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(71 KB)   Ehemaliges Torhaus des KZ Niederhagen/Wewelsburg in der Nachkriegszeit / Privatbesitz   Ehemaliges Torhaus des KZ Niederhagen/Wewelsburg in der Nachkriegszeit / Privatbesitz
TITELEhemaliges Torhaus des KZ Niederhagen/Wewelsburg in der Nachkriegszeit


INFORMATIONDer Prozeß der Normalisierung seit 1945, in dem "Bewältigung durch Arbeit und Wiederaufbau", Verdrängen und Vergessen schließlich fast alle Relikte des NS-Terrors und die damit verbundenen Ansätze zur Mahnung und Gedenken beseitigten, kommt anschaulich in der Metamorphose des früheren Torhauses des Konzentrationslagers in Wewelsburg zum Ausdruck. Die bauliche und funktionelle Veränderung des Gebäudes bildet einen Teil der Geschichte des ehemaligen KZ-Geländes insgesamt.

Schon im Sommer 1943, nach der Auflösung des KZ Niederhagen, räumten die gut 40 verbliebenen Häftlinge, die nun als Außenkommando dem KZ Buchenwald unterstellt waren, das "Schutzhaftlager" und zogen in ein Gebäude auf dem benachbarten Wirtschaftshof. Die Lebensbedingungen waren nun besser. Kein Häftling starb mehr. Am 02.04.1945 wurden sie von Angehörigen der US-Armee befreit.

Die verlassenen Baracken des gegenüberliegenden ehemaligen SS-Lagers, in dem die Wachmannschaften untergebracht gewesen waren, hatten im Herbst 1943 "Volksdeutsche" aus Osteuropa bezogen, die vom "SS-Stabshauptamt Volksdeutsche Mittelstelle" (VOMI) dafür bestimmt waren, in Deutschland angesiedelt zu werden. Dieses "VOMI-Lager" wurde im Oktober 1944 in das ehemalige Häftlingslager verlegt, als im ehemaligen Lager der SS-Wachmannschaften ein "Wehrertüchtigungslager" eingerichtet wurde, in dem Jugendliche unter dem Kommando von SS-Leuten für den Kriegseinsatz trainiert wurden. Sie haben in den letzten Kriegstagen noch gegen US-Truppen gekämpft. Nach der Befreiung 1945 kehrten viele "Volksdeutsche" wieder in ihre osteuropäischen Heimatländer zurück. Die übrigen wurden auf die umliegenden Dörfer verteilt. Bevor sie Wewelsburg verließen, errichteten sie zusammen mit den befreiten KZ-Häftlingen ein hohes Holzkreuz am Eingang des früheren SS-Lagers.

Nach einem Zwischenspiel, das die Nutzung der Gebäude als "DP-camp" darstellt, d.h. als Lager für osteuropäische "Fremdarbeiter", die in ihre Heimatländer zurücktransportiert wurden, bestimmten Flüchtlinge und Vertriebene aus den Ostgebieten des durch die NS-Kriegs- und Unterdrückungspolitik zusammengebrochenen deutschen Reichs dann die weitere Geschichte des Lagergeländes. Die Gemeinde Wewelsburg mußte - weil sie über die Gebäude des ehemaligen KZ verfügte - die größte Zahl an Vertriebenen im Kreis Büren aufnehmen. Ihre Einwohnerzahl verdoppelte sich (1939: 1.087 - 1950: 2.026). Das ehemalige "Schutzhaftlager" wurde zum Flüchtlingslager. Auf dem ehemaligen Wirtschaftshof entstand eine kleine Gewerbe- und Wohnsiedlung, während die Baracken des früheren Schutzhaft- und SS-Lagers Gegenstand eines langen Behördenstreits wurden. Grund der Auseinandersetzungen war die komplizierte Eigentumslage. Die Baracken waren von der SS-"Gesellschaff zur Förderung und Pflege deutscher Kulturdenkmäler e.V." errichtet worden, die auch das KZ-Gelände von der Gemeinde Wewelsburg gepachtet hatte. Wie die SS selbst war diese "Gesellschaft" durch das Gesetz Nr. 2 des alliierten Kontrollrats 1945 verboten und für "ungesetzlich" erklärt worden. Ihr Vermögen sollte dem jeweiligen Land gehören, auf dessen Gebiet es lag. So bekam die Gemeinde Wewelsburg ihr Grundstück zwar wieder, es verblieb dem Land Nordrhein-Westfalen aus den Aufbauten jedoch ein "Bereicherungsanspruch". Dieser wurde so begründet: Die Gemeinde habe 1940 ein Waldgelände an die SS verpachtet, nun erhielte sie jedoch eine erschlossene Fläche mit Gebäuden und Anlagen! Diese "Wertsteigerung" wurde mit 31.860 DM beziffert. Nach langen Verhandlungen einigten sich Gemeinde und Land 1957 auf rd. 17.000 DM. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, welche Wirkung auf die Dorföffentlichkeit diese Haltung der Landesbehörden hatte.

