PERSON

FAMILIELeithen, von
VORNAMEElisabeth


GESCHLECHTweiblich
GEBURT ORTDortmund
TOD DATUM1614-04-13   Suche
TOD ORTDortmund


BIOGRAFIEAcht Dortmunder Bürger klopften um die Mittagsstunde des 13. August 1598 an die Tür eines Hauses in der Pottgasse. Hier wohnte seit einigen Jahren die angesehene Landadlige Elisabeth von der Leithen. Wochen zuvor hatte sie den Dortmunder Notar Georg Kippinck wissen lassen, daß sie ihr Testament machen wolle. Sie hatte dem Notar den Wortlaut diktiert. Jetzt suchte er in Begleitung von sieben Zeugen das Haus der Landadligen auf, das fertige Dokument in Händen.

Eine Magd geleitete die acht Männer in die Kammer hinter der Küche. Elisabeth von der Leithen kam bald hinzu. Der Notar Georg Kippinck entrollte das Testament. Der große, eng beschriebene Pergamentbogen nahm fast den ganzen Tisch ein. Noch einmal wurde ihr Vermächtnis vorgelesen, und dann setzten alle Beteiligten ihre Siegel unter das Dokument: die Frau selbst, der Notar und schließlich die sieben Zeugen.

Mit diesem Testament errichtete Elisabeth von der Leithen eine Stiftung vor allem für Bettler und Arme, für deren Kinder, sowie auch für "alte und trostlose Leute". Solche mildtätigen Stiftungen waren damals nicht selten. Fromme, wohlhabende Bürger in den Städten und die Adligen auf dem Land bedachten häufig die Kirchen mit Geld; es sollte für soziale, meist aber für kirchlich-religiöse Zwecke verwandt werden, etwa für Meßfeiern, für besondere Andachten oder für die Ausstattung der Kirchenhäuser.

Elisabeth von der Leithen scheint von alledem nicht viel gehalten zu haben. Diese Zwecke fehlen in ihrem Testament fast ganz. Außergewöhnlich ist auch die Stiftungssumme: Denn hier ließ die Landadlige den ungeheuer hohen Betrag von 5.600 Reichstalern einfließen. Das waren 600 Reichstaler mehr, als die Grafschaft Mark damals jährlich an Steuereinkünften verzeichnete!

Die reiche Stifterin stammte gebürtig von Haus Havkenscheid, einem ländlichen Rittergut südöstlich der damaligen Ackerbürgerstadt Bochum. Hier wurde Elisabeth von der Leithen etwa um 1550 geboren; das genaue Datum ist unbekannt. Aus dem Testament geht hervor, daß sie drei Geschwister hatte, von denen zwei genannt sind: Ein Bruder namens Walter war Pastor, ihre Schwester Ida war Äbtissin des Klosters zu Herdecke.

Sie selbst heiratete um das Jahr 1570 den Landadligen Dietrich von der Leithen, oder besser: Vermutlich wurde sie mit ihm standesgemäß verheiratet, wie es damals üblich war. Elisabeth zog auf das Rittergut ihres Mannes nach Haus Laer, ebenfalls nahe Bochum.

Die Gutsgebäude von Haus Laer sind noch heute erhalten. Sie zählen zu den ältesten Bauten des Stadtgebiets und liegen etwa zwei Kilometer nordöstlich der Bochumer Ruhr-Universität.

Nur wenige Jahre nach der Heirat starb Dietrich von der Leithen. Die Ehe blieb kinderlos. Eigentümer des Gutes wurde nach dem Tod des Mannes nicht sie, die Ehefrau, sondern ein männlicher Erbe. Ein Neffe des Dietrich von der Leithen trat das Erbe 1584 an. Bis dahin hat die Witwe Elisabeth das Gut selbst verwaltet.

Über den weiteren Lebenslauf der verwitweten Frau versiegen alle Quellen. Erst vierzehn Jahre später ist wieder Schriftliches überliefert - das oben genannte Testament. Doch es wurde nicht auf Haus Laer niedergeschrieben, sondern in Dortmund, in ihrer "gewönlichen behausung", wie der Notar Kippinck feststellte. Sie muß also schon länger dort gewohnt haben.

Doch warum war sie weggezogen von Haus Laer? War es ihr dort zu eng geworden? Hatte es Zwist und Streit gegeben mit dem neuen, jungen Erben des Gutes? Oder fühlte sie sich in der pulsierenden Reichsstadt Dortmund wohler als auf dem Land? Vielleicht suchte sie auch die Nähe zu einer Pfarre des "neuen Bekenntnisses", zu einer lutherischen Gemeinde. Denn in einer Dortmunder Chronik heißt es über die Witwe: "Sie war streng lutherisch gesinnt, besuchte regelmäßig die Predigten in der Petrikirche."

