QUELLE

DATUM1902-05-01   Suche   Suche DWUD
URHEBER/AUSSTELLERLueg, H.
AUSSTELLUNGSORTDüsseldorf
TITEL/REGESTRede des Geheimen Kommerzienrats H. Lueg zur Eröffnung der Industrie- und Gewerbe-Ausstellung für Rheinland, Westfalen und benachbarte Bezirke 1902 in Düsseldorf
TEXT[S. 28] Ew. Kaiserliche und Königliche Hoheit!

Hochgeehrte Festversammlung!

In wenigen Tagen sind 22 Jahre verflossen, dass wir die Vorgängerin dieser Ausstellung, die Industrie-, Gewerbe- und Kunst-Ausstellung des Jahres 1880, eröffneten. Ihr Wirken und namentlich ihre segensreichen Folgen sind in unser aller Gedächtnis, und die Stadt Düsseldorf insbesondere gedenkt jener grossen Veranstaltungen mit dankbarere Freude. Die Ausstellung 1880 war indessen nicht die erste glücklich durchgeführte Düsseldorfer Ausstellung. Ihre Vorgängerin, die im Jahre 1852 im alten Ständehause veranstaltete Provinzial-Gewerbe-Ausstellung für Rheinland und Westfalen, nahm einen ebenso glücklichen Verlauf, und von welchem Geiste die Düsseldorfer Ausstellungen von Anfang an beseelt waren, das zeigt uns der Rechenschaftsbericht, den der Vorsitzende der Ausstellung von 1852, Regierungsrat Dr. v. Mühlen, erstattete, und in welchem er sagte: "Wir haben uns als Gehülfen der öffentlichen Meinung betrachtet, die von der Erkenntnis des Vorhandenen die Handhabe für den Fortschritt finden will, die von Gewerbe-Ausstellungen eine Übersicht des reinen, uninteressierten Wetteifers erwarten und in dem Daheimbleiben wohlberufener Firmen eine Beeinträchtigung des öffentlichen Wohles erkenn.“

Aber auch die Ausstellung von 1852 war nicht die erste erfolgreiche Düsseldorfer Ausstellung. Diese fand vielmehr im Jahre 1811 statt und sie wurde von keinem Geringeren als dem ersten Napoleon besucht, der auf sie das Wort münzte: L’exposition a l’air d’un grand pays.

Düsseldorf ist also eine historische Ausstellungsstadt wie Paris; aber man wird uns nicht den Vorwurf machen, auf Grund unseres historischen Berufes nun geschäftsmässig Ausstellungen zu betreiben, wenn wir nach Zwischenräumen von 28 und 22 Jahren eine neue Ausstellung ins Werk setzen.

Meine Herren! Präsident Mac Kinley sagte am Vorabende seines Todes in Buffalo: "Ausstellung sind die Marksteine der Fortschrittes.“ Im Sinne dieses treffenden Wortes dürfen wir die Frage, ob unsere Ausstellung Daseinsberechtigung hat, mit einem vollen Ja beantworten. Welch einer fast überwältigenden Summe von Fortschritten technischer Art, welch einer grossartigen Entwicklung in der Menge der Produktion, in der Zahl der Arbeiter, in den Wegen und Mitteln des Verkehrs stehen wir heute gegenüber, wenn wir zurückdenken an die Ausstellung des Jahres 1880!

Es ist hier nicht der Ort, Ihnen Statistiken vorzuführen. Ich weise nur kurz darauf hin, dass die Steinkohlenförderung des Ruhrbeckens allein von 28 Millionen Tonnen im Jahre 1880 bis heute auf mehr als 60 Millionen Tonnen gestiegen ist. Die Zahl der Arbeiter ist entsprechend verdoppelt. Im Jahre 1880 betrug die deutsche Roheisenerzeugung 2½ Millionen Tonnen, die englische dagegen nahezu 8 Millionen; 20 Jahre später war die deutsche Roheisenerzeugung 7½ Millionen Tonnen und kam der eine Million mehr betragenden englischen Produktion damit hart auf die Fersen, während in der Stahlerzeugung Deutschland mit rund 6½ Millionen Tonnen Grossbritannien mit noch nicht 5 Millionen Tonnen weit überflügelt hat. Unsere Hochöfen haben in dem Zeitraum von 20 Jahren ihre Erzeugung vervier- bis verfünffacht. Der Verkehr auf unseren Vollbahnen hat sich in den zwei Jahrzehnten vervielfacht, ihnen hat sich ein engmaschiges Netzt von Klein- und elektrischen Bahnen zur Befriedigung des gewaltig gestiegenen Verkehrsbedürfnisses zugesellt.

