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(127 KB)   "Euer Herz erschrecke nicht!" - Kirchenoffizielle Kriegspredigt: Schwertkämpfer und Dämonen, 1914 / Bonn, Evangelisches Kirchenamt für die Bundeswehr / J. Klem   "Euer Herz erschrecke nicht!" - Kirchenoffizielle Kriegspredigt: Schwertkämpfer und Dämonen, 1914 / Bonn, Evangelisches Kirchenamt für die Bundeswehr / J. Klem
TITEL"Euer Herz erschrecke nicht!" - Kirchenoffizielle Kriegspredigt: Schwertkämpfer und Dämonen, 1914
DATIERUNG1914
GEOPOSITIONGoogle Maps OSM | 51.745228273865200 (NS), 8.712327182292938 (EW) (exakt)


INFORMATIONWährend des Ersten Weltkrieges wurden bereits Kriegerdenkmäler geplant. Freilich war die Realisierung solcher Vorhaben überwiegend auf das Frontgebiet und den unmittelbar rückwärtigen Raum beschränkt. Kommunale, bürgerlich zivile Initiativen für den Denkmalsbau wurden allein schon durch den Mangel denkmals- oder rüstungswichtiger Metalle von ihrem Vorhaben abgehalten, aber auch durch die ungewisse Kriegsdauer und den Umstand, daß die Mehrzahl der Kriegstoten eben in Frontnähe begraben wurde oder noch gar nicht bekannt war.

Den wenigen Denkmalserrichtungen stand eine Fülle bildreicher kirchlicher Schriften gegenüber. Sie begünstigten schon in Weimarer Zeit die Entwicklung neuer, religiöser Formen des Gefallenengedächtnisses. Repräsentative Bedeutung gewannen Predigtempfehlungen in kirchenoffiziellen, patriotischen Publikationen. Sie faßten die verschiedenen Beiträge aus Heer und Marine sowie aus Bundes- und Bündnisstaaten des gesamten deutschsprachigen Raumes mit der entsprechenden Autorisation der katholischen bzw. evangelischen Kirchenoberen zusammen. Sie stellten ein wichtiges Medium dar, um die traditionellen Inhalte militärisch-kirchlicher Symbolik zu vermitteln. Vor allem der exklusive Sinnzusammenhang von Christentum, monarchischem Patriotismus und militärischer Pflichterfüllung fand sich in allen Beiträgen gleichermaßen wieder.

In den militär- und kriegsrelevanten Kernaussagen stimmten die großen Kirchen ungeachtet der konfessionellen Unterschiede überein. Dabei waren jahrhundertealte Gemeinsamkeiten wirksam. [1] Die alte, konfessionell gefärbte Rivalität zwischen den deutsch(sprachig)en Großmächten Österreich und Preußen hatte unter dem nationalen Einigungsgebot, insbesondere durch die Anforderungen des Kriegsbündnisses 1914 an Kraft verloren. Dazu erklärte Karl Hammer:
"Im großen Ganzen wurde ... das katholische Glaubensgut an das nationale angeglichen, wobei die konfessionellen Lehrunterschiede nicht nur in der Praxis, sondern auch in der Theorie immer mehr verschwanden. Das ist auch der Grund, weshalb wir es überhaupt wagen, evangelische und katholische Kriegstheologie im selben Buch zu vereinen und im systematischen Teil ohne weiteren Hinweis auf die Konfession der Verfasser Dokumente aus beiden Kirchen nebeneinander zu stellen ". [2]
Dies läßt sich aus Mustersammlungen und -predigten exemplarisch belegen. Sie entstammen den schon erwähnten kirchenoffiziellen Predigtwerken katholischer und evangelischer Konfession. [3] In äußerer Gestaltung, Format und Bildausstattung stimmten sie demonstrativ überein. Die Illustrationen aus den Predigtempfehlungen boten wegweisende Motive für Kriegerdenkmäler der Weimarer Zeit. Für Kriegerdenkmäler und Predigtillustrationen gab es offenbar gemeinsame intentionale Bezüge, so zum Beispiel in der situativen Orientierung und Darstellung bestimmter Szenen: Abschied von der Familie; die Begegnung mit dem Feind (Schlacht); Verwundung oder Sterben; die Heimkehr; das Ausharren der Familienangehörigen. Das kirchliche, kriegstheologische Engagement schuf mit der reichen Fülle von Bilddarstellungen wichtige Voraussetzungen für die spätere Dominanz christlicher Motive unter den Kriegerdenkmälern der Weimarer Zeit. Angesichts der grundlegenden inhaltlichen Übereinstimmung von Denkmälern und Predigten verwundert es nicht, daß Neuauflagen der Predigtwerke auf evangelischer Seite sinnfällig als "Denkmäler" und das katholische Pendant unter dem Titel "St. Michael..." als "Monumentalwerk" bezeichnet wurden.

