QUELLE

DATUM1945-05-04   Suche   Suche DWUD
URHEBER/AUSSTELLERMüller, Wettin
TITEL/REGEST"Streiflichter aus dem Konzentrationslager Niederhagen-Wewelsburg": Bericht des ehemaligen "Bibelforscher"-Häftlings Wettin Müller aus dem KZ Niederhagen/Wewelsburg, angefertigt am 4. Mai 1945 für einen Offizier der Britischen Armee, der eine Untersuchung über die Tätigkeit der SS in Wewelsburg durchführte.
TEXTSadist Lagerkommandant Haas ließ Zigaretten und Zigarren verteilen, an sog. Vorarbeiter, welche den Auftrag bekamen, dafür die Häftlinge "fertig" zu machen (fürs Krematorium). Häftlinge, hungrige Gerippe, bei schwerer Arbeit im Steinbruch zu Tode geschlagen, getreten, erwürgt, von 8 Meter Höhe abgestürzt oder in Jauche- oder Klärgruben geworfen. Im Revier mit Leichengift abgespritzt, weil für diese Kranken, sogenannte Staatsfeinde, Verbandszeug zu schade war. Schlagwerkzeuge waren mit Sand gefüllte Gummischläuche, Stiele von Hacken und Schaufeln, Drahtseile, Hämmer, mit Stahldraht umwickelte Ochsenziemer, Hundepeitschen.

Häftlinge, bis zur Bewußtlosigkeit geschlagen, krochen in ihrer Not auf dem Bauche zum SS-Posten und baten um einen gutgezielten Schuß, oder krochen zum elektrischen Draht. Mancher Tag brachte 5 solcher auf der Flucht erschossene Häftlinge. Wurden Zivilpersonen aufmerksam, sagte der Kommandant abends im Lager zu den Berufsverbrecher Vorarbeitern: "Das Schlagen ist verboten! Ich will das nicht sehen, verstanden!" Und SS-Lagerführer Plaul anschließend: "Schlagt die Kerle tot, aber laßt uns das nie sehen."

Arbeitsdienstführer Rehn stopfte den sterbenden Häftlingen Erde en Mund und sagte lachend: "Guck, der Kerl frißt noch." Häftlinge, bis aufs Hemd entkleidet, nackend im Schnee sitzend, wurden vom Arbeitsdienstführer Rehn eigenhändig bis unter die Arme mit Schnee eingepackt und mußten so sitzen, bis sie abgestorben waren. Sterbende Häftlinge, im Revier entkleidet, noch lebend in die Leichenhalle gebracht, erhielten noch lebend die Kennummer mit Farbe auf den Leib geschrieben, lagen bis zu drei Stunden auf nassem, kaltem Steinboden, bis sie starben. Dauerte der Tod zu lange, so wurde mit Spritzen nachgeholfen. Tote, nachts im Bett gestorben, wurden morgens mit Knüppeln geschlagen; sie sollten aufstehen zur Arbeit. Unter allgemeinem Gelächter hieß es: "Mensch, der ist ja schon tot!" Eine 18jährige Russin verteidigte in einer Fabrik ihre Ehre gegen einen deutschen Chef. Wegen Widerspenstigkeit wurde sie in Wewelsburg gehängt. Vom Verbrennungsmeister Oberscharführer Stolle wurde dieses tote Mädchen mit einer Eisenstange im Krematorium geschändet. Augenzeuge war Häftling Walter Baer (Helfer in der Verbrennungsstation).

In den Händen des Verwaltungsführers SS-Obersturmführer Michl lag die Ernährung der Häftlinge. Mit dem Mehl der Häftlinge wurden abends die Schweine der SS-Totenkopf-Verbände gefüttert. Abends, im Dunkeln, brachten Lastwagen Runkelrübenblätter ins Lager für die Häftlinge. Von Mai bis August 1942 gab es jeden Mittag Brennesselsuppe fast ohne Kartoffeln. Ein Massensterben war die Folge. Der SS-Offiziersstab hatte des öfteren Schweineschlachten; und mit dem Zucker, Mehl und Fett aus der Häftlingsküche wurden Torten gebacken. Wurst und Margarine wurde in Paketen für die SS-Familien auf Kosten der Häftlinge mitgenommen. Häftlinge sammelten Regenwürmer und Schnecken während der Arbeit und versuchten, diese in Wasser gebrüht zu essen. Für diese sog. Versehen gab es abends Strafarbeit mit Kostentzug. 25 Stockschläge, Pfahl oder Sport: Kniebeuge, Hüpfen, Rollen, bis zur völligen Erschöpfung. Und die Magensäfte wurden ausgebrochen. Faustschläge, Fußtritte halfen nach. Gras, Blätter, Wurzeln wurden während der Arbeit mit Heißhunger gegessen (Hungerwahnsinn).


PROVENIENZ  Privatperson


QUELLE    Hüser, Karl / Brebeck, Wulff E. | Wewelsburg 1933-1945 | Dokument 07, S. 46f.


PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)
SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ1.3   Einzelquelle (in Volltext/Regestenform)
Zeit3.9   1900-1949
Ort2.7.4   Büren, Stadt
DATUM AUFNAHME2004-02-25
AUFRUFE GESAMT3433
AUFRUFE IM MONAT15