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(80 KB)   Arbeiterinnen im Maschinensaal (Abfüllanlage) der Firma Dr. Oetker, Bielefeld, Lutterstraße, 1930 / Bielefeld, Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek   Arbeiterinnen im Maschinensaal (Abfüllanlage) der Firma Dr. Oetker, Bielefeld, Lutterstraße, 1930 / Bielefeld, Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek
TITELArbeiterinnen im Maschinensaal (Abfüllanlage) der Firma Dr. Oetker, Bielefeld, Lutterstraße, 1930
DATIERUNG1930


INFORMATIONDie Nahrungsmittelindustrie gehörte zu den traditionellen Arbeitgebern für Frauen. Schon früh wurde in dieser Branche die stark arbeitsteilige Fließarbeit und die Mechanisierung von Arbeitsabläufen eingeführt. Das begünstigte den Einsatz un- bzw. angelernter Arbeitskräfte. Diese Beschäftigtengruppe rekrutierte sich zumeist aus Frauen. Sie verfügten größtenteils über keine qualifizierte Berufsausbildung und erhielten zudem - geschlechtsbedingt - deutlich niedrigere Löhne als männliche Arbeiter. Frauen wurden deshalb von den Industriellen als Arbeitnehmerinnen bevorzugt. Ein Unternehmer begründete diese Einstellungspraxis 1932 wie folgt:
"[...] die Frau ist genügsam, fleißig und anpassungsfähig, ihre Arbeit ist billig. Jeder kauft das, was billig ist, sofern es verwendbar ist. Die Frau leistet in den meisten Berufen vollwertige Arbeit - und der Mann hat aufgehört, im Berufsleben unersetzlich zu sein." [1]

Das Bild zeigt einen Maschinensaal mit Abfüllanlagen der Firma Dr. Oetker in Bielefeld 1930. Die Maschinen werden ausschließlich von Frauen bedient. Männliche Aufseher, wie noch in der mechanischen Weberei auf Bild 3                  Medien zu sehen, sind auf dem vorliegenden Bild nicht mehr abgebildet. Die Abfüllanlagen stehen in einem weiträumigen, hellen Saal mit einer großen Fensterfront an der linken Seite. Ein breiter, gefliester Gang trennt zwei Arbeitsbereiche: die Abfüllung (rechts im Bild) und die Verpackung für den Transport (links vor den Fenstern). Beide Arbeitsabläufe werden von Frauen ausgeübt.

Rechts von dem Gang stehen in dichter Reihe nebeneinander vierzehn Abfüllanlagen. Von den Maschinen selbst ist nur wenig zu sehen. Deutlich zu erkennen sind große Rohre, die aus der Decke kommen und durch die Maschinen mit Füllgut bestückt werden. Das Füllgut fällt in große metallene Trichter, von denen einer vorne rechts im Bild deutlich zu sehen ist. Von diesem Trichter aus wird die eigentliche Abfülleinrichtung bedient, die sich auf der linken Seite der Maschinen befindet. Es ist ein runder Teller auf dem die einzelnen Verpackungen im Kreis angeordnet sind und von oben befüllt werden. Angetrieben werden die Maschinen durch Transmissionsriemen, die im oberen Bilddrittel sichtbar sind.

Für jede Abfülleinheit ist eine Frau zuständig. Vorne rechts im Bild ist zu erkennen, daß die Arbeiterin eine Schalttafel bedient. Ihre Haltung weist darauf hin, daß sie lediglich noch den reibungslosen Ablauf des Abfüllprozesses überwacht. Darüber hinaus gehörte es zu ihren Aufgaben, die Maschine mit neuen Packungen zu bestücken. Wie es in Lebensmittelfabriken üblich war - und ist -, tragen die Frauen einheitliche Arbeitskleidung. Die Straßenkleidung wird durch wadenlange, kurzärmelige weiße Kittel verdeckt bzw. ersetzt. Die Haare sind aus hygienischen Gründen unter weißen Hauben bzw. Kopftüchern verborgen.

Auf der gegenüberliegenden Fensterseite ist ein zweiter Arbeitsbereich zu sehen. Arbeiterinnen sind an einem Fließband damit beschäftigt, die Einzelpackungen auslieferungsfertig in Kartons zu packen. Sie sind wie ihre Kolleginnen an den Abfüllmaschinen gekleidet.

