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Wohnhaus Steins in Wetter, 2007 / Foto: Marcus Weidner

1780-1804


3. Verwaltungslaufbahn in Rheinland-Westfalen

 
 
 
 
 
Stein begann am 04.02.1780 ein Referendariat beim Bergwerks- und Hüttendepartement des Generaldirektoriums in Berlin. Der Minister Anton Freiherr von Heinitz (1725-1802), ein gebürtiger Sachse, begünstigte seine Einstellung, sorgte für die erforderliche Fachausbildung und förderte seinen beruflichen Aufstieg. In Berlin studierte Stein Behördenakten, besuchte Vorlesungen über Mineralogie und Chemie und las einschlägige wissenschaftliche Werke. Erste praktische Erfahrungen sammelte er auf Dienst- und Studienreisen quer durch die preußischen Provinzen. Fast ein Jahr verbrachte er in Freiberg, dem Sitz der sächsischen Bergakademie.

Auf dem Gebiet des Bergbauwesens begann 1784 in den westlichen Provinzen der preußischen Monarchie seine eigenverantwortliche Tätigkeit. Der westfälische Bergbau befand sich damals noch vielfach auf der primitiven Entwicklungsstufe eines Raubbaues, die Infrastruktur besaß ein niedriges Niveau. Als Direktor der Bergämter in Wetter an der Ruhr und Ibbenbüren sowie der Bergwerkskommission der Provinzen Minden und Ravensberg überwachte Stein die Wegeerschließung, beaufsichtigte den Ruhrkanal und die Kohlendepots und rationalisierte die Arbeitsorganisation durch eine Einschränkung der genossenschaftlichen Selbstverwaltung.

Angebote der Berliner Regierung, Gesandtschaftsposten zu übernehmen, wies er ab, da er sich zur Ausübung dieser Funktionen nicht für berufen hielt. Der diplomatische Auftrag, Kurmainz zum Beitritt in den von Preußen geleiteten Fürstenbund von 1785 zu bewegen, den er widerwillig annahm, blieb nur eine Episode, die allerdings seine beruflichen Optionsmöglichkeiten einengte. Ein Übergang in kaiserliche Dienste war nun, nach der offensichtlichen Parteinahme für Preußen und gegen Österreich, schwierig geworden.

Nicht ein diplomatischer Auftrag, sondern die Absicht, Industrie und Bergbau auf einen höheren Stand zu bringen, führte Stein in der ersten Hälfte des Jahres 1786 nach England. Er sammelte dort Informationen zur Anlage von Kanälen und Verladekränen, zum Stollenbau und zum Bau von Dampfmaschinen. Er nahm zwar einen sachkundigen Zeichner mit, doch dessen Tätigkeit waren engste Schranken gesetzt. Die englischen Fabrikanten beobachteten argwöhnisch das Interesse der vom Kontinent kommenden Besucher an ihren technischen Innovationen. Den Verdacht, Wirtschaftsspionage betreiben zu wollen, bekam Stein schnell zu spüren, so dass der Aufenthalt auf der Insel für ihn sehr unbefriedigend verlief. Dennoch konnte er in England Erfahrungen sammeln, die für das preußische Berg- und Hüttenwesen nützlich waren.
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Burg Wetter, 1783-1815 Sitz des Kleve-Märkischen Bergamts (ab Juni 1792 Oberbergamt)
 
 
 
 
 

3.2 Kammerverwaltung in Kleve und Mark

 
 
 
Der Wirkungskreis des Freiherrn erweiterte sich, als er 1787/1788 Direktor und 1793 Präsident der Kriegs- und Domänenkammern von Kleve und Mark wurde. In der Grafschaft Mark, der industriell am stärksten entwickelten preußischen Provinz, fand unter seiner Leitung eine Reform des Steuerwesens statt. Er war Vorsitzender einer Kommission, die sich mit einer Neugestaltung des märkischen Steuerwesens befasste. Hier ließ sich der Standort der Gewerbebetriebe nicht wie im agrarischen Osten auf die Städte beschränken. Das Abgabewesen musste diesen Verhältnissen Rechnung tragen. Die städtische Akzise, eine Verbrauchssteuer, wurde nur für wenige Artikel, hauptsächlich Lebensmittel, erhoben. Für die ländlichen Gewerbe gab es keinen Zunft- und Akzisezwang mehr, der Handel war für das platte Land freigegeben. Der Steuerausfall wurde durch direkte, auf Stadt und Land verteilte Abgaben ersetzt. Für die Märker bedeutete diese Umgestaltung eine Erleichterung.

Bei der Steuerverteilung wirkten - durchaus im Sinne Steins - die altständischen Korporationen mit. Alte Rechte und zukunftsweisende Reformen wurden in eine charakteristische Synthese gebracht. Der Kammerpräsident schützte die kleve-märkische Ständeverfassung und die Reste der Selbstverwaltung vor Angriffen der Berliner Zentralverwaltung. Er war kein Vertreter eines bürokratisch-absolutistischen Einheits- und Machtstaates.

