LWL-Newsroom

Mitteilung vom 07.07.10

Presse-Infos | Kultur

Lückenschluss beim Jakobspilgerweg von Höxter nach Aachen

Achter Weg in NRW im Herbst komplett

Bewertung:

Essen/Bochum. Mit einer Stabübergabe auf der Grenze zwischen Westfalen-Lippe und Rheinland hat am Mittwoch (7.7.) der Lückenschluss im insgesamt achten Jakobspilgerweg durch Nordrhein-Westfalen begonnen.

Auf einem Feldweg zwischen Bochum-Wattenscheid und Essen-Freisenbruch überreichte der Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), Dr. Wolfgang Kirsch, einen Pilgerstab an seinen Amtskollegen vom Landschaftsverband Rheinland (LVR), Harry K. Voigtsberger. Der Jakobspilgerweg von Höxter bis nach Aachen ist bis zum Herbst auch auf rheinischer Seite komplett ausgeschildert und wird dann in Essen-Werden am 10. September feierlich eröffnet werden.

Wissenschaftler haben im Auftrag der beiden Verbände seit Ende der 90er Jahre die 1.000 Jahre alte Tradition der Pilgerfahrten in den nordspanischen Ort Santiago de Compostela erforscht. Insgesamt haben LVR und LWL sieben Führer zu den Pilgerrouten mit über 60.000 Exemplaren Auflage herausgegeben und insgesamt 1.460 Wanderkilometer in NRW mit der gelben Muschel auf blauem Grund ausschildern lassen. ¿Andere Bundesländer beneiden NRW um die Landschaftsverbände, die solche Projekte erfolgreich umsetzen können¿, sagte LVR-Direktor Voigtsberger.


Von Höxter bis Aachen
Die aktuelle, 360 Kilometer lange Route folgt dem historischen Hellweg weit durch das Ruhrgebiet. ¿Das waren im Mittelalter wichtige Handelstrassen, die ganz Europa miteinander verbunden haben¿, so LWL-Chef Kirsch. Die Trasse läuft von Höxter (vom Startpunkt Kloster Corvey über Höxter, Brakel, Bad Driburg, Paderborn, Salzkotten, Geseke, Erwitte, Soest, Werl, Unna, Dortmund) über Bochum, Essen, Düsseldorf und Neuss bis nach Aachen.

Die neuen Pilgerwege sind nach Angaben der Expertinnen Ulrike Spichal vom LWL und Annette-Heusch-Altenstein vom LVR weitgehend an historisch belegte Wegführungen angelehnt. Spichal: "Wir haben Reste von Hohlwegen gefunden, die sich durch die schweren Fuhrwerke ins Gelände eingegraben hatten und können uns auf Ausgrabungsergebnisse stützen." Auch Wachtürme an Landwehrdurchlässen seien Zeugnisse der alten Wegetrasse. Die Forscherinnen wollten die mittelalterlichen Wege und die Spuren der Jakobspilger möglichst genau rekonstruieren: "Es gab für die Pilger keine eigenen Wege, im Gegenteil: Sie suchten aus Angst vor Überfällen stark frequentierte, bekannte Trassen", so Heusch-Altenstein vom LVR.
Dass auch tatsächlich Pilger den Hellweg benutzten, zeigen zahlreiche Funde von verlorenen Pil-gerzeichen, nicht nur Jakobsmuscheln, sondern auch Zeichen anderer Wallfahrtsorte, die z.T. auf dem Weg nach Santiago lagen. Auch Hinweise auf Unterkünfte für mittelalterliche Pilger fanden sich in einigen Hellwegstädten: In Dortmund, dem Kreuzungspunkt des Hellweges mit der Nord-Süd-Strecke, befand sich seit dem 14. Jahrhundert ein Gasthaus, das sich der Unterbringung armer Pilger ange-nommen hat.

Die nächsten Strecken in Westfalen-Lippe und im Rheinland
Zwei weitere Strecken in Westfalen - von Minden über Herford und Bielefeld nach Lippstadt (2011/12) und von Bielefeld über Warendorf, Münster und Coesfeld an den Niederrhein (2013/14) - sind die nächsten Projekte in Westfalen. Im Rheinland wird in Zusammenarbeit mit dem Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz und Partnern in Rheinland-Pfalz noch eine Verbindung Richtung Süden erarbeitet. Danach steht die nachhaltige Betreuung des Routennetzes im Vordergrund.

Die Geschichte der Jakobspilgerwege
Die Pilgerfahrt zum Grab des Apostels Jakobus des Älteren im über 2.000 Kilometer entfernten nordspanischen Santiago de Compostela hat eine Tradition, die bis ins Mittelalter zurückgeht. Man versprach sich die Heilung von Körper und Seele als Lohn für den Besuch der Kultstätte.

Seit dem 10. Jahrhundert kamen aus ganz Europa Pilger, Männer und Frauen aus allen Schichten, nach Spanien, zu Fuß oder zu Pferd. Als Beleg und Erkennungszeichen diente die Jakobsmuschel, die jeder Pilger in Santiago erstehen konnte und deutlich sichtbar an der Kleidung oder Umhängetasche trug.


Seit einigen Jahren erlebt die Pilgerfahrt eine Renaissance, nicht erst, seit TV-Stars wie Hape Ker-keling sich auf den Weg machten: 2009 waren es über 140.000 Pilger, darunter etwa zehn Prozent Deutsche. In diesem Jahr, einem Heiligen Jahr, in dem der Namenstag des Apostels auf einen Sonntag fällt, werden rund 240.000 Pilger und noch mehr Touristen in Santiago de Compostela erwartet. Bereits 1987 hatte der Europarat dazu aufgerufen, die Jakobspilgerwege in Europa zu erforschen. 1993 erklärte die UNESCO den spanischen Teil des Weges, den "Camino Francés", zum Weltkulturer-be.

Durch eine Pilgerreise konnten Verbrecher auch ihrer Strafe entgehen, wenn ein Gericht sie dazu verurteilte. "Bettler, Räuber und Steuerhinterzieher im Pilgergewand haben zusammen mit den Strafpilgern die Pilgerfahrt im Laufe der Zeit in Verruf gebracht. Jakobsbrüder wurden vielerorts mit Ge-sindel gleichgestellt. In Herford, einer wichtigen Sammelstation für Pilger in Westfalen, soll die Jakobikirche 1530 wegen der Jakobspilger, die den Status für ihre Zwecke ausgenutzt haben, geschlossen worden sein", erläuterte Spichal. Für mittellose Menschen war jedoch eine Pilgerreise oft die einzige Möglichkeit, die Heimat zu verlassen. Wohlhabende konnten das Pilgern auch delegieren und einen Berufspilger mieten.



Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org




Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


Der LWL auf Facebook:
https://www.facebook.com/LWL2.0






Ihr Kommentar




zur Druckansicht dieser Seite

zu den aktuellen Presse-Infos