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(104 KB)   Kunst und Kitsch um den Cheruskerfürsten - Tourismus und Hermannsdenkmal, 1875 / Die Gartenlaube (a) / Detmold, Westfälisches Freilichtumuseum (b) / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen   Kunst und Kitsch um den Cheruskerfürsten - Tourismus und Hermannsdenkmal, 1875 / Die Gartenlaube (a) / Detmold, Westfälisches Freilichtumuseum (b) / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen
TITELKunst und Kitsch um den Cheruskerfürsten - Tourismus und Hermannsdenkmal, 1875
URHEBER ABBILDUNGBeckhaus, H.
DATIERUNG1875
DATIERUNG HANDLG.1875


INFORMATIONDie Andenkenindustrie hatte nie Schwierigkeiten im Umgang mit dem Hermannsdenkmal. Schon bei der Einweihungsfeier wurden Arminius und das Hermannsdenkmal in jeglicher Form kommerziell genutzt. Am 15.08.1875 schrieb die "Weserzeitung" aus Bremen:
" Wenn ich Ihnen sage, daß es nicht nur eine ganze Reihe von Abbildungen und Photographien des Denkmals gibt, sondern auch Hermannszigarrenspitzen, Hermannsmünzen, Hermannsbier, Hermannsregenschirme, Hermannshemdknöpfe, Hermannskompositionen, so muß man zugeben, daß für diesen einen Fall Detmold, das durch den Mangel einer Eisenbahnverbindung in mancher Beziehung noch um ein Jahrhundert zurück ist, vollständig auf der Höhe des Moments steht." [1]

Seitdem ist eine unübersehbare Anzahl von Objekten aus dem Bereich der Kunst und des Kunstgewerbes bis hin zum Kitsch produziert worden, die die Varusschlacht und speziell das Hermannsdenkmal zum Inhalt haben. Dem Kitsch war von jeher an schönen Effekten gelegen, galt es doch die "Volksseele" zu erreichen, bestimmte Stimmungen zu erzeugen und natürlich kräftig zu verdienen.

Zum Zeitpunkt der Denkmaleinweihung dominierten eindeutig patriotische Kitschprodukte. Sie entsprachen ganz dem Geschmack der Gründerzeit in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts. Die Menschen zeigten eine Vorliebe für effektvollen Zierrat und für historistische Dekorationsstücke aller Art. Monumentale Bau- und Bildwerke wurden zu spielzeugartigen Kleinstformen verniedlicht. Dies veranschaulicht auch die abgebildete Werbeanzeige aus dem Jahre 1875, die das Hermannsdenkmal gleichzeitig als "Cigarrentempel", "Damennecessaire" und als" Schreibzeug" zu Weihnachten anpries: aus Silber oder vergoldet und natürlich repräsentativ. Eine rührige Kitschindustrie bediente eifrig diesen Zeitgeschmack. Sie lieferte neben dem Hermannsdenkmal - erschwinglich für nahezu jeden Geldbeutel -
"das Renaissance-Prunkbuffet, die imitierte Ledertapete, den 'Barockengel' die 'gotische Madonna', den Ofen in Gestalt einer Ritterrüstung, Gemälde, Waffen und Wappenschilde als Zimmerschmuck. Die Palme hielt ihren Einzug in die 'gute Stube' und in den Schlafzimmern schwebten über den Betten gelockte Elfen, deren rosiges Fleisch durch den hauchzarten Seidentüll schimmerte. Auf den Schreibtischen der Gebildeten feierte die Nippes-Kultur bisweilen wahre Orgien, thronten bronzierte oder marmorierte Gipsabgüsse von antiken oder zeitgenössischen Bildwerken und im 'Briefbeschwerer-Format' die Nachbildungen von Denkmälern, Burgen, Kirchen und Schiffen." [2]
Wie man sieht, waren der ausschweifenden Dekorationslust der wilhelminischen Zeit kaum Grenzen gesetzt.

Der Erfindungsreichtum unserer Zeit steht den patriotischen Kitschprodukten von damals in nichts nach. Die Tourismusindustrie hat das mächtige Denkmal immer noch fest im Griff. Vielleicht fehlt heute das auf dem Sofa liegende, mit dem Hermannsdenkmal bestickte, in jedem Fall jedoch genau in der Mitte gekniffene Paradekissen. Trotzdem kann auch in unseren Tagen ein jeder seinen eigenen "Hermann" mit nach Hause nehmen - in Eisen, Glas oder Porzellan, als Toilettenanhänger, Feuerzeug oder Schneekugel, auf sein Wohl trinken, eine Blume zu seinen Ehren aufstellen oder ihn ins Regal stellen, gleich neben den anderen "nationalen" Nippesfiguren und Reiseandenken.

Durch die wechselhafte Vermarktung ist das Hermannsdenkmal zu einem Stück unserer Alltagskultur geworden.


[1] Zit. nach Hans Schmidt: Das Hermannsdenkmal im Spiegel der Welt, Detmold 1975, S. 28.
[2] Konrad Breitenborn: Bismarck. Kult und Kitsch um den Reichsgründer, Leipzig 1990, S. 10.


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OBJEKT-PROVENIENZDie Gartenlaube (a) / Detmold, Westfälisches Freilichtumuseum (b)
FOTO-PROVENIENZMünster, LWL-Medienzentrum für Westfalen


QUELLE    Roerkohl, Anne | Das Hermannsdenkmal | Dia 11, S. 32f.
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Zeit1.6.1   Varusschlacht / Rezeption
3.8   1850-1899
Ort2.5.5   Detmold, Stadt
Sachgebiet11.7   Fremdenverkehr, Tourismus
15.8   Architektur, Baudenkmäler, Architekt/Architektin
15.12.6   Nationalismus / Patriotismus / Landesherren, Denkmäler
15.12.601   Hermannsdenkmal, Detmold
DATUM AUFNAHME2004-02-27
AUFRUFE GESAMT903
AUFRUFE IM MONAT167