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Mitteilung vom 19.12.22

Presse-Infos | Kultur

Von einem fossilen Sumpfwald zu einem Relikt aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs

Neue Publikation präsentiert aktuelle Forschungsergebnisse aus der LWL-Archäologie

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Münster (lwl). Ein breites Spektrum von neuen Forschungen spiegelt die neue Publikation "Archäologie in Westfalen-Lippe 2021" des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) wider. In über 70 Beiträgen informieren 96 Autor:innen über die aktuellen Ergebnisse aus Paläontologie und Archäologie und werfen einen Blick zurück auf die s Ausstellungen Westfalens aus dem Jahr 2021.

Vielfältige Forschungsmethoden machen die paläontologische und archäologische Vergangenheit Westfalens sichtbar. Die Entdeckungen reichen von einem aufrecht stehenden fossilen Sumpfwald aus dem Karbon (vor zirka 300 Millionen Jahren), einem eisenzeitlichen Ringdepot, einem weiteren römischen Marschlager bis zu einer Tiefstollenlage aus dem Zweiten Weltkrieg.

Auf 320 Seiten präsentieren die LWL-Archäologie für Westfalen und die LWL-Altertumskommission für Westfalen den Leser:innen die verschiedenen westfälischen Fundplätze aus den unterschiedlichen Epochen.

Auch das Jahr 2021 wurde von der Corona-Pandemie geprägt. Zu Einschränkungen kam es noch in den drei archäologischen Museen. "Auf die über 200 Ausgrabungen hatte die Corona-Pandemie keine Auswirkungen, zumal der Baumboom ungebrochen anhielt", weiß Prof. Dr. Michael M. Rind, Chefarchäologe des LWL. "Die fünf Monate pandemiebedingter Schließung 2021 machten den Museen jedoch erneut zu schaffen, die Besucherzahlen zeigen das", so der Direktor der LWL-Archäologie für Westfalen.

Auch der inzwischen verabschiedete Neuentwurf des Denkmalschutzgesetztes beschäftigte die westfälischen Archäolog:innen. Die Zahl der Grabungen habe sich in den vergangenen zwölf 12 Jahren in Westfalen fast vervierfacht, die Zahl der Lizenzen für Sondengänger und -gängerinnen steige stetig. Dass durch das neue Gesetz noch mehr Arbeit auf zu wenigen Schultern laste, sehe er mit Besorgnis, ebenso wie Dr. Aurelia Dickers, Archäologin und Vorsitzende der Altertumskommission: "Die Archäologie muss sich derzeit vielen Veränderungen stellen. Es gilt auf gesetzliche, wirtschaftliche und auch technische Neuerungen zu reagieren und sich immer wieder anzupassen."

Die Publikation "Archäologie in Westfalen-Lippe 2021" ist in jeder Buchhandlung, in den LWL-Museen in Herne, Haltern und Paderborn sowie im Internet unter https://www.archaeologie-und-buecher.de zum Preis von 19,50 Euro erhältlich.

Die Beiträge des Bandes stehen nach einem Jahr auch online über Open Access kostenfrei zur Verfügung, wo ab sofort auch die Beiträge des Jahresrückblicks 2020 zum Download bereitstehen. Weitere Informationen gibt es unter https://www.lwl-archaeologie.de.


Archäologie in Westfalen-Lippe 2021
Herausgegeben von der LWL-Archäologie für Westfalen und der Altertumskommission für Westfalen


Langenweißbach 2022
320 Seiten, durchgehend farbig bebildert
ISBN 978-3-95741-186-0
ISSN 2191-1207
19,50 Euro (im Abo nur direkt über den Verlag: 18,50 Euro)

Erhältlich über jede Buchhandlung und im Onlineshop des Verlag Beier & Beran.



Ein Blick ins Buch: Auswahl an Beiträgen
In einem ehemaligen Stollen in Hattingen wurde ein senkrecht stehender, fossiler Sumpfwald aus dem Karbon entdeckt. Der zirka 317 Millionen Jahre alte Wald besteht aus zahlreichen Pflanzenfossilien, zum Beispiel von heute ausgestorbenen Siegelbäumen, einer dichten Laubstreuschicht aus Blättern und Zapfen und einigen Farnen, die vermutlich ranken und klettern konnten. Die Entdeckung des Waldes lässt die Forschenden auf neue Einblicke in die ältesten Vegetationsphasen Westfalens hoffen.

Von der bereits bekannten jungsteinzeitlichen Siedlung von Minden-Dankersen nahmen die Expert:innen bisher an, sie sei eine kleine, isoliert liegende Siedlung gewesen. Neue geomagnetische Bodenuntersuchungen belegen nun, dass hier zahlreiche Häuser gestanden haben. In Zusammenschau mit vielen Oberflächenfunden ist das Urteil über die Stellung der Siedlung nun zu revidieren: Hier befand sich um 5300 bis 4800 vor Christus eine blühende, langlebige Siedlungsgemeinschaft.