Die Zusammensetzung der Landtage in den westlichen Provinzen war unterschiedlich. Während in Kleve und Mark die Städte neben dem Adel schwach vertreten waren, blieben in Minden und Ravensberg Adel und hohe Geistlichkeit unter sich. Steins Sympathien galten auch der Selbstverwaltung auf unterer Ebene, in Ämtern, Kirchspielen oder Bauernschaften, den sog. "Amts- und Erbentagen". Die Wertschätzung fand in den Programmen einer ständischen Mitverwaltung während seiner Ministerzeit eine Fortsetzung. Landtagsfähigkeit und ständisches Vertretungsrecht wollte Stein nicht exklusiv an überkommene Privilegien und Adelsnachweise binden. Er plädierte dafür, die Gutsgröße zum Kriterium zu machen. Auch dies zeigt seine vermittelnde Position im Übergang von der ständischen zur bürgerlichen Gesellschaft.
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Karte der Grafschaft Mark, 1791
 
 
 
 
 

3.3 Oberkammerpräsident der rheinisch-
westfälischen Provinzen

 
 
 
Im Jahre 1796 veranlasste Minister Heinitz die Ernennung Steins zum Oberkammerpräsidenten für alle rheinisch-westfälischen Territorien, d. h. Minden, Ravensberg, Tecklenburg, Lingen, Kleve, Moers, Mark und Geldern. Der neue Amtssitz war Minden. Die Berliner Regierung beauftragte den Freiherrn, die Leistungsfähigkeit der Provinzen für den Gesamtstaat durch eine einheitliche Organisation des Handels, der Manufakturen und des Militärwesens zu steigern. Er löste seine Aufgabe durch den Abbau von Zwangsvorschriften für Handel und Verkehr, von Binnenzöllen, Stapelrechten und ähnlichen Hemmnissen. In der Berliner Regierung war sein Reformkurs bekannt, und er wurde als Gutachter immer wieder für Verwaltungsfragen herangezogen.

Zukunftsweisend waren die Agrarreformen, die besonders Minden und Ravensberg betrafen. Hier gab es keine ländliche Selbstverwaltung wie in Kleve und Mark, und ein großer Teil der Bauern war noch eigenhörig. Ihre soziale Lage wurde durch die Einschränkung von Hand- und Spanndiensten verbessert. Der von Heinitz und Stein unterstützte Plan einer völligen Befreiung der Bauern und der Umwandlung der Besitzrechte in Erbpacht ließ sich nur auf den staatlichen Domänen realisieren, nicht bei den privaten Grundherren. In Absicht und Ergebnis sind auch diese Reformansätze Vorläufer zu den späteren Stein-Hardenbergschen Reformen.

Stein bemühte sich um eine Rationalisierung und Aufwertung der Provinzialverwaltung, indem er ihre verschiedenen Zweige in möglichst wenigen Händen konzentrierte und ihre Kompetenzen gegenüber der Berliner Regierung stärkte. Rechtsstaatliche Vorstellungen im Sinne Montesquieus leiteten ihn bei seinem Bestreben, Justiz und Verwaltung zu trennen. Nicht nur durch eine Modernisierung der Verwaltung, sondern auch durch eine Wiederbelebung von alten Reichsinstitutionen wie den Kreisen, wollte Karl vom Stein den Wohlstand der ihm anvertrauten Provinzen heben. Straßenbau, Flussschifffahrt, Getreidehandel usw. sollten, um den Mängeln der territorialen Zerklüftung des Reiches entgegenzuwirken, auf Kreisebene geregelt werden. Fast 40 Reichsstände waren allein im Westfälischen Reichskreis mit Haupt- oder Nebenländern vertreten. Auch als preußischer Verwaltungsmann blieb der Freiherr Reichspatriot.
 
 
 
 
 

3.4 Säkularisation geistlicher Territorien
und Besitztümer

 
 
 
Nicht auf dem Wege einer Reichsreform wurden die politische Landkarte Deutschlands überschaubar und einzelstaatliche Verwaltungsprobleme verringert, sondern durch die Folgen der Französischen Revolution. Der Freiherr vom Stein lehnte die Revolution wegen ihres radikalen Bruchs mit den überkommenen Rechten grundsätzlich ab, billigte jedoch einige ihrer Konsequenzen und ließ sich gar partiell von ihren Ergebnissen inspirieren. Als Napoleon, der Erbe dieser säkularen Umwälzung, den Anstoß dazu gab, die geistlichen Fürsten politisch zu entmachten und ihr Vermögen zu verstaatlichen, wurde Karl vom Stein mit der Exekution dieses politisch, wirtschaftlich und sozial höchst bedeutsamen Geschäftes in Westfalen betraut. Er trug den einschneidenden Eingriff in die Reichsverfassung mit und begrüßte die sogenannte "Säkularisation" als eine Möglichkeit, um vor allem die beiden Großmächte Preußen und Österreich, die er Zeit seines Lebens auf Kosten des Dritten Deutschland favorisierte, zu stärken. Von der Säkularisation profitierten jedoch auch die Klein- und Mittelstaaten. Von 1802 bis 1804 hielt sich Stein in Münster auf, um das Territorium und Vermögen, das bei der Auflösung der geistlichen Fürstentümer und Herrschaften an Preußen fiel, in den Staatsverband zu integrieren.

