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(2 KB)   Franz von Papen als Page am Berliner Hof, 1897 / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/E. Tschich   Franz von Papen als Page am Berliner Hof, 1897 / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/E. Tschich
TITELFranz von Papen auf der Anklagebank, Januar 1949
DATIERUNG1949-01


INFORMATIONIn der Zeit vom 18.01.1949 bis 22.01.1949 tagte in Fürth das durch von Papen angerufene Berufungsgericht der Entnazifizierungskammer unter dem Vorsitz von Ministerialrat a.D. Sauerländer. In der nüchtern-sachlichen Atmosphäre des kahlen Raumes mit seiner einfachen Ausstattung aus Holztischen und -stühlen gruppieren sich Richter, Schreibkräfte und Beisitzer im Halbkreis um den Angeklagten. Dem vorgerückten Alter von Papens Rechnung tragend, darf dieser seine Erklärungen im Sitzen abgeben. Dennoch hält es ihn kaum auf seinem Stuhl. Gestik und Körperhaltung des Angeklagten unterstreichen das Engagement, mit dem er seine Verteidigung vorbringt. Elegant gekleidet, läßt die selbstbewußte Art des Auftretens ein wenig von der Faszination erkennen, die von Papen auf gesellschaftlichem Parkett ausgeübt haben mag. Auf keinen Fall ist ablesbar, daß hinter dem Angeklagten nahezu vier Jahre Haft, Lager und Lagerhospital liegen.

Das im Bild tagende Berufungsgericht erklärte die in erster Instanz verhängte Strafe von acht Jahren Arbeitslager für abgegolten. Die Konfiszierung seines Vermögens wurde aufgehoben. Die von dieser Instanz verhängte Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte wurde einige Jahre später rückgängig gemacht. Das Wohlwollen deutscher Justizbehörden verhalf Franz von Papen zu einer nahezu völligen Rehabilitierung. Politisch blieb der ehemalige Reichskanzler hingegen völlig isoliert, auch wenn er wieder Eingang in die Gesellschaft fand und man ihn ab und zu - aus Anlaß herausragender Galoppsportereignisse - auf den Rennbahnen in Baden-Baden oder Hamburg zu Gesicht bekam. Mit Interesse und Anteilnahme verfolgte er die politische Entwicklung der Bundesrepublik, seine persönlichen Anstrengungen konzentrierten sich aber auf die Rechtfertigungsbemühungen seines politischen Werdegangs nach 1930.

Seine monarchische Erziehung und die durch unmittelbares Erleben am kaiserlichen Hof verstärkten Eindrücke vom Glanz des wilhelminischen Reiches haben den national gesinnten katholischen Landedelmann und preußischen Offizier sein Leben lang zu einem hartnäckigen Verfechter einer Wiedergeburt der Monarchie gemacht. Die politischen Folgewirkungen der gesellschaftlichen Umwälzungen des 19. Jahrhunderts blieben dem starrsinnigen Traditionalisten, der den gesellschaftlichen Status und die politischen Vorrechte des Adels unter Hinweis auf ein zeitloses göttliches Naturrecht zu retten versuchte, immer verborgen. Für den deutschnational gesinnten politischen Einzelkämpfer mit Zentrums-Parteibuch eröffnete sich unter dem System des präsidialen Notverordnungsregiments 1932 überraschend die Gelegenheit, seine politischen Vorstellungen in die Tat umzusetzen. Für die rechts-konservativen Kreise im Umfeld des einzigen noch verbliebenen funktionierenden Verfassungsorgans - des Reichspräsidenten - und die als innenpolitischer Machtfaktor von den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen noch wenig beeinträchtigte Reichswehr mochte der katholisch-konservative Politiker von Papen wie eine Idealbesetzung anmuten. Die autoritärständestaatlichen Vorstellungen, das Bekenntnis zum Antiparlamentarismus und die Bereitschaft, sich der nationalsozialistischen Hilfstruppen zur Untermauerung seiner Regierung zu bedienen, wogen die klar ersichtlichen politischen Defizite des Kandidaten - seine mangelnde politische Erfahrung, seine Unerfahrenheit in Verwaltungsangelegenheiten, seine fehlende Kenntnis wirtschaftlicher Zusammenhänge - auf.

