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Anfänge der Reformation in Westfalen


 
 
Einleitung
Die Reformation fand in Westfalen im Vergleich mit Süddeutschland erst spät, um 1525, Verbreitung. Neben wenigen Adligen, die sich den Lehren Luthers zuwandten, verbreitete sich die Reformation zuerst in den größeren Städten Westfalens. Vor allem in den städtischen, humanistisch gebildeten Kreisen und in den Konventen der Augustiner-Eremiten, dem Orden Luthers, in Herford, Lippstadt und Osnabrück fanden die Ideen der Reformation Eingang. Das erste evangelische Buch Westfalens etwa, einen auf deutsch verfassten Katechismus, schrieb 1524 der Lippstädter Augustiner Johannes Westermann. Westermann, ein Student Luthers, brachte dessen Rechtfertigungslehre folgendermaßen auf den Punkt: "... dass der rechte Glaube, der vor Gott gilt, nichts anderes ist als die tröstliche Zuversicht zu Gott und ein Vertrauen darauf, dass Gott uns freundlich, gnädig und barmherzig sein will. Dieses Vertrauen und die Zuversicht auf Gott und seine Gnade ist der rechte wahrhafte Glaube und eine Gabe Gottes, allein aus Gnade und nicht aus Verdienst." Dieser Katechismus war in Westfalen bald weit bekannt.

Durch lutherische Prediger wie Johannes Westermann verbreiteten sich reformatorische Ideen bald in weitere Schichten der städtischen Bevölkerung, vor allem in der Mittelschicht aus Handwerk und Gewerbetreibenden. Aber auch durch illustrierte Flugschriften wurden die Ideen der Reformation weiter getragen. In Herford wirkte Jakob Montanus, Mitglied des Herforder Hauses der Brüder vom Gemeinsamen Leben, der seit 1523 mit Luther und Philipp Melanchthon in Briefwechseln stand. In der Bischofsstadt Minden wurde an der Marienkirche schon früh im Sinne Luthers gepredigt: Hier kam es 1521 und 1526 zu Unruhen gegen die Geistlichkeit. 1525 wurde in Minden die "neue Sache, die man martinisch nennt", verboten, aber ihre Verbreitung ließ sich hier nicht mehr aufhalten.
 
 
Auch in Soest, Paderborn, Iserlohn und Münster entstanden Mitte der 1520er Jahre lutherische Bewegungen. Lemgo wurde 1533 evangelisch. In der Reichsstadt Dortmund liegt der Anfang der Reformation ebenfalls in dieser Zeit, es sollte aber bis 1570 dauern, bis die Reformation offiziell mit dem Religionsedikt des Rates eingeführt wurde.

Der Verlauf Reformation in den Städten zeigt viele Gemeinsamkeiten: Die religiösen Bewegungen verbanden sich mit bereits vorhandenen sozialen Konfliktlagen, wodurch es vielfach zu offenen Unruhen kam. Zwischen den Bürgern und dem Stadtherrn, aber auch innerhalb der Bürgerschaft zwischen den Handwerksgilden und den Patriziern, die die städtischen Räte beherrschten. Vielfach wurde die wirtschaftliche und steuerliche Bevorzugung der Geistlichkeit kritisiert.

Für den Erfolg der Reformation war das Verhalten der Stadträte entscheidend, denn bei ihnen lag das Patronat über die Pfarrkirche und die Aufsicht über das städtische Kirchenwesen. Schloss sich der städtische Rat der Reformation an, ließ er das Kirchenwesen dadurch neu regeln, dass er eine im Sinne der Reformation geschriebene Kirchenordnung erließ. So wurde etwa, trotz des Verbots, 1530 in Minden eine Kirchenordnung eingeführt, die sich stark an die 1528 verfasste Kirchenordnung des Johannes Bugenhagen für die Stadt Braunschweig anlehnte.

Auch in Lippstadt konnte Westermann einen Großteil der Bürger gewinnen. Gegen die Opposition altgläubiger Bürger wurde die Reformation eingeführt. 1531 wurde der Reformator Gerhard Oemeken mit der Ausarbeitung einer Kirchenordnung beauftragt. Gegen den Widerstand der Landesherren Lippstadts, dem Grafen zur Lippe und dem Herzog von Jülich-Kleve-Berg, beharrten die Bürger auf ihrer Glaubensfreiheit. 1535 schließlich eroberten die Herzöge nach einer langen Belagerung die Stadt. Die kirchlichen Neuerungen mussten rückgängig gemacht werden; Westermann und die übrigen Prädikanten gingen ins Ausland. Der Herzog führte nun die klevische Kirchenordnung ein, deren weitmaschige Bestimmungen die langfristige Verfestigung der Reformation förderten.

Auch in Soest war der Verlauf ähnlich: 1530 kam der frühere Dominikaner Thomas Boschwede in die Stadt, der die Reformation predigte und bald Anhänger im Handwerk fand. Am Thomastag 1531 kam es zum Aufstand, bei dem die altgläubigen Bürgermeister von den Aufständischen eingesperrt wurden. Als Ergebnis des Aufstandes mussten Bürgermeister und Rat dem Bundbrief der Gilden und der Stadtgemeinde zustimmen. Die Stadtpfarrer der sechs Stadtpfarrkirchen wurden vertrieben und an ihre Stelle reformatorische Prediger gesetzt. Weihnachten 1531 kann Soest als evangelische Stadt angesehen werden, nur noch im Patroklus-Stift wurde die katholische Messe gefeiert. Gegen das Verbot des Landesherrn, des Herzogs von Jülich-Kleve-Berg, trat auch der ganze Konvent der Augustiner-Eremiten zum neuen Glauben über. Im Sommer 1532 berief der Stadtrat ebenfalls Gerhard Oemeken aus Lippstadt, um eine Kirchenordnung zu entwerfen. Für die weitere Durchsetzung der Reformation arbeiteten der Superintendent Johann de Brune und Johann Pollius aus Münster. Auch die 10 Kirchspiele der Soester Börde wurden bald evangelisch. 1533 entstand das Soester Archigymnasium, eine bald für ganz Westfalen bedeutsame protestantische Bildungsstätte.

Nachdem die Reformation in Westfalen als bürgerliche Bewegung begonnen hatte, war also für deren weiteren Verlauf das Verhalten der Landesherren entscheidend. Wo sich der Landesherr der Reformation anschloss, baute er eine lutherische bzw. reformierte Landeskirche aufgrund seines Kirchenregiments auf. In den Fürstbistümern sollten sich dagegen langfristig die von Bischöfen und Klerus getragenen katholischen Reformen durchsetzen. Parallel dazu gelang es sowohl den katholischen Bischöfen wie den evangelischen Fürsten, ihre Landesherrschaften auszubauen, d.h. den Einfluss des Adels zu beschränken und die Selbstverwaltung der Städte zu begrenzen. So kam es noch im 17. Jahrhundert zu Konflikten zwischen Landesherren und den Städten, bei denen die Städte ihre politische und religiöse Autonomie gegen den Landesherrn zu verteidigen suchten: 1603/04 widersetzten sich in Paderborn die lutherischen Bürger dem katholischen Fürstbischof. 1605 verweigerte es die lutherische Stadt Lemgo dem Grafen von Lippe, das calvinistische Bekenntnis einzuführen und konnte sich schließlich in der Konfessionsfrage gegen ihn behaupten.
 
 
Quellen
 
 



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