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(2 KB)   Franz von Papen als Page am Berliner Hof, 1897 / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/E. Tschich   Franz von Papen als Page am Berliner Hof, 1897 / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/E. Tschich
TITELProzessionsstation: Frömmigkeit und Soldatenpflicht (Darstellung: Betende uniformierte Soldaten vor Kruzifix, Münster 1915)
GEOPOSITIONGoogle Maps OSM | 51.745228273865200 (NS), 8.712327182292938 (EW) (exakt)


INFORMATIONDas Foto zeigt eine nach zeitgenössischem Geschmack reich ausgeschmückte Station der Großen Prozession im Jahre 1915 in Münster. Vor einem Kruzifix sind zwei Soldaten zu sehen. Sie sind durch ihre Gebetshaltung und durch ihre korrekte Uniformierung als vorbildlich ausgewiesen und sollen die Betrachter und Passanten zur Nachahmung anregen. Inhaltlich wird die ganze Szenerie über dem Portal der Clemenskirche durch eine Fahne mit Gebetstexten akzentuiert, die zugleich das Anliegen der beiden betenden Soldaten darstellen
"Du Opfer / dem das Heil entsprosset / das uns des / Himmels Tor / erschlosset! / Uns drängt der / Feind in schweren Kriegen / Verleih uns Kraft / und hilf uns siegen." [1]

Die Bildszenerie dokumentiert die zeitgenössische Kriegsfrömmigkeit. Sie weist deutliche Parallelen auch zur Kriegerdenkmalsgestaltung auf: dazu gehört die Selbstdarstellung der Initiatoren (Denkmalsstifter bzw. der ausschmückenden Personen), wie sie auch andernorts üblich war, ferner die Gegenüberstellung vom Gefallenen/Opfer/Christus am Kreuz und den Oberlebenden mit dem Gebet "... und hilf uns siegen!" Die Orientierung der Szene am Opfer-Tod von Jesus Christus relativiert den Gefallenentod und das Kriegselend und bündelt zugleich die existentiellen Kriegsnöte und -hoffnungen in den vertrauten, religiösen Vorstellungen. Die Gebetstexte auf der Fahne verknüpfen das inhaltliche Konzept der Szene mit der damals vorherrschenden theologischen Rechtfertigung des Krieges als erzwungenen, "gerechten Kampf" zur Verteidigung gegen die "drängenden Feinde". Mit dieser Intention und mit ihrem Bildmotiv enthält die Ausschmückung der Prozessionsstation wichtige Elemente der späteren, kirchlich-religiösen Kriegerdenkmäler.

Die Bedeutung der religiösen Vorstellungen mit den entsprechenden Bildmotiven spiegelte sich nicht zuletzt n der volkstümlichen Gegenpropaganda zu Kriegspredigten und Kriegerdenkmälern, wie sie hier am Beispiel von zwei Kriegspostkarten deutlich wird: [2]

Die beiden Postkarten sind Ausdruck der Zweifel und Anklagen, die sich seit 1915 zunehmend gegen die offizielle Kriegsführung, Militärpolitik und deren kirchlich-religiöse Rechtfertigung richteten. Sie nehmen Bezug auf die Kriegerdenkmalspropaganda und auf das kirchlich-religiöse Gedankengut. Eine naturalistische Christusfigur mit klagend erhobenen Händen ist vor dem Hintergrund einer kriegszerstörten Siedlungslandschaft neben einem Grabstein mit den Namen der sechs großen kriegführenden Nationen abgebildet, deren Anfangsbuchstaben das Wort "Friede" ergeben. Die andere Karte enthält eine sarkastische Anklage gegen Kriegstheologie und Kriegspropaganda, aufgebaut in der Form eines politischen Glaubensbekenntnisses, wie es zu politischen Auseinandersetzungen seit alters her verwandt wurde. [3]

Beide Postkarten wurden von der Militärverwaltung verboten und nach Möglichkeit aus dem Verkehr gezogen. Ihre Verbreitung wurde mit Strafen geahndet. Außerdem unternahmen Militär- und Zivilbehörden, aber auch die Kirchen, vorbeugende Maßnahmen zur "Aufklärung". Ohnehin unterlag das gesamte öffentliche Leben einer strengen, militäramtlichen Überwachung. Kriegskritische Stimmen wurden schon im Keim erstickt, so auch kirchliche Äußerungen und Klagen über den zu geringen konfessionellen Freiraum und über eine Vielzahl von Kriegsmißständen. Eine prinzipielle Ablehnung der Kriegsführung und ihre kirchlich-theologische Rechtfertigung wurde von Kirchenautoritäten der verschiedenen Bekenntnisse allerdings nicht vertreten. Wenn überhaupt, dann konnte sich Kriegskritik nur in der Karikatur artikulieren. Die Präsenz der Feldgeistlichkeit und deren Befreiung vom regulären Waffendienst galten als maßgeblicher Beitrag "christlicher Friedensethik", um die sittliche und ethische Integrität der Truppen zu gewährleisten. Eine ähnliche, religiös motivierte Befreiung vom Waffendienst wurde lediglich in Ausnahmen geduldet, zum Beispiel für einige Mennoniten-Familien mit dem Privileg ausschließlicher Kranken- und Verwundetenpflege. [4]


[1] Eduard Schulte (Hg.), Kriegschronik der Stadt Münster 1914/18, Band VI: Veröffentlichungen der Historischen Kommission des Provinzialinstituts für Westfälische Landeskunde, Münster 1930, S. 81.
[2] Postkartensammlung (PK-Nr. 984 [Friede] und 3897 [Glaubensbekenntnis]) in: Bayerisches Hauptstaats-/Kriegsarchiv München.
[3] vgl. Gebhard Mehring, Das Vater-unser als politisches Kampfmittel, in: Zeitschrift für Volkskunde, 19. Jahrgang, Berlin 1909, S. 129-142.
[4] Arnold Vogt, Religion im Militär, S. 550-566.


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OBJEKT-PROVENIENZMünchen, Bayerisches Hauptstaatsarchiv
FOTO-PROVENIENZMünster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/S. Sagurna


QUELLE    Vogt, Arnold | Krieg und Gewalt in der Denkmalskunst | Dia 05, S. 23-25
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Zeit3.9   1900-1949
Ort3.5   Münster, Stadt <Kreisfr. Stadt>
Sachgebiet5.1   Militär und Krieg / Allgemeines
15.12.5   Kriegs- und Militärdenkmäler
DATUM AUFNAHME2004-02-23
AUFRUFE GESAMT423
AUFRUFE IM MONAT85