Politisch begnügte sich das Kabinett von Papen, die von der Vorgängerregierung Brüning eingeschlagenen Wege fortzuführen. Außenpolitisch profitierte Papen von der umsichtigen, aber gleichwohl zähen und unnachgiebigen Haltung Brünings in der zentralen Frage der Beendigung der Reparationen. Finanzpolitisch setzte er die restriktive, am Haushaltsausgleich orientierte Sozialpolitik fort. Wo seine Regierung in Ansätzen - wie im Bereich der Arbeitsbeschaffung - über das Kabinett Brüning hinausging, fußten ihre Maßnahmen gleichwohl auf deren konzeptionellen Vorarbeiten. Es war die Diskrepanz zwischen der schmalen sozialen und politischen Basis der Regierung und ihrer übertrieben nationalen, ideologisch gefärbten Rhetorik, die die politischen Gegensätze vertiefte und die sozialen Spannungen zusätzlich belastete. Großen Teilen der Bevölkerung und ihren politischen Repräsentanten wurde jede politische Verantwortung einfach abgesprochen. Die Entschlossenheit, das politische System von Weimar unwiderruflich zu Grabe zu tragen, unterschied das neue Präsidialregime von der Vorgängerregierung. Mit Franz von Papen als Reichskanzler etablierte sich draufgängerisches Eiferertum an der Stelle nüchtern-kühler Berechnung. Im Kampf gegen den Parlamentarismus, die politische Linke und das demokratische Bürgertum machte man auch vor dem Mittel des Verfassungsbruchs nicht halt.

Anders als bei den meisten Kabinettsmitgliedern war der Rücktritt seiner Regierung bei ihm nicht von der Einsicht begleitet, daß man auf Dauer nicht gegen die erdrückende Mehrheit des Parlaments und der Bevölkerung, gestützt allein auf die Notverordnungsrechte des Reichspräsidenten, regieren konnte. Den als persönliche Kränkung empfundenen Schritt wettzumachen und an die Schalthebel der Macht zurückzukehren war das Ziel, um derentwillen er sich mit Hitler zusammentat. In einem breiten Bündnis rechtskonservativer Kräfte mit ihm als Vizekanzler in der Rolle der Kontrollinstanz glaubte er die Reichskanzlerschaft Hitlers verantworten zu können. Gerade die Rechtskonservativen mit von Papen an der Spitze haben zunächst ungestüm auf den Abbau des Parlamentarismus und die Beschränkung wesentlicher Grundrechte im Kampf gegen die verhaßte Linke gedrängt und so den Weg in die Diktatur nachdrücklich zu ebnen geholfen. Die verstärkte Anwendung der Richtlinienkompetenz des Reichskanzlers hat im Zusammenspiel der widerrechtlichen Sanktionierung offen ungesetzlicher und strafbarer Handlungen zur Einschüchterung und Terrorisierung Andersdenkender durch die paramilitärischen Verbände der Nationalsozialisten den Rechtskonservativen jeglichen Bewegungsspielraum genommen und sie zu Erfüllungsgehilfen der NS-Diktatur degradiert. Das von Franz von Papen entscheidend vorangetriebene Konkordat hat - unabhängig von seinen persönlichen Motiven - vor allem die Integration der katholischen Bevölkerungskreise und des Klerus fördern helfen und zur gesellschaftlichen und politischen Stabilisierung des NS-Regimes beigetragen. Die Innenansicht des Dritten Reiches, die er als Vizekanzler genoß, das Wirken als Beschwerdeinstanz, das er selbst für sich in Anspruch nahm und seine Bereitschaft zu begrenztem Widerspruch und Protest, die ihn von anderen ministeriellen rechtskonservativen Mitläufern unterscheiden, werfen die Frage auf, warum er sich auch nach seinem Rücktritt vom Amt des Vizekanzlers weiter als Botschafter in Wien und Ankara in den Dienst des Regimes stellte. Das Papensche Argument, dem deutschen Volk dienen zu wollen, diskreditiert sich politisch angesichts der schillernden Gestalt seiner Person: die unübersehbare Neigung zur Selbstdarstellung, die eklatante Überschätzung der eigenen Fähigkeiten und der Hang, seinen Platz jeweils auf der Sonnenseite zu suchen, ramponieren das Bild des nationalbewußten Idealisten. Bei allen politischen Eigenmächtigkeiten Papens bleibt zu erinnern an seine privilegierte Stellung, die er als Steigbügelhalter Hitlers auch noch in späteren Jahren genoß. Im Dienst des nationalsozialistischen Deutschland hat sich von Papen zwar graduell von Techniken und Instrumentarien nationalsozialistischer Unrechts und Terrorherrschaft distanziert und partiell Gegenpositionen bezogen, er hat sich aber auf seinen politischen Posten nie substantiell und schon gar nicht im Hinblick auf die expansiven Ziele und deren verbrecherische Methoden von den Nationalsozialisten entfernt.


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QUELLE    Neumann, Klaus | Franz von Papen | Dia 12, S. 41-43
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Zeit3.9   1900-1949
Sachgebiet4.3   Rechtsprechung, Gerichte
DATUM AUFNAHME2004-02-08
AUFRUFE GESAMT336
AUFRUFE IM MONAT83