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(135 KB)   Kriegerdenkmäler: Figürliche Aufwertung und Heroisierung von Soldaten (Sterbender Krieger, Düsseldorf 1892; Westfalia und sterbender Soldat, Colombey [Deutsch-Lothringen] 1895) / Münster, Stadtarchiv Münster (2b) / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/S. Sagurna (2a)   Kriegerdenkmäler: Figürliche Aufwertung und Heroisierung von Soldaten (Sterbender Krieger, Düsseldorf 1892; Westfalia und sterbender Soldat, Colombey [Deutsch-Lothringen] 1895) / Münster, Stadtarchiv Münster (2b) / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/S. Sagurna (2a)
TITELKriegerdenkmäler: Figürliche Aufwertung und Heroisierung von Soldaten (Sterbender Krieger, Düsseldorf 1892; Westfalia und sterbender Soldat, Colombey [Deutsch-Lothringen] 1895)
GEOPOSITIONGoogle Maps OSM | 51.745228273865200 (NS), 8.712327182292938 (EW) (exakt)


INFORMATIONSeit der Errichtung moderner Kriegerdenkmäler gab es Bemühungen, Stiftungen nicht nur am Herkunftsort der Gefallenen zu errichten, sondern ebenso am militärischen Einsatz-, bzw. Garnisonsort, insbesondere auf den Schlachtfeldern, wo die Toten nicht selten auch bestattet waren. Solche Initiativen konnten vor allem in Wilhelminischer Zeit (1888-1914) mit einer neuen Typen- und Formenvielfalt, darunter die figürliche Aufwertung und Heroisierung von Soldaten, verwirklicht werden. Anlässe boten die verschiedenen Jahrestage aus dem Verlauf des deutsch-französischen Krieges, so daß die früheren Trauermotive allmählich verdrängt wurden durch ein neues Pathos, in Düsseldorf zum Beispiel und in Colombey 1892 und 1895. Diese Projekte gehören zu jenen Denkmälern, in denen der einfache Soldat erstmals eine figürliche Darstellung erfuhr, was bisher nur dem regierenden Königs- oder Fürstenhaus, sowie Generälen vorbehalten war. Anfangs erschien der einfache Soldat lediglich als nachgeordnete Beifigur in einem aufwendigen Figurenprogramm, erst später als Hauptfigur. Der Glorifizierung dienten eine antikisierende Nacktheit wie auch die prestigeträchtige, vorteilhafte Uniformierung, um so individuelle, persönliche Aspekte auszublenden. Beides, Nacktheit wie die (vorschriftsmäßige) Uniform ersetzt "... vielleicht den idealen Körper und bringt das 'Partikuläre' zum Verschwinden. Wir sehen den Krieger in der soldatischen Gemeinschaft, kämpfend und erliegend, während die anderen Mitglieder dieser Gemeinschaft 'die Sache des Vaterlandes' weiter verfolgen". [1]