Wenn wir im Jahre 1880 durch die grossen deutschen Maschinenbau-Anstalten wanderten, so fanden wird, dass die besten Drehbänke und andere feine Werkzeugmaschinen meist englischen Ursprungs waren. Heute sind sie alle längst durch die Erzeugnisse des deutschen Maschinenbaues ersetzt, und englische Drehbänke sind aus den Werkstätten ganz verschwunden. Und hat sich nicht in der Zeit von 22 Jahren in der Art unserer Gütererzeugung im grossen und im kleinen fast eine Revolution vollzogen?

Der Dampf, der treue Diener, der unsere Maschinenkolosse bewegt, der Lebensnerv unserer Betriebe, hat nicht er selbst von seiner imposanten, alleinherrschenden Höhe herabsteigen müssen und mit einer gewaltigeren und dem Menschen noch besser dienenden Kraft den Platz geteilt?

Meine Herren! Im Jahre 1880 zeigten wir hier in Düsseldorf die Elektrotechnik nur im Anfang. In jenen Tagen waren die ersten Bogenlampen vor dem Bergisch-Märkischen Bahnhof aufgestellt, und sie wurden vom Volke noch angestaunt wie ein halbes Wunder. Ein Licht wie das der Sonne! Hatten die Leute, die noch ihre Arbeit bei einem trüben Öllämpchen verrichten mussten, die meist erst in den 70er Jahren die erste Petroleumlampe angeschafft, nicht ein Recht zum Staunen? Und auf der Ausstellung selbst! Wie stolz waren wir, ein elektrisches Miniaturbähnchen von wenigen hundert Metern Länge zeigen zu können und das Gelände "mit 12 elektrischen Lampen und einem grossen Centrallicht“, wie es im Ausstellungswerk heisst, zu erleuchten! Heute wird unser Gelände des Abends durch Hunderte von Bogenlampen und durch zahllose Glühlichter in eine Flut elektrischen Lichtes getaucht sein, und elektrische Kraft wird mit Tausenden von Pferdekräften die meisten unserer Maschinen treiben.

Aber nicht nur unser Wunsch und die Notwendigkeit, für die Fortschritte der heimischen Industrie, die nicht nur in den genannten, sondern in allen mannigfaltigen Zweigen unserer gewerblichen Thätigkeit seit 1880 zu verzeichnen sind, einen neuen Markstein zu errichten, hat dieses grosse Unternehmen ins Leben gerufen, sondern es ist vor allen Dingen auch eine notwendige Folge der Pariser Weltausstellung des Jahres 1900. In Paris war die deutsche, und insbesondere die rheinisch-westfälische Grossindustrie räumlich totgedrückt worden, Luft und Licht zur Entfaltung waren ihr versagt. Da galt es denn der Welt zu zeigen, dass nur diese ungünstigen Umstände die deutsche Industrie in Paris an einer machtvolleren Entfaltung hinderten. Es galt in Düsseldorf zu zeigen, was die deutsche Industrie ist und was sie zu leisten vermag, wenn Licht und Luft und Raum zur Entfaltung gegeben sind, es galt, in einem mächtigen Bild der Welt zu zeigen, dass nicht etwa Furcht uns von Paris zurückgehalten hat. In Deutschland selbst eine Weltausstellung zu veranstalten, war vor der Hand eine Unmöglichkeit, hat doch selbst Berlin nicht einmal vermocht, eine allgemeine deutsche Ausstellung zu stande zu bringen. So war denn der Rahmen unseres Unternehmens als einer Ausstellung für Rheinland, Westfalen und [S. 29] benachbarte Bezirke von selbst gegeben, und trotz vielfach weitergehender Wünsche haben wir an diesem Rahmen streng festgehalten. Wir glauben mit Recht, dass in dieser Beschränkung unsere Kraft liegt.

