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1809-1812


6. Exil in der Habsburger Monarchie

 
 
Die österreichische Regierung gewährte Karl vom Stein für mehr als drei Jahre Asyl. Mit Frau und Kindern, den 1796 und 1803 geborenen Töchtern Henriette und Therese, lebte er in Brünn, Troppau und Prag. Ein Gnadengesuch an Napoleon blieb erfolglos. Steins Asylland griff 1809 zu den Waffen. Der Staatskanzler Philipp Graf von Stadion (1763-1824) hoffte wie der Flüchtling auf eine allgemeine Erhebung in Deutschland. Das war ein verhängnisvoller Irrtum. Napoleon konnte in der Entscheidungsschlacht bei Wagram in Niederösterreich (04./05.07.1809) einen weiteren militärischen Erfolg zu seinen vielen anderen verbuchen. Im Friedensvertrag von Schönbrunn (14.10.1809) musste Österreich ein Gebiet von 2.150 Quadratkilometern und dreieinhalb Millionen Einwohnern abtreten. Nach territorialen Verlusten in Oberitalien wurde es zu einem Binnenstaat und ließ sich dadurch leichter in die Kontinentalsperre zur wirtschaftlichen Isolierung Englands einspannen. Clemens Lothar Wenzel Graf von Metternich (1773-1859) löste Stadion ab und betrieb eine Politik des friedlichen Ausgleichs mit Frankreich. Die Annäherung fand in der Vermählung (1810) des Imperators mit der Habsburger Kaisertochter Marie Luise (1791-1847) Ausdruck.

Der österreichische Kaiser hatte den Krieg auch zur Rückgewinnung Tirols geführt, das 1806 an Bayern gefallen war. Die Tiroler hingen weiterhin an ihrem alten Herrscherhaus. Aus verschiedenen Gründen waren sie mit der neuen aufgeklärt-zentralistischen Regierung der jungen bayerischen Monarchie unzufrieden. Eine große Verbitterung erregten die Einziehung zum Militär, die Erhöhung der Steuern, die Abschaffung des Landtags, auf dem die Bauern einen eigenen Stand gebildet hatten, und der Selbstverwaltung, die Zerschneidung alter Wirtschaftsverbindungen (zu Österreich und Italien), die Aufhebung von Klöstern und Kirchenreformen. Als Österreich den Krieg gegen Frankreich aufnahm, erhoben sich die Tiroler gegen die Wittelsbacher Herrschaft.

Stein hoffte auf einen allgemeinen Volksaufstand und spann seine Fäden zu Gleichgesinnten. Ein nachahmenswertes Beispiel war für ihn der Tiroler Freiheitskampf, fest rechnete er mit dem Widerstandswillen der Westfalen, die auf die Satellitenstaaten Großherzogtum Berg und Königreich Westphalen aufgeteilt waren. Sein Programm des Widerstandes und der Erneuerung hatte aber noch keine Erfolgschance. Im Frieden von Schönbrunn mussten die Habsburger die Volkserhebung preisgeben, gleichwohl kämpften die Tiroler unter Andreas Hofer (1767-1810) weiter. Sie brachten französischen und bayerischen Truppen mehrere empfindliche Niederlagen bei, doch auf sich allein gestellt war ihr Kampf letztlich aussichtslos.

Auf Wunsch und im Auftrag des Freiherrn vom Stein fertigte der Maler Joseph Anton Koch (1768-1839) Jahre später ein monumentales Gemälde an, das diesen Kampf heroisierte und 1820 auf Schloss Cappenberg aufgehängt wurde. Wie Stein wurde Andreas Hofer geächtet. Verrat, Gefangennahme, Hinrichtung (am 20.02.1810) waren die letzten Stationen des Tiroler Freiheitshelden, der zu einer Symbolfigur des nationalen Widerstandes wurde. Kaiser Franz (1768-1835) und der neue Staatskanzler Metternich hatten Napoleon vergeblich um Gnade gebeten. Tirol wurde, auch dies typisch für die Herrschaftspraxis des Imperators, auf fremde Staaten aufgeteilt: Bayern und Italien.

Der Freiherr vom Stein beobachtete 1809 von Böhmen aus die europäische Politik. Existenzielle staatliche und nationale Fragen beschäftigten ihn jetzt, die Wiederherstellung Deutschlands und des politischen Gleichgewichts auf dem Kontinent, während das Thema der innenpolitischen Reformen, das ihn in seiner aktiven Berufslaufbahn so lange bewegt hatte, in den Hintergrund gedrängt wurde. Er entwarf verschiedene Projekte einer künftigen deutschen Verfassung, dazu zählte auch die Wiederherstellung des Kaiserreichs. Dass Metternich die von nationalen und populären Ideen geleitete Politik des Jahres 1809, die zur Katastrophe geführt hatte, nicht fortsetzte, sondern den Ausgleich mit Napoleon suchte, verübelte ihm Stein. Ihr Verhältnis sollte auch künftig ziemlich distanziert und kühl bleiben.

Steins Hoffnung und Zuversicht wurden auf eine harte Probe gestellt. Sie erreichten einen weiteren Tiefpunkt, als er 1811, um sein Vermögen zu sichern, von Napoleon eine Milderung der Sanktionen erbat. Doch der Kaiser blieb hart, sah er doch in dem Freiherrn weiterhin das Haupt des deutschpatriotischen Widerstandes. Er trachtete aber nicht nach seinem Leben und verlangte auch nicht die Auslieferung. Dennoch waren die Lebensumstände für Stein deprimierend, der nationalistisch gefärbte Hass des politischen Flüchtlings auf die Franzosen wuchs. Schonungslos kritisierte er die Rheinbundfürsten, die in den letzten Jahren an der Seite Frankreichs gegen Preußen und gegen Österreich in den Krieg gezogen waren.
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Kaiser Franz I. von Österreich (1786-1835), 1828


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Historische Ansicht von Prag, Lebensstation des Freiherrn vom Stein 1809-1812


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Karl Justus Gruner (1777-1820) quittierte nach dem neuerlichen Bündnis Preußens mit Frankreich seinen Dienst als Chef der gesamten preußischen Polizei war nun als russischer Geheimagent tätig. Er sucht ein Prag Stein auf, um ihn über geplante antifranzösische Kundschafter- und Sabotageaktionen zu unterrichten.


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Schloss Trója bei Prag, 1811 als Sommerquartier angemietet
 
 
 
 



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