1. Sterbender Krieger, Düsseldorf 1892

Schon unmittelbar nach Ende des deutsch-französischen Krieges 1871 bemühten sich Kriegsteilnehmer aus Düsseldorf um eine Denkmalserrichtung. Die Initiative geriet aber schon bald in andere Hände. So bemühte sich seit 1883 der finanzkräftige "Verein Junger Krieger" darum, mit Petitionen von Düsseldorfer Künstlern an den Oberbürgermeister und an andere kommunale Gremien, Maßnahmen zur Finanzierung einzuleiten. Es gelang, für den eigens geschaffenen Denkmalsausschuß wichtige Förderer zu gewinnen: Kommunalpolitiker, den Kriegerverein, staatliche Behörden (Erweiterung der Lotterie), die Militärverwaltung (Militärkonzerte), das evangelische Presbyterium (Kirchenkollekten) und die Presse. Der Ausschuß wurde zu einer halbamtlichen Einrichtung, doch entzündete sich über den Aufstellungsort ein langwieriger Streit, der mehr als vier Jahre beanspruchte und die konkurrierenden Interessen der Beteiligten und den Kompetenzstreit der Behörden spiegelte. Anstatt der ursprünglichen Vorschläge des "Vereins junger Krieger" (Standort vor dem Berg.-märk. Bahnhof) setzten sich Vorstellungen durch, die den Hofgarten bevorzugten. Für den anschließenden Wettbewerb der Denkmalsentwürfe wurde eine Jury mit Vertretern des preußischen Kultusministeriums in Berlin, Vertretern der Bildhauerkunst (München), einigen Stadtverordneten sowie weiteren Künstlern und Persönlichkeiten aus Düsseldorf geschaffen. Erster Preisträger wurde der Charlottenburger Bildhauer Carl Hilgers mit seinem Entwurf "Vaterstadt". Es handelte sich um die überlebensgroße Figur eines sterbenden Kriegers - mit dem niedergelegten Schwert in der Rechten, den Siegeslorbeer in der Linken - auf ausladendem Sockel mit einem sarkophagähnlichen, durch Pilaster, Pflanzenornamentik und das Eiserne Kreuz reichverzierten Aufbau sowie einer Löwenfigur zu Füßen des Kriegers (Gesamthöhe: 6 Meter). Die übrigen Entwürfe und Modelle wurden in einer Ausstellung der Öffentlichkeit vorgestellt. Proteste erhoben sich aus Düsseldorfer Künstlerkreisen gegen die antikisierende Konzeption von Hilgers. Die Entscheidung der Jury erläuterte ein Jurymitglied: Es galt,
"... hier nicht eine bloße Wiederholung oder Variation des schon hundertfach behandelten Themas aufzustellen, sondern dasjenige Bildwerk zu wählen, welches die ausgetretenen Gleise verließ und etwas ganz Neues, Besonderes, Eigenartiges vorführte. Das einzige Modell dieser Art war aber das Hilgersche, und es war zugleich von solcher Schönheit, so beseelt von jenem vorbildlichen Geiste des alten Hellenentums, daß eben das Preisgericht ihm einstimmig die höchste aller Auszeichnungen zollte und es in erster Linie zur Ausführung empfahl... Wir finden... in der ganzen Weltgeschichte für unsere eigenen Gefallenen keinen höheren Vergleich als indem wir sie jenen todesmutigen Kämpfern von Marathon und Thermophylae zur Seite stellen. Der für das Vaterland gefallene Griechenjüngling als Sinnbild unserer Krieger; der für Heimat und Herd sich opfernde freie Bürger von Hellas als Zeuge für unserer Mitbürger hehren Opfertod ... echt griechisch-deutsch". [2]

Die Stadtverordnetenversammlung folgte diesem Urteil und beschloß die marmorne Ausführung in einem umfassenden Halbkreisgeländer mit einer ergänzenden Inschrift am Sockel, für die ein weiterer Wettbewerb ausgeschrieben wurde. Die Wahl fiel auf einen Spruch von Hermann Sudermann: "Ruhm war dem Sieger genug und Jauchzen und gruenender Lorbeer, / Thraenen, von Muettern geweint, schufen dies steinere Bild" [2]. Am 18.10.1892 fand die feierliche Enthüllung der Anlage statt.


2. Westfalia mit sterbendem Soldat, Colombey (Deutsch-Lothringen) 1895

Diese Denkmalsanlage bestand aus einer Figurengruppe. Die Westfalia mit Eichenkranz in der emporgestreckten Rechten stützt sich mit der Linken auf Schwertgehänge und Schild. Sie steht mit gesenktem Blick zum sterbenden Krieger, der in vorschriftsmäßiger Uniform mit Mantel, Gewehr und Helm (am Boden) dargestellt ist. Aufgesetzt auf einen mehrstufigen Sockel mit dem Wappen der Stadt Münster, mit Inschriften- und Namenstafeln über drei erhöhenden Treppenstufen ragt hinter der Figurengruppe ein Obelisk mit preußischem Adler empor.

Zum 25jährigen Jubiläumstag der siegreichen aber mit vielen Opfern verbundenen Schlacht des deutsch-französischen Krieges bei Colombey wurde das Kriegerdenkmal auf dem Friedhof dieser Stadt enthüllt. Das Denkmal war vom Veteranenverein "Alte Dreizehner" des 1. Westfälischen Infanterie-Regiments Nr. 13 mit Unterstützung der Stadt Münster und privaten Spenden für die gefallenen Angehörigen des Regiments gestiftet und vom Münsteraner Bildhauer Anton Rüller geschaffen worden. Die beachtliche, überregionale Resonanz der Enthüllungsfeierlichkeiten äußerte sich in der Teilnahme vieler Vereine und ranghoher Vertreter von Militär- und Zivilbehörden aus Münster, Metz und Umgebung. Die Stiftung von Colombey setzte frühere Initiativen des Regiments oder nahestehender Offiziersvereinigungen fort. Sie reihte sich ein in eine Welle neuer Denkmalserrichtungen, die anläßlich 25jähriger Jubiläen anderer Schlachten für die Gefallenen der betroffenen ehemaligen Kriegstruppen zustande kamen.