Jene ernsten und gewichtigen nationalwirtschaftlichen Gründe also waren entscheidend für die Veranstaltung dieser Ausstellung. Lediglich aus diesen Gründen hat man beschlossen, den Ausstellungsgedanken zu verwirklichen. Diese Gründe waren es, die unsere grossen Industriellen, an ihrer Spitze die Firma Friedrich Krupp, bewogen, den Ausstellungsgedanken, - zwar wie es bei einer so ernsten Sache erforderlich ist, nicht überstürzt, sondern nach eingehender Erwägung, dann aber freudig und opfermutig - zu erfassen und durchzuführen. Der Industrie und besonders der in grossen wirtschaftlich-technischen Vereinigungen organisierten Industrie, schulden wir diese grosse Ausstellung, und wenn ich heute allen beteiligten Faktoren zu danken habe, so muss ich den grössten Teil der ganzen Dankesschuld der Industrie des Ausstellungsgebietes zollen.

[...]

[S. 30] Einer solchen weltweiten Anerkennung bedürfen unsere Industrien um so mehr, als ihre Leistungsfähigkeit dem heimischen Bedürfnis längst vorausgeeilt ist und sie zur Aufrechterhaltung ihrer Betriebe auf Absatz im Ausland angewiesen sind. Wir stehen heute inmitten heisser Kämpfe um den Zolltarif und in der Vorbereitung zu neuen Handelsverträgen, von deren glücklichem Zustandekommen die Aufrechterhaltung unserer Ausfuhr abhängig ist. Indem wir, auf die Kraft unserer Staatsregierung vertrauend, mit Zuversicht eine glückliche Lösung im Sinne der von unserem unvergesslichen grossen Reichskanzler Fürsten Bismarck mit so grossem Erfolg durchgeführten Politik des maassvollen Schutzzolls erhoffen, dürfen wir in unserer Ausstellung ein Mittel erblicken, das wie kaum ein anderes geeignet ist, dem Ausland die Gediegenheit unserer Leistungen vorzuführen und den Bestrebungen zur Hebung unserer Ausfuhr zu dienen, die für uns um so nötiger wird, je mehr in Zeiten des Niedergangs der heimische Absatz zurückgeht.

Meine Herren! Mit der 1880er Ausstellung hat die gegenwärtige viele Berührungspunkte und Ähnlichkeiten, aber es giebt doch einen grundlegenden Unterschied. Damals traten das Kleingewerbe und das Handwerk noch in den Vordergrund, heute haben, der Entwicklung unserer Produktion folgend, die grossen Betriebe die Vorherrschaft. Infolgedessen ist die Zahl der Aussteller geringer als im Jahre 1880, aber die Ausstellung selbst ist in jedem Belang mehr als dreimal so gross. Während damals der einzelne Aussteller im Durchschnitt 7 qm belegt hatte, sind es heute 40 qm; während damals die Zahl der nennenswerten Gebäude sich höchstens auf 20 belief, sind es heute mehr als 100, und das Gelände, das sich von der Rheinbrücke bis zum letzten Ausstellungsbau am Nordende mehr als 2 km weit erstreckt, hat 60 ha Flächeninhalt, während die 1880er Ausstellung nur 17 ha umfasste.

Meine Herren! Wir sind bei dem Augenblicke angelangt, der eine Riesenarbeit ihrer Vollendung entgegenführt. Mit uneingeschränkter Freude darf ich heute sagen, dass wir nicht nur in unseren Provinzen, nicht nur in Deutschland, sondern in allen Weltteilen eine Freundschaft, ein Wohlwollen und eine Unterstützung gefunden [S. 31] haben, die fast ohne Beispiel ist. Unseren deutschen Behörden sind die hohen Regierungen und Verwaltungen des Auslandes gefolgt, die in der dankenswertesten Weise ihr Interesse an dem Unternehmen bekundet haben.

Eines Faktors muss ich an dieser Stelle besonders gedenken, dessen Mitwirkung es vornehmlich zuzuschreiben ist, dass unser Unternehmen schon heute in aller Welt bekannt geworden ist. Es ist dies die Presse, meine Herren, und zwar nicht nur die Presse des Ausstellungsgebietes und des ganzen Deutschen Reiches, sondern in gleichem Maasse die Presse des gesamten Auslandes bis zum fernen Japan hin. Die hat sich dieser Ausstellung mit seltener Einmütigkeit und grossartigem Wohlwollen angenommen.