Bei Lennestadt-Elspe stießen Archäolog:innen auf den ältesten Begräbnisort im Mittelgebirge Südwestfalens. Es konnten um die 100 Bestattungen freigelegt werden, bei denen es sich überwiegend um Urnengräber und Brandbestattungen handelt. Bisher gingen die Fachleute davon aus, dass diese Gegend erst zum Beginn der Eisenzeit (8. Jh. v. Chr.) besiedelt war. Die neuen Ausgrabungen zeigen jedoch, dass das Gräberfeld bereits in der vorangegangenen Bronzezeit genutzt wurde.

Im Sommer 2021 fanden mehrere archäologische Untersuchungen in Haltern am See statt. Ziel war es, auffällige, aus der Luft erkennbare Strukturen im Bewuchs zu untersuchen. Auf Luftbildern und durch Bodenradarmessungen konnten Expert:innen die Spuren von zwei einander überschneidenden Zeltlagergräben aus der Römerzeit entdecken. Aufgrund dieser Untersuchungen ließ sich der vollständige Grundriss eines bislang noch unbekannten römischen Marschlagers rekonstruieren. Es datiert in die Zeit des römischen Feldherrn Drusus (ca. 12 - 8 v. Chr.) und ist damit älter als das bereits bekannte Feldlager.

Die bronzenen Gürtelteile, dessen golden schimmernde Replik es in diesem Jahr auf das Cover der neuen "Archäologie in Westfalen" geschafft hat, entdeckte eine Sondengängerin in der Umgebung von Schöppingen. Die bronzene Gürtelschnalle und ihr Gegenstück werfen ein neues Licht auf die um 800 n. Chr. angenommene Kirchengründung in Schöppingen. Die aufwendig in einem Guss hergestellten Gürtelteile stammen aus der Zeit der Merowinger (um 600 n. Chr.) und sind damit ganze 200 Jahre älter als der erste Bericht zur Kirchengründung.

In den Jahren 2021 und 2022 wurden in Dortmund die gut erhaltenen Überreste eines Holzweges unter dem Asphalt entdeckt. Sie gehörten zu einem Teilbereich des westfälischen Hellwegs, der die Städte Essen und Paderborn verband und damit eine wichtige Ost-West-Handelsroute bildete. Die Analyse der Holzbohlen ergab, dass der Hellweg an dieser Stelle zwischen dem 11. und 12. Jahrhundert gebaut wurde, womöglich im Zusammenhang mit einem nicht mehr erhaltenen Torbereich oder während der Entwicklungsphase der Stadt.

Das Kloster Hardehausen im Warburger Stadtteil Scherfede ist derzeit im Fokus der Archäologinnen und Archäologen. Zum einen ist es das älteste Zisterzienserkloster Westfalens, zum anderen zeigen aktuelle Ausgrabungen, dass dessen ehemaliges Untergeschoss so weitgehend erhalten ist, dass nun zwei Bauphasen vor 1700 nachvollzogen werden können. Von diesen reicht die Älteste wahrscheinlich in die Mitte des 13. Jahrhunderts. Die gute Erhaltung des verloren geglaubten Westflügels ist für Archäolog:innen von hohem Wert. Die hochwertigen Architekturelemente ermöglichen tiefe Einblicke in die Entwicklung der Klosterlandschaft Westfalens.

Unter der Innenstadt von Dortmund liegt, ein weitläufiges Luftschutzbunker-System aus dem Zweiten Weltkrieg. Nach dem Ende des Krieges wurden Teile der Anlage stark verändert. Archäolog:innen, die sich mit der Neuzeitarchäologie beschäftigen, können diese Spuren lesen und die unterschiedlichen Bauphasen bestimmen, ebenso die verschiedenen Arbeitsschritte und Techniken, die damals beim Ausbau verwendet wurden. Damit dieses Beispiel der "Archäologie der Moderne" weiterhin dokumentiert und erforscht werden kann, soll die gesamte Bunker-Stollen-Anlage unter Schutz gestellt werden.

Während der Aufräumarbeiten nach der Hochwasser-Katastrophe im Jahr 2021 kam es in Hagen-Eckesey zu einem sensationellen Fund: In einem schachtförmigen Hohlraum zwischen zwei Gebäuden fanden sich zahlreiche gut erhaltene Dokumente und Gegenstände aus der nationalsozialistischen Vergangenheit Hagens. Bei der Bergung und Analyse der Objekte arbeiteten Archive, Museen und der LWL eng zusammen. Das mehr als 20 Transportkisten umfassende Material stellt eine Quelle dar, die für die Erforschung der NS-Zeit in der Region von großer Bedeutung ist.


Achtung Redaktionen: 
Das Inhaltsverzeichnis der neuen LWL-Publikation sowie eine Auflistung der einzelnen Fundorte haben wir Ihnen als Anlage beigefügt (s. Online-Version dieser Pressemitteilung - über den Link oberhalb dieser Mail erreichbar).

Haben Sie Probleme das PDF-Dokument zu lesen? Dann wenden Sie sich bitte unter presse@lwl.org an die LWL-Pressestelle. Wir helfen Ihnen gerne weiter.



Pressekontakt:
Frank Tafertshofer, LWL-Pressestelle, Telefon: 0251 591-235
presse@lwl.org



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An den Speichern 7
48147 Münster
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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 20.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 18 Museen sowie zwei Besucherzentren und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 125 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.


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