Wirtschaft / Technik > Innovation und Marketing


 

Innovation und Marketing


 
 
Einleitung
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts zog vor allem die technisch und wirtschaftlich fortschrittlichere englische Industrie die Aufmerksamkeit auf sich. Auf Reisen durch England versuchten westfälische Unternehmer, aber auch Vertreter der preußischen Regierung, die technischen Grundlagen der englischen Produktion herauszufinden. So beschuldigte James Watt in Briefen an seine Mitarbeiter den Freiherr vom Stein, seine Fabrik für Dampfmaschinen ausspionieren zu wollen und erteilte ihm ein Hausverbot. Der westfälische Unternehmer Friedrich Harkort warb auf seiner Englandreise 1819 direkt englische Facharbeiter an und brachte sie mit nach Wetter. Das in England erworbene Know-how setzten Harkort und seine Kollegen in der Heimat um und entwickelten auf dieser Grundlage weitere technische Innovationen. Ziel war es, vor allem auf den Gebieten der Textilherstellung sowie der Eisen- und Stahlproduktion die erdrückende Konkurrenz aus England einzudämmen.

Neue Ideen waren im Hinblick auf verbesserte, sicherere und wirtschaftlich günstigere Arbeitsabläufe gefragt. Friedrich Koepe, Direktor der Bochumer Zeche Hannover, wandte 1877 erstmals eine von ihm entwickelte neue Fördertechnik an, bei der das Förderseil nicht mehr auf einer Trommel aufgewickelt wurde, sondern um eine Seilscheibe herumlief, die durch Haftreibung das Seil bewegte. Diese Erfindung garantierte langsameren Materialverschleiß und eine effektivere Arbeitsleistung der Fördermaschine. Bis heute ist dies das gängige Förderprinzip.
Anke Asfur

Wirtschaftlicher Strukturwandel und Herausbildung von 'Global Playern' in Westfalen im 19. und 20. Jahrhundert


 
 
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Gewerbe- und Weltausstellungen zu wichtigen Orten für den Innovationsaustausch und die Vermarktung der eigenen Produkte. Für die Unternehmer waren diese Veranstaltungen der Anlass, ihre neuesten Entwicklungen einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen. Neue Produkte, Produktionsmethoden und Materialien wurden prämiert. Mit diesen Auszeichnungen konnten die Unternehmen auf ihren Briefköpfen oder in Anzeigen für sich werben. Nach Abschluss der Ausstellungen erschienen aufwändig gestaltete Kataloge, in denen sämtliche Ereignisse, Personen und natürlich die vorgestellten und prämierten Produkte ausführlich beschrieben wurden. In diesen Publikationen wird die Bedeutung dieser Veranstaltungen ganz besonders deutlich.

Über die nationalen und internationalen Leistungsschauen wurde und wird in der Presse ausführlich berichtet. Die Zeitungen entwickelten sich zu einem wichtigen Werbeinstrument für Industrieunternehmen. Sei es durch Anzeigenwerbung, durch ausführliche Berichterstattung über Firmenerweiterungen oder neue technische Entwicklungen, die Unternehmen konnten ihre Produkte über die Presse gut vermarkten. Die Zeitungen wurden auch als Plattform für Auseinandersetzungen zwischen Unternehmen genutzt, wie das Beispiel der Firma Krupp aus Essen und des Bochumer Vereins für Bergbau und Gussstahlfabrikation zeigt.

1903 gründeten mehrere Unternehmer den Verband der Fabrikanten von Markenartikeln. Unter ihnen war der Bielefelder Apotheker Dr. August Oetker, der seit den 1890er Jahren mit gezielten Werbestrategien seine Produkte, vor allem Backpulver, Vanillin-Zucker und Puddingpulver, vermarktete. Mit Anzeigen und Rezeptbroschüren sowie günstigen Preisen erreichte er die Verbraucherinnen und etablierte schnell die Marke "Dr. Oetker". Reisevertreter sorgten dafür, dass die Oetker-Produkte tatsächlich in ganz Deutschland bekannt wurden und überall zu beziehen waren.

Eine innovative Verbindung von Industrie und Verwaltung stellte die Praxis der Verpachtung von Ziegeleibetrieben an Kommunen dar. Die Städte mit ihrem wachsenden Bedarf an Wohnungen bekamen dadurch günstig Baumaterial und die Unternehmer konnten wirtschaftlich schlechtere Zeiten überstehen, ohne den Betrieb schließen zu müssen.

Schließlich brachten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts neue technologische Entwicklungen wieder ganz neue Industriezweige hervor. So bildete sich in Paderborn in der Zusammenarbeit zwischen Universität und Wirtschaft ein Zentrum der neuen Computerindustrie heraus. In Gütersloh entstand seit Anfang der 1960er Jahre mit der Firma Bertelsmann ein weltweit agierender Standort der Musik-, Medien- und Kommunikationsindustrie.

Gleichzeitig ist die Produktion in älteren Branchen stark zurückgefahren oder teilweise auch ganz eingestellt worden. In Ostwestfalen beispielsweise gingen Zigarren-, Glas-, Ziegel- und Textilindustrie aufgrund konjunktureller Entwicklungen immer weiter zurück. Im Ruhrgebiet sind die meisten Bergwerke stillgelegt und zahlreiche Stahlstandorte geschlossen worden. Das Ende dieser Industrien führte zu einer neuen Sichtweise auf die alten Produktionsstandorte. Viele Fabrikanlagen erschienen aufgrund ihrer Architektur erhaltenswert, während gleichzeitig das Interesse an der Alltags- und Technikgeschichte der Branchen wuchs. Die Gründung des Westfälischen Industriemuseums des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe 1979 trug dazu bei, ein öffentliches Bewusstsein für die Industriedenkmalpflege und die Bewahrung des industriellen Erbes Westfalens zu schaffen.
 
 
Quellen
 
 



# Aufrufe gesamt: 3365 # Aufrufe im aktuellen Monat: 189

# Seiten-URL: http://www.westfaelische-geschichte.de/web282

# Drucken / Speichern # Empfehlen # Kommentar # Urheberrecht | Seitenanfang #