Am wahrscheinlichsten noch ist folgende Erklärung: In jener Zeit marschierten spanische Truppen durch das Land. Die Witwe scheint das weitgehend ungeschützt liegende Haus Laer verlassen zu haben, um Zuflucht zu suchen hinter den festen Stadtmauern Dortmunds.

Die fromme Frau fürchtete einen jähen, plötzlichen Tod, als sie im Alter von etwa 50 Jahren ihr Testament abfassen ließ. Gleich in den ersten Zeilen des Pergaments ist im Ton der damaligen Zeit zu lesen: "Ich muß gleich allen andern Menschen vonn dieser Welt, und nichts ist gewissers denn der Thoedt, und nichts ungewisseres denn desselben Stunde." Elisabeth von der Leithen nannte noch ein weiteres Motiv: Sie regelte ihre "letzten Dinge", damit "keine Zweitracht unter meinen Verwandten und Freunden derenthalben entstehen möchte".

3650 Reichstaler, den größten Teil des Stiftungsgeldes, vermachte sie "den Armen binnen Dortmunde". Der Pfarrer der Petri-Kirche, so bestimmte sie, solle das Geld verwalten. Die jährlichen Zinsen sollte er den Gruppen zukommen lassen, die sie in dem Testament aufs genaueste beschrieb: Die Zinsen aus 400 Talern beispielsweise sollten, "etzlichen armen Kindern" zukommen, "umb ein Handtwerk zu erlernen". Die gleiche Summe sollte verwandt werden für "arme getreue fromme Dienstmägde", und mit noch einmal 450 Talern bedachte Elisabeth von der Leithen "arme trostlose Leute, so mit vielen Kindern befallen".

Weitere Gelder sollten an das Armenkinderhaus und an zwei Dortmunder Frauenklöster fließen. Tausend Taler schließlich sollten verwandt werden, wie Elisabeth von der Leithen -festhielt, "zu Unterhaltung und behufs junger fleißiger Studenten, Bürgers Kinder allhier zu Dortmunde". Sie allerdings sollten das Geld nur erhalten, wenn sie zwei Bedingungen erfüllten: Zum einen sollte der Schulrektor ihren Fleiß bezeugen; zum anderen sollten die Studenten, wie die fromme lutherische Landadlige bestimmte, "der reinen Augspurgischen Confession zugethan sein und geneigt sein, künftig den Predigtstuel zu bethienen".

Neben Dortmund bedachte sie auch ihre Heimatstadt Bochum mit Stiftungsgeld, wenn auch mit einer niedrigeren Summe. Dies tat sie, so scheint es, eher widerstrebend, weil es "mein seliger Mann von mir begehrte", wie sie schrieb. Für die "Armen der Stadt und des Kirchspiels Bochum" stiftete sie insgesamt 1750 Reichstaler. "Arme alte Leute, welche aus Armut ihre Hausheuer nicht bezahlen können", sollten Geld erhalten, auch "arme fromme Mägde" und schließlich auch bedürftige "fleißige Studenten, welche aus dem Kirspel Buichet bürtig". Das Armenhaus zu Herdecke schließlich sollte nach ihrem Tod die letzten 200 Taler ihrer Stiftung erhalten.

Am 13. April 1614 starb Elisabeth von der Leithen in ihrem Haus in der Dortmunder Pottgasse. Wenige Tage später wurde sie in der nahegelegenen Petrikirche beigesetzt, so wie sie es in ihrem Testament verfügt hatte. Jeder feierlich-pompöse Aufwand, der bei Bestattungen von Menschen ihres Standes üblich war, wurde vermieden. Die fromme und nüchterne Frau hatte festgelegt, sie wolle begraben werden "nach gepräuchlicher Christlicher Ordnung ohne alles unzeitige Gepränge". Ihr Testament wurde, wie aus Aufzeichnungen der Gemeinde hervorgeht, wortgetreu erfüllt. Bis in das vorige Jahrhundert erhielten die Bettler und die Armen, die alten Leute, Studiosi und Mägde der beiden Städte Bochum und Dortmund Zuwendungen aus dem Fonds der Elisabeth von der Leithen. Noch lange nach ihren Tod kannten die Menschen in Bochum und Dortmund ihren Namen und schätzten ihre caritative Wohltat. Die Stiftung bestand über viele Generationen. Erst im vorigen Jahrhundert wurde sie aufgelöst, Elisabeth von der Leithen geriet allmählich in Vergessenheit.

QUELLE  Strotdrees, Gisbert | Es gab nicht nur die Droste | 26f.
PROJEKT  Lebensbilder westfälischer Frauen
AUFNAHMEDATUM2004-09-07


SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Zeit3.2   1550-1599
3.3   1600-1649
Ort1.2   Dortmund, Stadt <Kreisfr. Stadt>
DATUM AUFNAHME2004-09-07
AUFRUFE GESAMT1070
AUFRUFE IM MONAT238