Auf dem Friedhof von Colombey war das neue Kriegerdenkmal auf einer Anhöhe plaziert. Der Aufstellungsort, aber auch der mächtige Obelisk gaben der Anlage einen deutlich sepulkralen Charakter, wirkungsvoll ergänzt durch die Figurengruppe. Sie zeigte auffällige Gemeinsamkeiten mit früheren, westfälischen Stiftungen. Das Standbild der "Westfalia" in Colombey war in die Figurengruppe vor dem Obelisken auf dem unteren, etwas herausgezogenen Postament angebracht. Schräglagerung, Asymmetrie, reiche plastische Behandlung sowie Eindruck von Bewegung, gefördert durch Naturalismus, erzeugen ein attraktives Kontrastverhältnis zwischen dem Figürlichen und der klarlinigen, glattflächigen Architektur. Die Figur erinnerte in Gestik und äußerer Ausstattung an die Bavariastatue in München sowie die Germania am Niederwald. Im Unterschied zur Muttergestalt der Germania erhielt die Westfalia aber ein jugendliches, mädchenhaftes Erscheinungsbild, um deren regional bzw. provinzial nachgeordnete Bedeutung zu verdeutlichen. Wohl aus diesem Grunde wurde die triumphierende Überlegenheit über den Sterbenden etwas gemildert. Die Kriegerfigur - in den Augen der Münsteraner: "Ein Dreizehner" - stand vermutlich in der stilgeschichtlichen Nachfolge des antiken "sterbenden Galliers". [3]

Sollte oder wollte solch idealisierender Naturalismus die brutale Realität des Kriegselends und des Gefallenentodes verleugnen? Nach Maßgabe der offiziellen militärpädagogischen Intentionen des Kriegerdenkmales waren die grauenvolle und chaotische Seite des Gefallenentodes auszublenden, um Irritationen der Öffentlichkeit auszuschließen. Aus diesem Grunde konnte nur scheinbar von Ignoranz oder gar einem Widerspruch "wider besseres Wissen der Veteranen" [3] die Rede sein, zumal die öffentliche Denkmalsrezeption nicht sich selbst überlassen, sondern von amtlicher Gedenkliteratur - Regimentsgeschichten und militärseelsorglichem Schrifttum - begleitet wurde. Deren ungeschminkte, drastische Schilderung des Grauens an der Kriegsfront mochte jegliche Verharmlosung des Kampfgeschehens widerlegen. Für die Denkmalsgestaltung war allerdings das "Beispiel" der anderen Regimenter auf den Schlachtfeldern maßgebend, denen die Münsteraner "Dreizehner" aus Gründen des Prestiges profilierende Gegenakzente bieten mußten. Die Wechselwirkungen der verschiedenen Denkmalserrichtungen trugen so erheblich zur Intensivierung Wilhelminischer Denkmalspropaganda bei.

Im Regierungsbezirk Münster, aus dem sich Mannschaften und Offiziere des populären "Dreizehner"-Regiments seit Jahrzehnten rekrutierten, entstanden später sogar Nachbildungen des Colombeyer-Denkmals, so zum Beispiel in Ahlen, Borgholzhausen und Nottuln. [3]


[1] Silke Wenk, Warum ist die (Kriegs)Kunst weiblich? Frauenbilder auf öffentlichen Plätzen, in: Kunst und Unterricht, Heft 101, April 1986, S. 12.
[2] Hubert Delvos, Geschichte der Düsseldofer Denkmäler, Gedenktafeln und Brunnen, Düsseldorf 1938, S. 116f.; Lurz, Kriegerdenkmäler, Band 2, S. 350f.
[3] Bach, Studien, S. 170-174. Vgl. Rolf Westheider, "Für König und Vaterland", Kriegerdenkmäler in Ostwestfalen. Westfalen im Bild. Reihe: Kulturdenkmale in Westfalen, Heft 6, Münster 1993, S. 20f.


TECHNIKFoto
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OBJEKT-PROVENIENZMünster, Stadtarchiv Münster (2b)
FOTO-PROVENIENZMünster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/S. Sagurna (2a)


QUELLE    Vogt, Arnold | Krieg und Gewalt in der Denkmalskunst | Dia 02, S. 14-18
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Zeit3.8   1850-1899
Sachgebiet5.1   Militär und Krieg / Allgemeines
15.12.5   Kriegs- und Militärdenkmäler
DATUM AUFNAHME2004-02-23
AUFRUFE GESAMT588
AUFRUFE IM MONAT112