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(60 KB)   Schalker Verein: Mitarbeiterinnen packen Weihnachtspäckchen für die Wehrmacht, 1941 / Gelsenkirchen, Institut für Stadtgeschichte, Stadtarchiv Gelsenkirchen   Schalker Verein: Mitarbeiterinnen packen Weihnachtspäckchen für die Wehrmacht, 1941 / Gelsenkirchen, Institut für Stadtgeschichte, Stadtarchiv Gelsenkirchen
TITELSchalker Verein: Mitarbeiterinnen packen Weihnachtspäckchen für die Wehrmacht, 1941
DATIERUNG1941


INFORMATION
"Die Frau hat die Aufgabe, schön zu sein und Kinder zur Welt zu bringen. Das ist gar nicht so roh und unmodern, wie sich das anhört. Die Vogelfrau putzt sich für den Mann und brütet für ihn die Eier aus. Dafür sorgt der Mann für die Nahrung." [1]
Reichspropagandaminister Joseph Goebbels beschrieb mit dieser Äußerung unmißverständlich die Rolle, die die Nationalsozialisten den Frauen in ihrer Rassenideologie zuwiesen. Das nationalsozialistische Regime sah vor allem in der Mutterschaft die Hauptaufgabe des weiblichen Geschlechts. Finanzielle Beihilfen und festlich inszenierte Verleihungen des Mutterkreuzes waren Ausdruck dieser Politik. [2] Die Machthaber versuchten die tradierten weiblichen Tugenden - Opferbereitschaft und Mütterlichkeit - wieder zu beleben. Die langsame Angleichung der Geschlechter im Erwerbsleben, die durch Reformmaßnahmen in der Weimarer Republik eingeleitet worden war, sollte zurückgenommen und die tradierte Rollenverteilung gefestigt werden. [3]

Das Bild zeigt vier Mitarbeiterinnen des Eisen- und Stahlkonzerns Schalker-Verein in Gelsenkirchen, die Weihnachtspäckchen für die Wehrmachtsoldaten an der Front packen. Das Foto hatte vermutlich eine propagandistische Intention, denn die Frauen entsprechen in ihrer äußeren Erscheinung dem Ideal der nationalsozialistischen (Haus-)Frau. Die Frauen - drei stehen rechts im Bild mit dem Gesicht der Kamera zugewandt, eine vierte ist links im Bild im Profil zu sehen- füllen bereitstehende Kartons mit Kleinigkeiten wie Zigaretten, Streichhölzern und ähnlichem. Sie tragen über ihrer Kleidung weiße, bestickte Schürzen. Die Haare sind gemäß der zeitgenössischen Mode frisiert. Auf den ersten Blick erwecken die Frauen nicht den Eindruck, daß sie berufstätig sind. Sie wirken wie Hausfrauen, die in vergnügter Stimmung die Päckchen zusammenstellen, um die kämpfenden Männer an der Front aus der Heimat zu unterstützen und zu motivieren. Lediglich der Stapel bereits fertiger Päckchen links im Bildhintergrund und mehrere Hakenkreuzfahnen in der rechten hinteren Ecke des Raumes weisen darauf hin, daß es sich nicht um eine private Zusammenkunft handelt. Einen Hinweis auf ihre sonstige Tätigkeit in dem Konzern gibt es nicht.

