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Mitteilung vom 14.10.09

Presse-Infos | Kultur

Grabung des LWL-Museums für Naturkunde in Uffeln beendet

Letzter Grabungstag in einem paläontologischen Bodendenkmal

Bewertung:

Münster (lwl). Seit vier Jahren graben die Fachleute des LWL-Museums für Naturkunde unter der Leitung des Paläontologen Dr. Lothar Schöllmann in einem ehemaligen Steinbruch in Ibbenbüren-Uffeln (Kreis Steinfurt) nach Fossilien. Bei diesem Steinbruch handelt es sich um ein seit 1993 eingetragenes paläontologisches Bodendenkmal. Das dort vorliegende Kupferschiefervorkommen ist eine Rarität in Westfalen und stand kurz vor der Zerstörung durch Verwitterung und Durchwurzelung von Birken. Das Museum des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) griff ein und begann 2005 eine Grabung zur Sicherung der Bodendenkmäler.
Die LWL-Fachleute bargen seitdem weit über 1770 Funde. Zu den besonderen Funden aus Uffeln zählen die geborgenen Fisch-Fossilien. So konnten je ein Exemplar eines Fisches mit einem Mu-schelknackergebiss und eines Panzerfisches geborgen werden. Dieser Panzerfisch ist der erste Nachweis seiner Art für Westfalen.

Besondere Stücke der Grabung werden demnächst im LWL-Museum für Naturkunde in Münster ausgestellt. Die Landesvertretung NRW in Berlin bekommt im November vom 2. bis zum 8. November ebenfalls einige Fossilien zum Ausstellen. Und im kommenden Jahr werden herausragende Funde der Grabung anlässlich der Landesausstellung der nordrhein-westfälischen Bodendenk-malpflege in Köln gezeigt.

Kupferschiefer
Kupferschiefervorkommen sind in Westfalen sehr selten. Lediglich zwei weitere Fundstellen sind bisher bekannt. Eine dieser Stellen wurde jedoch mit Erdreich wieder verdeckt und die andere be-findet sich bei einem Straßenaufschluss.

Der Kupferschiefer setzt sich aus Ton-, Mergel-, Kalk- und Sandsteinen zusammen.
Die Dicke dieser Gesteinsschicht beträgt in der Regel weniger als einen Meter. Somit ist der Kup-ferschiefer in Uffeln mit einer Dicke von rund 2,5 Metern auch in dieser Hinsicht etwas ganz Be-sonderes für Westfalen.

Westfalen-Lippe zur Zeit des Kupferschiefers
Der Kupferschiefer gehört zum jüngsten Zeitabschnitt des Erdaltertums ¿ dem Perm - und umfasst den Zeitraum von vor 296 bis 251 Millionen Jahren. Im Perm waren alle Kontinente zu dem Super-kontinent Pangaea vereint.

Uffeln lag zu dieser Zeit dicht an der Küste in einem Binnenmeer. Eine geringe Wasserzirkulation führte dazu, dass sich im gesamten Becken Schwarzschieferbedingungen aufbauen konnten. Das heißt: In der Wasserschicht über dem Boden herrschte ein sauerstofffreies, lebensfeindliches Milieu. Erst oberhalb dieser Wasserschicht konnten Lebewesen existieren. Zu Boden gesunkene Tierleichen und Pflanzen konnten so, vor bakterieller Zersetzung und von Aasfressern geschützt, unzerstört abgelagert werden.

Die Grabung
Die Uffelner Grabung mit einer Grabungsfläche von rund 27 Quadratmetern wurde im Jahre 2005 begonnen und bis zum Oktober 2009 fortgeführt. Durchgeführt wurde die Ausgrabung mit studenti-schen Volontären, Praktikanten der Universitäten Münster und Halle/Saale, präparationstechnischen Volontären und Präparatoren.

Die Grabungsstelle befand sich in einem geschützten Landschaftsbereich. Aus diesem Grund konnte kein schweres Gerät zur Freilegung der fossilführenden Schichten eingesetzt werden. Alle Arbeiten wurden deshalb in Handarbeit erledigt. Das Grabungsteam war gezwungen, die Aufschlussarbeiten mit Spitzhacken und Schaufeln durchzuführen. Über der Grabungsstelle wurde ein Zelt errichtet, um das Grabungsteam und das freigelegte Gestein vor der Witterung zu schützen. In den Winterpausen wurden die Fundschichten mit einer Folie geschützt und anschließend noch mit cirka 30 Zentimeter Abraum zugedeckt.

Das untersuchte Gestein besteht aus einer Wechselfolge von Tonmergelsteinen und kalkigen Sandsteinen. Fossilien finden sich überwiegend in den Tonmergelsteinen. Bereiche des Sandsteines lagen vollständig isoliert. Um unter diesen Bedingungen Schicht für Schicht untersuchen zu können wurde mit einem so genannten ¿Standardprofil¿ gearbeitet. Hierzu wurde in einem Planquadrat die Grabung so intensiviert, dass der Grabungsfortschritt an dieser Stelle der eigentlichen Grabung um einen Profilmeter vorauseilt. In diesem Standardprofil konnten die Schichten definiert, durchnummeriert und mit denen im Grabungsbereich parallelisiert werden.

Funde
Die Bergung der Funde war schwierig, da das Gestein zerklüftet war. Kleinere Fossilien wurden deshalb in mehreren Stücken geborgen und in der Präparation des Museums zusammengeklebt. Größere Funde wurden mit Epoxydharz und Glasfasermatten stabilisiert und als Blöcke ausgegraben. Die Präparation erfolgt durch vorsichtiges Spalten und durch Freilegen mit dem Druckluftstichel.

Insgesamt konnten über 1770 Objekte geborgen werden. Als herausragende Stücke unter den bislang präparierten Exemplaren sind ein Ullodendron-Zweig (Nadelbaum) aus einer Karbonat-schicht und ein Reticulolepis (Raubfisch) zu nennen. Vollständige Reticulolepis-Funde gehören zu den großen Seltenheiten. In der Literatur sind weltweit nur drei Exemplare beschrieben. Das hier erwähnte Exemplar ist der vierte weitgehend vollständige Reticulolepis. Das Highlight aus Uffeln stellt der Fund eines Protorosaurus (Reptil) dar, der jedoch bereits 1985 in Uffeln von einem damals noch zur Schule gehenden jungen Mann gemacht wurde. Der Vorläufer der Dinosaurier befindet sich heute im Besitz des LWL-Museums für Naturkunde. Dieser Fund ist wegen seiner hervorragenden und vollständigen Erhaltung weltweit einzigartig. Meist lagen bisher nur Skelett-Fragmente dieses Reptils vor.

Unter den Funden stellt der kleine Knochenfisch Palaeoniscum freieslebeni den zahlenmäßig größten Anteil. Zu den besonderen Fisch-Funden zählen je ein Exemplar eines Fisches mit einem Mu-schelknackergebiss und eines Panzerfisches (Menaspis armata). Menaspis ist der erste Nachweis für Westfalen. Häufig fanden sich auch Pflanzenreste, die sich auf die Gruppen Nadelhölzer, Schachtelhalme und Farne verteilen.

Die wissenschaftliche Bearbeitung dieser zahlreichen Funde steckt noch in der Anfangsphase und wird einige Jahre dauern.



Pressekontakt:
Bianca Fialla, LWL-Naturkundemuseum, Telefon: 0251 591-6066
presse@lwl.org




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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


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