Ämter/Funktionen > Der Landrat


 
Sabine Mecking

Der Landrat

 
 
 
Das Amt des Landrats änderte seinen Charakter im Lauf des 19. und 20. Jahrhunderts stark. Der preußische Landrat entwickelte sich bis Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts vom kreisansässigen adeligen Ständevertreter zum akademisch ausgebildeten Verwaltungsjuristen bürgerlicher Herkunft, der als Wahlbeamter von der Regierung eingesetzt wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg traten mit der Schaffung des Kreisdirektorenamtes neben dem des Landrats weitere gravierende Veränderungen im Stellen- und Personenprofil ein.

Bis 1827 wurden die Besetzungen der westfälischen Landratsämter ausschließlich nach Maßgabe der Vorläufigen Instruktion für die Landräte und Kreisoffizianten von 1816 vorgenommen. Später waren darüber hinaus die 1827 bzw. 1886 erlassenen Kreisordnungen für Westfalen grundlegend. Der Landrat, der dem Regierungspräsidenten als staatliche Behörde nachgeordnet war, agierte auf der untersten Ebene staatlicher Verwaltung. So lag die staatliche Verwaltung vor Ort in seiner Hand, sofern nicht Sonderbehörden zuständig waren. Der vom Landrat leitend vorstehenden Kreisverwaltung unterstanden alle kreisangehörigen Gemeinden. Waren die preußischen Kreise damit zunächst allein staatliche Verwaltungsbezirke, an deren Spitze der staatliche Landrat stand, so wurden sie mit der Kreisordnung von 1886 bald wichtige Träger der kommunalen Selbstverwaltung. Mit Inkrafttreten der Kreisordnung am 01.04.1987 avancierte der Landrat zum Mittler zwischen Staatsverwaltung und kommunaler Selbstverwaltung.

Anstelle der ständisch zusammengesetzten Kreisversammlung trat der nach dem Dreiklassenrecht gewählte Kreistag. Die Kommunalverwaltung des Kreises vollzog sich im Zusammenspiel von Landrat, Kreistag und neu eingerichtetem Kreisausschuss. Der Landrat, der sowohl die staatliche als auch die kommunale Verwaltung des Kreises leitete, wurde auf Vorschlag des Kreistages vom König ernannt. Er war zugleich staatlicher Beamter und als Vorsitzender und Mitglied des Kreisausschusses und Kreistages Organ der kommunalen Selbstverwaltung. Neben seinem Charakter als staatliche Behörde stärkte der Kreis zunehmend seine Funktion als Kommunalverband zur Selbstverwaltung seiner Angelegenheiten.

Das Ende der Monarchie 1918 brachte hinsichtlich der Ernennung der Landräte kaum Änderungen. Lediglich die bis dahin vorgenommene Bestätigung der Amtsinhaber erfolgte nun nicht mehr vom König, sondern von der preußischen Staatsregierung. Blieb die Kreisordnung formell auch bis 1945 in Kraft, so gingen nach der nationalsozialistischen Regierungsübernahme 1933 die Aufgaben des Kreistages und Kreisausschusses auf den Landrat über. Die im Zuge der "Machtergreifung" neueingesetzten nationalsozialistischen Landräte übernahmen häufig zunächst kommissarisch ihre Ämter. Die endgültige Amtseinführung erfolgte erst später in Absprache mit dem Regierungspräsidenten und der NSDAP-Gauleitung. Nicht selten wählte die NSDAP-Kreisleitung genehme Kandidaten aus und schlug sie den übergeordneten Verwaltungs- und Parteibehörden zur Ernennung vor.

Nach der militärischen Niederlage und dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft führte die britische Militärregierung mit der Positionierung von Kreisdirektoren auf kommunaler Ebene die Trennung zwischen Politik und Verwaltung ein. Die neuen Oberkreisdirektoren wurden zu hauptamtlichen Leitern der Kreisverwaltung bestellt und der Vorsitz der Kreistage ging an die nun ehrenamtlich tätigen Landräte. Erst Mitte der 1990 er Jahre wurde diese Trennung aufgehoben, und die Aufgaben des Landrats und Kreisdirektors wieder in einem Amt, und zwar dem des hauptamtlichen Landrats, zusammengeführt.


Relevante Gesetze


1816 
Vorläufige Instruktion für die Landräte und Kreisoffizianten 
13.07.1827 
 Kreisordnung für die Rheinprovinz und Westfalen 
31.07.1886 
 Kreisordnung für die Provinz Westfalen (mit Wahlreglement) 
21.07.1953 
 Landkreisordnung für das Land Nordrhein-Westfalen 



Literatur


Romeyk, Horst
Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten der Rheinprovinz 1816-1945. Düsseldorf 1994.

Schmitz, Margun
Der Landrat als Mittler zwischen Staatsverwaltung und kommunaler Selbstverwaltung - Der Wandel der funktionalen Stellung des Landrats vom Mittelalter bis in 20. Jahrhundert. Baden-Baden 1991.

Stelbrink, Wolfgang
Der preußische Landrat im Nationalsozialismus. Studien zur nationalsozialistischen Personal- und Verwaltungspolitik auf Landkreisebene. Münster [u.a.] 1998.

Unruh, Georg-Christoph von
Der Kreis - Ursprung und Ordnung einer kommunalen Körperschaft. Düsseldorf 1965.

Unruh, Georg-Christoph von
Der Landrat, Mittler zwischen Staatsverwaltung und kommunaler Selbstverwaltung. Köln 1966.

Wegmann, Dietrich
Die leitenden staatlichen Verwaltungsbeamten der Provinz Westfalen 1815-1918. Münster 1969.
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