Die Bewohner des seit 1945 sog. "Lagers" hatten als direkte Auswirkung des Behördenhandelns vor allem wahrgenommen, daß ihre Forderungen nach Abriß der "Elendsquartiere", als die sie die Baracken zu Recht erlebten, nur zögernd erfüllt wurden. Sie wollten endlich in "normalen" Häusern wohnen, auch, um nicht weiter diskriminiert zu werden. 1956 begann man mit dem Abriß der Baracken. Neue Häuser entstanden. Das hohe Holzkreuz brach zusammen. Niemand richtete es wieder auf. Auch die Mitglieder der nach 1945 durch die Flüchtlinge im bisher rein katholischen Wewelsburg entstandenen evangelischen Gemeinde, der das Grundstück jetzt gehörte, sahen dazu keinen Anlaß. In das Torhaus des Konzentrationslagers zog 1960 ein Lebensmittelladen ein, der seit 1949 in einer Baracke auf dem ehemaligen Lagergelände von einem früheren SS-Blockführer betrieben worden war. Der Torbogen wurde vermauert (Bild oben). Eine Möbel- und Bauschreinerei weitete ihr Betriebsgelände aus, eine Drahtfabrik nahm ihre Produktion in der ehemaligen SS-Fahrzeughalle auf. 1958 wurde das bisher als Wohngebäude genutzte Krematorium in eine neue Werkhalle einbezogen. 1960 brach man den "Bunker", das KZ-Gefängnis, ab. Als letzte Baracke wurde 1965 das ehemalige Häftlingsrevier abgerissen. Von den massiven Gebäuden des KZ blieben - völlig verändert - noch sechs erhalten. Das Torhaus wurde zu einem geräumigen Wohn- und Geschäftshaus umgebaut (Bild unten). Hinter dem Haus erstreckt sich - unbebaut und verwildert inmitten der schmucken Siedlung - der ehemalige Appellplatz. 1988 wurde er zusammen mit dem angrenzenden Gebäude der früheren Häftlingsküche und -kantine unter Denkmalschutz gestellt. Über eine gepflegtere Gestaltung war noch Einvernehmen mit den Anwohnern zu erzielen, über die Errichtung eines Hinweis- oder Erinnerungszeichens nicht mehr.

Nach langen Diskussionen wurde beschlossen, als einziges sichtbares Zeichen die alte Lagerstraße durch Natursteine auf der Rasenfläche des Appellplatzes anzudeuten. Die Bitte von Überlebenden des KZ Niederhagen, die 1992 Wewelsburg besuchten, einen Gedenkstein oder ähnliches auf dem Appellplatz zu errichten, fand kein Gehör (Dokument 9  Quelle).


TECHNIKFoto
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OBJEKT-PROVENIENZPrivatbesitz


QUELLE    Hüser, Karl / Brebeck, Wulff E. | Wewelsburg 1933-1945 | Dia 11, S. 54-56
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Zeit3.9   1900-1949
Ort2.7.4   Büren, Stadt
Sachgebiet3.2   Politische Ideologien
DATUM AUFNAHME2004-02-25
AUFRUFE GESAMT905
AUFRUFE IM MONAT199