Nach den Idealen des NS-Regimes schufen Frauen in ihrer kleinen, privaten Welt das Fundament für die große Welt. Die Frau wirkte in der Familie, der Mann arbeitete außer Haus. Die natürliche Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern sollte sich auch auf dem Erwerbsarbeitsmarkt niederschlagen. Berufstätigkeit von Frauen sollte sich, wenn überhaupt, auf Tätigkeiten im land- und hauswirtschaftlichen sowie sozialen Bereich beschränken. Diese nationalsozialistische Politik war nur in einzelnen Branchen erfolgreich, nämlich dort, wo der Staat oder die Kommunen als öffentliche Arbeitgeber direkt Einfluß nehmen konnten. Neugeschaffene Gesetze bildeten die Voraussetzungen, daß vor allem verheiratete Frauen aus dem öffentlichen Dienst entlassen werden konnten. Auch jenseits der Entlassung wurden die Frauen im Berufsleben deutlich benachteiligt. Gesetzlich festgeschriebene Gehaltsdifferenzen zwischen den Geschlechtern sollten Frauen ebenso von einer Berufstätigkeit abhalten wie ihr Ausschluß von jeglichen Aufstiegsmöglichkeiten. So verloren beispielsweise Schulleiterinnen ihre Ämter zugunsten von Männern. Lehrerinnen an höheren Mädchenschulen wurden an Volksschulen versetzt, wo die Bezahlung schlechter war. 1936 verboten die Nationalsozialisten die Einstellung von Richterinnen und Rechtsanwältinnen. Ärztinnen fanden nur mit Mühe eine Assistenzarztstelle oder eine Kassenanstellung. Diese Politik diente nicht nur der Verwirklichung des nationalsozialistischen Frauenideals, sondern auch dem Schutz der männlichen Akademiker vor weiblicher Konkurrenz. In diesem Zusammenhang ist auch die Begrenzung der Studentinnen auf 10 % der Studentenschaft durch einen geschlechtsspezifischen Numerus clausus zu sehen.

Trotz dieser restriktiven Maßnahmen gelang es den Machthabern im Dritten Reich nicht, Frauen aus dem Berufsleben zu verdrängen. Denn insbesondere die Unternehmer in der Industrie und dem Dienstleistungsbereich waren nicht bereit, auf die deutlich billigeren weiblichen Arbeitskräfte zu verzichten. Entgegen allen propagandistischen Bemühungen stieg die Frauenerwerbsquote gerade im Handel, in der Industrie und dem Dienstleistungssektor, also den Bereichen, aus denen Nationalsozialisten die Frauen verdrängen wollten, zwischen 1933 und 1939 leicht an. [4] Diese Entwicklung machten sich die Machthaber zunutze, als sie im Rahmen der Kriegsvorbereitungen in ihrer praktischen Politik von ihrer eigenen programmatischen Frauenpolitik abrückten. 1937 wurde beispielsweise das Beschäftigungsverbot für Ehefrauen, die das Ehestandsdarlehen in Anspruch nahmen, aufgehoben. 1938 führten die Nationalsozialisten ein haus- oder landwirtschaftliches Pflichtjahr für Frauen ein, das zur Voraussetzung für eine Anstellung in einem anderen Beruf wurde. [5]


[1] Zit. nach: Der Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (Hrsg.): Gleichstellungsstelle, S. 11.
[2] Seit 1933/1934 vergaben die Nationalsozialisten sogenannte Ehestandsdarlehen, die gezahlt wurden, wenn die Frau nach der Heirat aus dem Erwerbsleben ausschied. Für jedes Kind, das geboren wurde, verringerte sich die zu tilgende Schuld für die Familie. 1938 führten die NS-Machthaber das Mutterkreuz ein, das an Frauen verliehen wurde, die vier oder mehr Kinder geboren haben. Vgl. H.-U: Thamer: Verführung und Gewalt, Deutschtand 1933-1945. Aktualisierte Auflage, Berlin 1994, S. 514ff.; U. Frevert: Frauen-Geschichte, S. 222ff.
[3] U. Frevert: Frauen-Geschichte, S. 200f.
[4] Ebd., S. 210ff.: H.-U. Thamer: Verführung und Gewalt, S. 514.
[5] U. Frevert: Frauen-Geschichte, S. 223; H.-U. Thamer: Verführung und Gewalt, S. 516.


TECHNIKFoto
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FOTO-PROVENIENZGelsenkirchen, Institut für Stadtgeschichte, Stadtarchiv Gelsenkirchen


QUELLE    Kurzweg, Martina | Frauenerwerbsarbeit im Wandel | Dia 06, S. 30-32
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Zeit3.9   1900-1949
Ort3.4   Gelsenkirchen, Stadt <Kreisfr. Stadt>
Sachgebiet6.8.8   Frauen
10.9.2   Arbeitswelt
10.13   Industrie, Manufaktur
DATUM AUFNAHME2004-02-25
AUFRUFE GESAMT282
AUFRUFE IM MONAT58