Das Bild vermittelt den Eindruck von geräumigen, hellen, gut belüfteten Arbeitsplätzen: Die Fenster sind geöffnet, an den hohen Decken sind elektrische Lampen zu sehen. Doch es beschreibt die tatsächlichen Arbeitsbedingungen nur unzureichend. Die langen Arbeitszeiten, die Belastungen durch die stehende Tätigkeit, die monotonen Arbeitsabläufe, das durch die Maschinen vorgegebene hohe Arbeitstempo und die Lärmbelastung durch die Motoren sind fotografisch nicht festzuhalten. Gerade diese Faktoren waren es aber, die zur erheblichen Belastung der Frauen, die oft neben ihrer außerhäuslichen Arbeit auch noch eine Familie versorgen mußten, beitrugen. Denn die angespannte wirtschaftliche Lage zwang viele Frauen, insbesondere aus den unteren sozialen Schichten, auch nach ihrer Heirat einer außerhäuslichen Erwerbsarbeit nachzugehen. Ihre traditionelle Hauptverantwortung für den privaten Bereich - die Fürsorge für Haushalt und die Familie, insbesondere die Erziehung der Kinder - blieb davon unberührt. [2]

Die Arbeit in den Fabriken hatte für die Frauen aber auch Vorteile. Im Gegensatz zu Dienstmädchen oder in der Landwirtschaft tätigen Frauen verfügten sie über feste Arbeitszeiten und einen festen, zumeist auch höheren Lohn. An den Sonntagen hatten die Fabrikarbeiterinnen in der Regel frei und an den Samstagen arbeiteten viele Frauen nur halbtags. Außerdem galt die Arbeit - gerade in den Lebensmittelbetrieben - als sauberer. Für viele Frauen machten diese Aspekte die Fabrikarbeit attraktiv.

Das gesellschaftliche Leitbild der "natürlichen Frauenrolle" blieb in der Weimarer Republik unverändert. Die nach dem Krieg erhobenen Forderungen, "weibliche Werte und Handlungsmaßstäbe in die Gesellschaft hineinzutragen und auf allen Ebenen mütterlich-menschlich zu wirken", wurden durch die Realität rasch relativiert. [3] Die bürgerliche Frauenbewegung stellte unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse von Frauen und Männern nicht in Abrede. Sie versuchte daher vor allem, bereits erworbene berufliche Positionen zu festigen und quantitativ auszubauen. Die Zahl der berufstätigen Frauen nahm in der Weimarer Republik leicht zu. Die Frauenerwerbsquote stieg von 34,9 % im Jahr 1907 auf 35,6 % im Jahr 1925. Trotz dieses nur geringfügigen Anstiegs empfanden die Zeitgenossen die Zunahme der Frauenerwerbsarbeit als eklatant. Die Rückkehr der Frauen ins Erwerbsleben nach ihrer vorläufigen Verdrängung vom Arbeitsmarkt nach 1918 war von einer zunehmenden Anpassung des "weiblichen Erwerbsprofils an das männliche Standardmodell" gekennzeichnet. [4] Der Anteil der Frauen in haus- und landwirtschaftlichen Berufen war rückläufig. Zugleich nahm die Frauenquote in der Industrie, dem Handwerk und dem Dienstleistungssektor zu. Doch die Entwicklung blieb für Frauen ambivalent: In den "modernen Berufsfeldern" bildete sich eine geschlechtsspezifische Arbeits- und Machtverteilung aus, welche Frauen weiterhin auf die untergeordnete, unselbständige und schlechter bezahlte Arbeit festlegte. Geschlechtsspezifische Qualifikationsmuster blieben wirksam. Die qualifizierten Berufe - und mit ihnen die Führungspositionen - blieben auch in der Weimarer Republik fest in Männerhand.


[1] Zit. nach: G. Wellner: Industriearbeiterinnen in der Weimarer Republik. Arbeitsmarkt, Arbeit und Privatleben 1919-1933. In: Geschichte und Gesellschaft 7, 1981, S. 534-554, hier S. 541.
[2] U. Frevert: Frauen-Geschichte, S. 179f.
[3] Ebd., S. 166.
[4] Ebd., S. 172.


TECHNIKFoto
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FOTO-PROVENIENZBielefeld, Stadtarchiv und Landesgeschichtliche Bibliothek


QUELLE    Kurzweg, Martina | Frauenerwerbsarbeit im Wandel | Dia 05, S. 26-29
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Zeit3.9   1900-1949
Ort2.1   Bielefeld, Stadt <Kreisfr. Stadt>
Sachgebiet6.8.8   Frauen
9.4   Konsum, Nahrung
10.9   Arbeit, Beschäftigte
10.9.2   Arbeitswelt
10.13   Industrie, Manufaktur
DATUM AUFNAHME2004-02-25
AUFRUFE GESAMT959
AUFRUFE IM MONAT99