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(104 KB)   Die "Nürnberger Gesetze" von 1935 / Soest, Stadtarchiv und Wissenschaftliche Bibliothek   Die "Nürnberger Gesetze" von 1935 / Soest, Stadtarchiv und Wissenschaftliche Bibliothek
TITELDie "Nürnberger Gesetze" von 1935
DATIERUNG1935
GEOPOSITIONGoogle Maps OSM | 51.745228273865200 (NS), 8.712327182292938 (EW) (exakt)


INFORMATIONDie hier abgebildete Schautafel war für westfälische Standesbeamte bestimmt. Sie sollte ihnen die für sie wichtigsten rechtlichen Konsequenzen der sogenannten Nürnberger Gesetze vom 15.09.1935 - z.B. das  "Gesetz zum Schutze des Deutschen Blutes und der deutschen Ehre" und ihrer Ausführungsbestimmungen auch optisch deutlich vor Augen führen. [1]

Auf dem "Reichsparteitag der Freiheit" wurden Juden nach dem "Reichsbürgergesetz" nicht nur von Bürgern zu bloßen Staatsangehörigen degradiert, d.h. politisch und rechtlich entmündigt, sondern auch mit dem "Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre" durch infame Bestimmungen aufs schwerste diskriminiert. Darin wurden u.a. Eheschließungen zwischen Juden und "Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes" mit Zuchthausstrafen bedroht, desgleichen außerehelicher Geschlechtsverkehr. Weiter wurde ihnen die Beschäftigung weiblicher deutscher Hausangestellter unter 45 Jahren bei Strafe untersagt.

Wer nach diesem Gesetz letztlich Jude war, blieb in Nürnberg noch offen - von Personen einmal abgesehen, deren beide Elternteile "Volljuden" waren. Über die eingehendere Definition kam es zu einem erbitterten Ringen zwischen der Partei und der Ministerialbürokratie des federführenden Innenministeriums. Die Ausführungsbestimmungen, die sich auch in unserer Schautafel niederschlugen, stellen insofern einen Erfolg der Ministerialbeamten dar, als sie den Forderungen der Partei nach Scheidung von "Mischehen" und nach Zwangssterilisation nicht entsprachen und durch einen relativ eng gefaßten Judenbegriff doch noch Zehntausende von "Halbjuden" vor der physischen Vernichtung bewahrten. Der NS-Staat unterschied, wie das Schaubild zeigt, drei Gattungen von Staatsangehörigen:
  1. Juden
    mit drei oder vier volljüdischen Großeltern teilen
  2. Mischlinge
    a. Mischlinge 1. Grades (mit zwei voll jüdischen Großelternteilen)
    b Mischlinge 2. Grades (mit einem volljüdischen Großelternteil)
  3. Deutschblütige
    "Deutsches und artverwandtes Blut"


Diese Differenzierung hatte erhebliche rechtliche Konsequenzen etwa bei Eheschließungen. Eine Heiratserlaubnis wurde nach dem Grad der, um im NS-Jargon zu bleiben, "Verseuchung" mit jüdischem Blut erteilt. "Deutsches und artverwandtes Blut" war so gut wie möglich zu "schützen". Deshalb sollte das "wertvolle" Blut der Mischlinge 2. Grades dem Deutschtum erhalten bleiben, sie wurden dementsprechend zur Heirat mit "Vollariern" verpflichtet. Halbjuden hingegen durften als Mischlinge 1. Grades nur untereinander heiraten, da ihre Abkömmlinge nach nationalsozialistischer Auffassung blutmäßig nicht mehr als Deutsche angesehen wurden. Interessant ist der damit implizierte Schluß, daß jüdisches Blut "stärker" sei als deutsches.

Die Ausführungsbestimmungen führten auch sonst die Kategorien der NS-Rassenlehre ad absurdum. Da das biologische Merkmal der Rasse aus sich selbst allein juristisch nicht faßbar ist, vertauschte man bei jüdischen Mischlingen 2. Grades den Rassebegriff mit dem juristisch faßbaren Merkmal der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft: "Als volljüdisch gilt ein Großelternteil ohne weiteres, wenn er der jüdischen Religionsgemeinschaft angehört hat. Gegenbeweis nicht zulässig."


[1] Näheres bei Uwe Dietrich Adam: Judenpolitik im Dritten Reich, Düsseldorf 1972, S. 114-144; zuletzt ders.: Zur Entstehung und Auswirkung des Reichsbürgergesetzes und Lothar Gruchmann: "Blutschutzgesetz" und Justiz, beide Aufsätze in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung "Das Parlament" B. 48/85 vom 30. November 1985, S. 14-27 und 28-38.


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OBJEKT-PROVENIENZSoest, Stadtarchiv und Wissenschaftliche Bibliothek


QUELLE    Aschoff, Diethard | Juden in Westfalen | Dia 10, S. 38f.
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ95   Grafik, Schaubild, Diagramm
Zeit3.9   1900-1949
Sachgebiet6.8.10   Juden
DATUM AUFNAHME2004-02-23
AUFRUFE GESAMT1882
AUFRUFE IM MONAT315