Bevor die Säkularisation, d. h. der Übergang von Herrschaftsrechten und Besitztümern der katholischen Kirche an weltliche Obrigkeiten, durch den Reichsdeputationshauptschluss vom 25.02.1803 im Einzelnen geregelt wurde, war sie schon seit Jahren Gegenstand einer öffentlichen Diskussion. In zahlreichen Streitschriften wurde das Für und Wider erörtert. Einen großen Verlust erlitt infolge der Säkularisation neben den Enteigneten vor allem der Kaiser, der seine zuverlässigste Klientel im Reich einbüßte. Im Kurfürsten- und Fürstenrat des Reichstages besaßen nun die Protestanten das Stimmenübergewicht. Die Wahl eines protestantischen Kaisers (etwa des preußischen Königs) war jetzt aufgrund dieser konfessionellen Machtverschiebung theoretisch möglich. Der Reichsadel verlor finanziell wichtige Versorgungsstellen, die Kirchenhierarchie nach und nach ihre aristokratische Struktur. In der Entfeudalisierung der Kirche lag andererseits eine Chance zur religiösen Erneuerung. Dass Stein die revolutionäre Veränderung mittrug, macht die Grenzen seines Reichspatriotismus bzw. die Offenheit für aufklärerisch-moderne Zeitströmungen deutlich. Als Verwaltungsfachmann der preußischen Westprovinzen blieb die Säkularisation für ihn keine bloß theoretische Frage, sondern ihre Umsetzung wurde alsbald zu einer praktischen Aufgabe.

Preußen erhielt durch den  Pariser Vertrag vom 23.05.1802 den Zuschlag für den östlichen Teil des Fürstbistums Münster, das Fürstbistum Paderborn und die Abteien Essen, Werden und Herford. Nun war die norddeutsche Großmacht der bedeutendste Territorialherr in Westfalen. Friedrich Wilhelm III. ließ den Generalleutnant Gebhard Leberecht von Blücher (1742-1819, seit 1814 Fürst) am 03.08.1802 mit Truppen in die Hauptstadt Münster einziehen. So wurde der Bevölkerung auf drastische Art demonstriert, wer der neue Herr im Hause war. Das katholische Münsterland stand der Säkularisation ablehnend gegenüber. Konfessionelle Gegensätze vertieften die gespannten Beziehungen zur Berliner Zentrale.

Stein hatte also keine leichte Aufgabe, als er 1802 mit der Integration der Neuerwerbungen beauftragt wurde. Zwei Jahre kam der landeskundige Oberkammerpräsident mit Taktgefühl dieser Aufgabe nach. Vergeblich bemühte er sich gegenüber der Berliner Zentrale um eine Wahrung der ständischen Rechte, an denen ihm Zeit seines Lebens so viel lag. In seiner  Autobiografie (1823) beschreibt er die Durchführung der Säkularisation folgendermaßen:
"[...] sie geschah mit Milde Schonung und Treue, die Geistliche wurden mit großer Freygebigkeit behandelt, die alte Einländische Beamte, waren sie irgend tauglich, beybehalten und das Gehässige Gewaltthätige der Sache selbst möglichst gemildert".

Als Karl vom Stein 1804 ins Ministerium nach Berlin berufen wurde, war das Werk der Integration noch keineswegs vollendet. In Ludwig Freiherr von Vincke (1774-1844), der aus Minden stammte, besaß er einen fähigen Nachfolger. Die preußische Herrschaft in den säkularisierten Gebieten wurde schon bald durch die Rheinbundzeit für sieben Jahre unterbrochen. Nach dieser Zeit, nach dem Erlebnis der Fremdherrschaft, wurde die Stimmung im Münsterland für Preußen etwas positiver.
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Erwerb der einzelnen Gebietsteile der heutigen Provinz Westfalen durch Preußen


 
 Westfälische Länder 1804


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Fürstbischöfliches Residenzschloss Münster von Westen ("Vue Perspéctive de la Résidence De Munster du Côté du jardin / Ansicht des fürstlichen Schlosses zu Münster von der Gartenseite"), um 1800


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Der Domplatz in Münster, 1783


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Tabaksdose mit dem Bildnis Blüchers, um 1804/1806


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Porträt  Vinckes als Kammerpräsident in Ostfriesland und Westfalen, 1804


 Autobiografische Aufzeichnungen des Freiherrn vom Stein für die Jahre 1757-1814, 1823
 
 
 
 



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