Die österreichische, niederländische, belgische, französische und italienische Presse hat gewetteifert, diese Ausstellung bekannt zu machen und sie wohlwollend zu empfehlen. Es gelangten Artikel über die Ausstellung an uns aus fernsten Ländern und in Sprachen, an deren Entzifferung die Übersetzungskunst unseres Stabes scheiterte. Wenn ich heute der Presse unsern wärmsten Dank ausspreche, so erfülle ich eine meiner angenehmsten Pflichten, und ich verknüpfe damit die herzlichste Bitte, der Ausstellung das bisher in so hohem Maasse erwiesene Wohlwollen auch in den kommenden Tagen zu gewähren. Die Ausstellungsleitung wird ihrerseits den Herren Vertretern der Presse gern alle Wege ebnen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, sich von dem innern Werte der Ausstellung zu überzeugen.

Dass in den 25 Wochen, welche die Ausstellung dauern soll, beinahe hundert nationale und internationale Kongresse und grosse Versammlungen hier stattfinden, ist ein weiterer Beweis für die allgemeine Beachtung, der wir begegnet sind. Unter diesen Kongressen giebt es eine grosse Anzahl, die die Aufmerksamkeit der Welt auf sich ziehen werden, und ich darf sagen, dass auf unserer Ausstellung in diesem Sommer alle grossen wirtschaftlichen und technischen Fragen, die die Welt bewegen, von berufenen Fachleuten und Autoritäten besprochen werden.

[...]

Meine Herren! Ich komme zum Schluss, und wenn ich da das Auge auf unsern allergnädigsten Landesherrn, auf Seine Majestät den Kaiser und König lenke, so ist es mir heute nicht um die Erfüllung einer konventionellen Pflicht zu thun, sondern es ist mir und uns allen ein wahres Herzensbedürfnis, in diesem feierlichen Augenblicke Seiner zu gedenken und Ihm unsern ehrfurchtsvollen Dank zu Füssen zu legen. [...] Unsern ehrfurchtsvollsten Dank Ihm in dieser Stunde darzubringen, Ihm erneut unverbrüchliche Treue zu geloben, sei unsere vornehmste Pflicht, und so fordere ich Sie denn auf, meine Herren, mit mir einzustimmen in den Ruf: "Seine Majestät, unser allergnädigster König und Kaiser, lebe hoch!
ERLÄUTERUNGBereits 1811 fand in Düsseldorf die erste Gewerbeausstellung statt. Es folgten Ausstellung 1852, 1880 und schließlich 1902. Bei den Gewerbeausstellungen präsentierten die rheinischen und westfälischen Unternehmen ihre neuesten Entwicklungen. Große Firmen wie der Bochumer Verein für Bergbau und Gußstahlfabrikation oder die Essener Firma Krupp bauten eigene Ausstellungshallen, die schon von außen den Erfolg der Unternehmen sichtbar werden ließen. Auf den Gewerbeausstellungen waren alle Branchen vertreten. Die Ausstellungen wurden in aufwändigen Katalogen dokumentiert.


PROVENIENZ  Stiftung Westfälisches Wirtschaftsarchiv
SIGNATURHf 79


QUELLE     | Die Industrie- und Gewerbe-Ausstellung für Rheinland, Westfalen und benachbarte Bezirke verbunden mit einer Deutsch-Nationalen Kunst-Ausstellung in Düsseldorf 1902 |


SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ20   Ausstellung / Katalog, Begleitpublikation
70   Festschrift, Jubiläumsschrift, Gedenkschrift
Zeit3.9   1900-1949
Ort1   Westfalen/-Lippe (allg.)
Sachgebiet10.2   Wirtschaftsförderung, Wirtschaftspolitik, Gewerbepolitik
10.13   Industrie, Manufaktur
10.17   Gewerbe, Dienstleistungen
DATUM AUFNAHME2004-03-30
AUFRUFE GESAMT2328
AUFRUFE IM MONAT210