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Mitteilung vom 23.09.20

Presse-Infos | Kultur

"Geschichte der Dinge"

LWL-Wanderausstellung zur Herkunft von Objekten in nordrhein-westfälischen Sammlungen

Bewertung:

Münster (lwl). Der Fall Gurlitt, Bronzen aus dem ehemaligen Königreich Benin oder die Elgin Marbles von der Akropolis - diese Aufzählung macht die Spannbreite aktueller Provenienzforschung deutlich. Die Provenienzforschung, also das Erforschen der Herkunft und der Geschichte von Objekten, ist Thema der neuen Ausstellung "Geschichte der Dinge. Zur Herkunft von Objekten in nordrhein-westfälischen Sammlungen" des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL). Die Schau ist ab dem 27. September im Kreismuseum Wewelsburg in Büren (Kreis Paderborn) zu sehen, anschließend wandert sie durch sieben weitere Museen in Nordrhein-Westfalen.

"Zwar treiben mittlerweile Museen und andere Einrichtungen, wie Bibliotheken und Archive, verstärkt die Erforschung von wichtigen Sammlungsstücken voran. Dennoch dringt erst langsam ins Bewusstsein, dass auch heute erworbene Kunstwerke, Wertobjekte oder Alltagsgegenstände Raubgut sein könnten", sagt Ausstellungskuratorin Verena Burhenne vom LWL-Museumsamt für Westfalen. Dies gelte nicht nur für öffentliche Institutionen, sondern auch für Vereine und Privatpersonen.

Während bei Ausstellungen zum Thema Provenienzforschung meist nur ein Sammlungsbereich, ein Sammler oder ein Museum im Fokus steht, widmet sich die LWL-Ausstellung erstmals in Deutschland dem gesamten Themenbereich: Insgesamt zehn Kapitel beschäftigen sich mit den unterschiedlichen Entzugskontexten wie zum Beispiel NS-verfolgungsbedingtem Entzug, Kolonialismus oder DDR-Unrecht, mit verschiedenen Objektgruppen wie Judaika, aber auch mit Akteuren und Strukturen. Die zentrale Frage: Woher kommt das Objekt? Dabei kann die Ausstellung mit 50 Leihgaben nicht immer Antworten oder konkrete Lösungen präsentieren. Vielmehr laden die Ausstellungsobjekte dazu ein, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und selbst Überlegungen zu Moral und Recht anzustellen.

Anhand der Leihgaben aus Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus erzählt die Ausstellung Lebens- und Erwerbsgeschichten, die schwierige Kapitel der deutschen Geschichte berühren. Die Ausstellungsvorbereitung selbst ist ein Beispiel dafür, wie die aktive Auseinandersetzung damit Zeichen der Völkerverständigung und Versöhnung setzen kann: "Angestoßen durch eine Leihanfrage von uns konnte die Herkunft eines rituellen jüdischen Sedertellers im Hellweg-Museum in Unna recherchiert werden. Die kontaktierten rechtmäßigen Eigentümer bestimmten schnell, dass er als Dauerleihgabe im Museum verbleiben soll", erzählt Ausstellungskuratorin Ute Christina Koch. Andere Objekte stehen hingegen stellvertretend für problematische Provenienzen. So stammt aus dem Museum Wilnsdorf (Kreis Siegen Wittgenstein) der Gedenkkopf eines Oba, des politischen und rituellen Oberhauptes im Königreich Benin, mit einer unbedenklichen Herkunft. Dieser wurde vermutlich Mitte des 20. Jahrhunderts in Nigeria hergestellt. Zahlreiche weitere "Beninbronzen" in europäischen Museen stammen jedoch aus einer "Strafexpedition" der britischen Armee im Jahr 1897 und werden heute von der nigerianischen Regierung zurückgefordert.

"Mit dieser Ausstellung wollen wir die Besucherinnen und Besucher ermutigen, sich mit diesem Thema, ob im eigenen Lieblingsmuseum oder zu Hause, auseinanderzusetzen", so Burhenne. "Gerade abseits der 'großen Kunst' übersieht man schnell, dass auch hier ein verfolgungsbedingter Entzug möglich ist", ergänzt Koch. "Uns war von Anfang an wichtig, möglichst die ganze Bandbreite darzustellen, also verschiedene Entzugskontexte oder auch Objektgruppen bis hin zu Alltagsgegenständen."

Ein Katalog vertieft und erweitert die Themenbereiche und zeigt ausgewählte Ausstellungsobjekte. Darüber hinaus hat die Geschichtsmanufaktur Dortmund ein museumspädagogisches Begleitprogramm für Erwachsene und die Sekundarstufe II entwickelt.

Hintergrund
Mit der Unterzeichnung der "Washingtoner Erklärung" im Jahr 1998 verpflichtete sich die Bundesrepublik Deutschland, die während der Zeit des Nationalsozialismus beschlagnahmten Kunstwerke der Raubkunst zu identifizieren, deren Vorkriegseigentümer oder Erben ausfindig zu machen und eine "gerechte und faire Lösung" zu finden. Über 30 Jahre nach dieser Unterzeichnung wird deutlich, dass die Anstrengungen deutlich verstärkt werden müssen, um dieser Verpflichtung gerecht zu werden. In einem Projekt zur Provenienzforschung in NRW nahm die Museumsberatung des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) zusammen mit dem LWL-Museumsamt in den Jahren 2017 bis 2019 besonders die kleineren und mittelgroßen Museen in den Blick.

Von Beginn an war geplant, im Rahmen einer Wanderausstellung nicht nur die Ergebnisse dieses Projekts vorzustellen, sondern den Besuchern das Thema Provenienzforschung mit Objekten näherzubringen. Die Wanderausstellung haben Ute Christina Koch und Verena Burhenne vom LWL-Museumsamt für Westfalen geplant und organisiert. Die Inhalte des Medientisches zu den Bergungsorten in Nordrhein-Westfalen hat Annika Flamm von der LVR-Museumsberatung beigesteuert.


"Geschichte der Dinge. Zur Herkunft von Objekten in
nordrhein-westfälischen Sammlungen"

Eine Wanderausstellung des LWL-Museumsamtes für Westfalen
in Kooperation mit dem LVR-Fachbereich Regionale
Kulturarbeit, LVR-Museumsberatung
Kreismuseum Wewelsburg, Burgwall 19 in 33142 Büren
27. September bis 6. Dezember 2020

Weitere Stationen:
Jüdisches Museum Westfalen, Dorsten 13. Dezember 2020 bis 7. Februar 2021
Mindener Museum 13. Februar bis 11. April 2021
Museum Wilhelm Morgner, Soest 18. April bis 13. Juni 2021
Museum und Forum Schloss Homburg, Nümbrecht 20. Juni bis 15. August 2021
Zoologisches Forschungsmuseum
Alexander Koenig, Bonn 26. August bis 17. Oktober 2021
Deutsches Textilmuseum Krefeld 24. Oktober 2021 bis 2. Januar 2022
Stadtmuseum Düsseldorf 9. Januar bis 6. März 202



Pressekontakt:
Markus Fischer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org



LWL-Einrichtung:
LWL-Museumsamt für Westfalen
Salzstraße 38 (Erbdrostenhof)
48133 Münster
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Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


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