Die verschiedenen Beiträge der Kirchen bewerteten das Kriegsgeschehen ausnahmslos positiv als "Gottes Wille", als Chance, teils sogar als "heiliges" Geschehen oder als "schöne" Gelegenheit zu "jenseitiger" Gottesgemeinschaft durch den Gefallenentod in Anlehnung an frühere Lehrtraditionen. Diese Abgrenzung vom "Diesseits" und vom "weltlichen" Frieden entsprach dem vorherrschenden kirchlichen Amts- oder Seelsorgeverständnis in beiden Konfessionen. Zweifel an der "rechtmäßigen" oder gottgewollten Obrigkeit waren ausgeschlossen. Vergeblich hatten einige kirchliche Stimmen versucht, eine eigenständig-konfessionsbetonte Abgrenzung von national- und militärideologischen Anforderungen zu vollziehen. In zunehmendem Maße wurden die Grenzen zwischen Ideologie, Theologie, Kriegsführung und "Seelsorge" verwischt. Auffällig war auch die Gleichstellung von Märtyrer- und Gefallenentod. Sie wurde noch bekräftigt durch jene Gottesdienste, die an der Front unter Kriegsbedingungen, in Unterständen, Gräben, in Höhlen oder Ruinen gefeiert und als "Katakombengottesdienst" bezeichnet wurden. Der österreichische Major Abel berichtete: "Auf dem Waldboden knieten sie hin. Verfolgt und bedroht am Leben wie die ersten Christen, voll Glauben und Hingebung an die Menschwerdung Gottes". [4] Diese Atmosphäre förderte sehr einfache Denkmuster, in denen die Gegensätze Gott-Antichrist oder Christen-heidnische Römer auf die Kriegssituation zwischen dem eigenen Militär und seinen inneren und äußeren Feinden übertragen wurden. Dabei wurde vor allem die Gleichstellung oder Annäherung von Gott und Vaterland/Nation deutlich. Christliche Tradition und Kontinuität schienen ausschließlich beim (deutschen und österreichisch-ungarischen) Militär und der von ihm gestützten Staats- und Gesellschaftsordnung verkörpert zu sein. Diese Vorstellungen prägten auch die spätere Denkmalsrezeption und -gestaltung.

So exklusiv kirchliche Schriften wirkten, so konfessionsübergreifend-humanitär entwickelte sich die Praxis kirchlich-pastoraler Soldatenbetreuung. In der chaotischen Anomalie des Kriegsgeschehens boten die kirchlichen und freiverbandlichen Hilfs- und Seelsorge-Organisationen die einzige institutionalisierte Gelegenheit zur Erholung, um die Zuversicht auf geordnete, friedvolle und menschenwürdige Lebensverhältnisse zu erhalten. In diesem Sinne wurde das kirchliche Engagement auch von den Soldaten empfunden: es galt als einzige Dienstleistung mit menschlichem Charakter, deren Verantwortungsträger zwar Offiziersrang und vorgesetztenähnliche Stellungen einnahmen, aber in ihren Umgangsformen weitgehend auf Befehls- und Kommandoton verzichteten.

Dies zeigte sich auch in der Praxis christlich-jüdischer Zusammenarbeit. Unter den Kriegsbedingungen waren überetatsmäßige Feldrabbiner angestellt und freie jüdische Hilfsorganisationen zugelassen worden, die nach christlichem Vorbild wirkten. Jüdische Einrichtungen errangen in der deutschen Armee einen Stellenwert, der im internationalen Vergleich der verschiedenen kriegführenden Mächte nur von Österreich-Ungarn übertroffen wurde. [5] Der hohe Kriegseinsatz beruhte auf einer starken nationaldeutschen Identifikation. Sie wurde in den jüdisch-theologischen Schriften deutlich analog zur christlich-kirchlichen Literatur - und beeinflußte in gleicher Weise das spätere Gefallenengedächtnis der Weimarer Zeit.


[1] Julius Hanak, Die evangelische Militärseelsorge im alten Österreich unter besonderer Berücksichtigung ihrer Eingliederung in den kirchlichen Verband, 87./88. Jahrbuch der Gesellschaft für die Geschichte des Protestantismus in Österreich, Wien 1971, S. 5ff. (Zur Bedeutung Luthers für die katholische Kriegstheologie).
[2] Karl Hammer, Deutsche Kriegstheologie (1870-1918), München 1971, S. 41.
[3] Bruno Doehring (Hg.), Eine feste Burg, Predigten und Reden aus eherner Zeit, 2 Bände, Berlin 1914ff. (mehrere Auflagen), seit 1921 unter dem neuen Titel: Eine feste Burg, Denkmäler evangelischer und deutscher Art aus schwerer Zeit, Berlin 1921 (mit verschiedenen Beiträgen westfälischer Autoren).
[4] Abel, In Gottes Hand, in: Viktor Lipusch (Bearb.), Österreich-Ungarns katholische Militärseelsorge im Weltkriege, hg. unter der Protektion des Fürstbischofs von Seckau und Militärvikars Ferdinand Pawlikowski, Wien 1938, S. 367.
[5] Eugen Tannenbaum (Hg.), Kriegsbriefe deutscher und österreichischer Juden, Berlin 1915; Vgl. Arnold Vogt, Religion im Militär, Seelsorge zwischen Kriegsverherrlichung und Humanität, eine militärgeschichtliche Studie, Frankfurt/Main 1984, S. 579-614.


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OBJEKT-PROVENIENZBonn, Evangelisches Kirchenamt für die Bundeswehr
FOTO-PROVENIENZJ. Klem


QUELLE    Vogt, Arnold | Krieg und Gewalt in der Denkmalskunst | Dia 04, S. 20-22
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Zeit3.9   1900-1949
Sachgebiet5.1   Militär und Krieg / Allgemeines
15.12.5   Kriegs- und Militärdenkmäler
DATUM AUFNAHME2004-02-23
AUFRUFE GESAMT563
AUFRUFE IM MONAT117