfalen neue Erkenntnisse. Im Rheinland ist er seit seinem erstmaligen Auftreten 1991 in Kleve schon an mehreren Stellen gefunden worden.¿

Zur Zeit rätseln die Experten noch, warum der Käfer wieder aufgetaucht ist. Sitaris muralis, so sein lateinischer Name, ist zwar äußerlich unscheinbar, steckt aber voller Besonderheiten. So produziert der Käfer das hochwirksame Reiz- und Nervengift Cantharidin, das ihn vor Feinden schützt. Das Gift ist seit mehr als 2000 Jahren bekannt. In großen Mengen aufgenommen, kann es zu lebensbedrohlichen Vergiftungen und zum Tod führen. Schon die alten Griechen vollstreckten damit Todesurteile. In mittleren Dosen hat Cantharidin eine heilende Wirkung. So wurden Extrakte des Ölkäfers früher als Pulver, Tinkturen und Salben eingesetzt. Heute findet es in der Homöopathie und der alternativen Krebsbehandlung Verwendung. Das bloße Anfassen dieser und aller anderen Arten ist aber für den Menschen absolut ungefährlich.

Auch im Leben ganzer Insektengruppen ist Cantharidin wichtig. Schadet es den Fressfeinden des Ölkäfers, so sind andere Tiere unempfindlich gegenüber dem Gift. Sie suchen den Käfer auf und saugen oder knabbern an ihm, um so an den auch sie schützenden Stoff zu gelangen. Der Feuerkäfer zum Beispiel dürfte ohne Cantharidin wohl nicht existieren. Die Männchen nehmen das Gift auf und übertragen es auf das Weibchen. Männchen ohne dieses Gift werden in der Regel von den Weibchen verschmäht.

Eine weitere Besonderheit der Ölkäfer besteht in ihrer einzigartigen Vermehrungsstrategie. Die Larven von Sitaris muralis entwickeln sich als Parasiten in den Nestern von Solitärbienen, die in der Erde und in Mauerritzen nisten. In die Nester ihrer Wirte gelangen die Larven ¿per Taxi¿. Im Frühjahr klammern sie sich im Haarkleid der ausfliegenden Bienen-Männchen fest, wechseln bei der Paarung auf die Weibchen über und lassen sich von diesen in die Nester tragen. Dort verlässt die Käferlarve die Biene und vertilgt deren Pollen, Nektar und Bieneneier. Bis zum Frühjahr des folgenden Jahres entwickelt sich die Larve zum Käfer.

Jetzt im August schlüpfen die Käfer und sind bis Anfang September auch in ¿Stadtbiotopen¿ selbst von Laien zu erkennen. Nur wenige Tagen darauf legen die Weibchen in der Nähe der Wildbienennester ein Eipaket von bis zu 2700 Eiern ab. Nach drei bis vier Wochen schlüpfen die Larven, überwintern und nehmen im Frühjahr darauf ihrerseits ¿das Taxi¿.

Früher nisteten Solitärbienen oft an Hohlwegen, Lösswänden und unverputzten Hauswänden. Diese Nistplätze sind zu einem großen Teil aus unserer Kulturlandschaft verschwunden, so dass Fundmeldungen des Schmalflügeligen Pelzbienen-Ölkäfers selten waren, und er wie alle Ölkäfer auf der Roten Liste der bedrohten Arten steht. In jüngster Zeit findet man den Käfer gelegentlich an regengeschützten und sonnenexponierten Stellen von Wänden oder Balkonen. Auch Ritzen, Fugen, Stopper von Rolläden sowie Wildbienen-Nisthilfen sind Ersatzlebensräume für die Bienen und damit mögliche Entwicklungsorte für den Käfer.

Bis zu Beginn der 90er Jahre war Sitaris muralis ausschließlich in der Rheinebene Baden-Württembergs, in Rheinland-Pfalz und Hessen bekannt. Dann wurde er in Kleve, Bonn und Brühl gemeldet, 2004 in Rees, Straelen und Kranenburg, 2006 u.a. in Kerpen, Bornheim, Duisburg, Oberhausen, Moers und Wesel. Auf Grund der Nachweise vermutet Lückmann, dass sich die Käferart in NRW vor allem entlang des Rheins ausbreitet. Weil der Schmalflügelige Pelzbienen-Ölkäfer 2005 erstmals auch in Celle in Niedersachsen gefunden wurde, hält er es für sehr wahrscheinlich die Art auch in Westfalen finden zu können. Möglicherweise kommt sie aber auch noch in anderen Bundesländern vor, wie Funde der Art in Hamburg und im Saarland in 2006 belegen.

Dr. Johannes Lückmann
Telefon 0621/60-28 386 (tagsüber) oder 06251/580 234 (abends oder am Wochenende)
E-mail: jlueckmann@t-online.de

Dr. Heinrich Terlutter
LWL-Museum für Naturkunde, Münster
Telefon 0251/591-6014
E-mail: heinrich.terlutter@lwl.org



Pressekontakt:
Bianca Fialla, Telefon: 0251 591-6066 und Frank Tafertshofer, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org




Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


Der LWL auf Facebook:
https://www.facebook.com/LWL2.0






Ihr Kommentar




zur Druckansicht dieser Seite

zu den aktuellen Presse-Infos