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(90 KB)   Opfermal: Trauer (Kauernde Frau [Germania], Frankfurt 1920) / Frankfurt/M., Staatliche Landesbildstelle Hessen   Opfermal: Trauer (Kauernde Frau [Germania], Frankfurt 1920) / Frankfurt/M., Staatliche Landesbildstelle Hessen
TITELOpfermal: Trauer (Kauernde Frau [Germania], Frankfurt 1920)
GEOPOSITIONGoogle Maps OSM | 51.745228273865200 (NS), 8.712327182292938 (EW) (exakt)


INFORMATIONNach dem Ersten Weltkrieg wurde die herkömmliche Bezeichnung der Gefallenen als "Söhne", "Kameraden" oder "Helden" in der Mehrzahl der Denkmalsinschriften fortgeführt. Doch es gab erstmals auch Alternativen zur vorherrschenden Propaganda, indem die "Opfer" des Krieges beklagt werden. Ein frühes Beispiel schuf der aus Dortmund stammende Bildhauer Benno Elkan in Frankfurt/Main mit dieser überlebensgroßen Frauenfigur aus dunklem Granit, den gebeugten Kopf auf die Linke gestützt, in kauernder Haltung mit gespreizten Füßen, - auf zweiteiligem Sockel, mit der Widmungsinschrift "Den Opfern" auf dem kleineren Oberteil.

Die Enthüllung des Opfermals am 03.10.1920 wurde ein
"... Skandal ... Es gab da Eingaben an die Stadtverwaltung und Leserbriefe in den Zeitungen; denn mancher Mitbürger konnte sich nicht damit abfinden, daß 'der nackte Mensch' den Schmerz der Mutter Deutschland um die im Ersten Weltkrieg Gefallenen versinnbildlichen sollte. Elkan dozierte damals ..., der 'echte Künstler mit dem ihm eigenen hohen Gedankenpflug' eile seiner Zeit voraus; sie hole ihn jedoch alsbald ein, zuweilen überlebe er sie sogar". [1]
Sicher war es seiner starken und eigenständigen Persönlichkeit zu verdanken, daß sich Elkan gegen den Strom seiner Zeit durchzusetzen vermochte. Er widersprach dem vorherrschenden Entwicklungstrend vieler neuer Kriegerdenkmäler, der trotz unterschiedlicher Stilrichtungen - christliche Motive, sepulkralarchitektonische, naturalistische oder germanisierend-klassizistische Formen - durchweg eine militärkonforme Bewertung des Krieges beibehielt. Demgegenüber wählte Elkan eine moderne, kubische Gestaltung, um menschliche Betroffenheit und Trauer über Kriegsleid und -folgen auszudrücken. Elkan schuf eine nationale Art "Mater dolorosa" - Deutschland als trauernde Mutter, wie das Denkmal von Zeitgenossen empfunden wurde. Er erreichte eine hohe künstlerische Ausdruckskraft - die fast nackte Frauengestalt in kauernder Haltung -, die den Betrachter zu engagierter Stellungnahme herausfordert. Auch die Inschrift mit der lapidaren Widmung verstärkt den melancholischen Gesamteindruck von Trauer ohne ablenkende, "ehrende" Sinn- oder Wertbindung, wie sie den übrigen Kriegerdenkmälern durchweg zu eigen war. Elkans Anspruch, der auf eine rein menschliche Trauer zielt, und der kubistische Stil waren seinerzeit unter deutschen Ehrenmälern wohl einmalig. In Düsseldorf kam ein vergleichbares Regimentskriegerdenkmal von Jupp Rübsam acht Jahre später zur Ausführung. Es war ähnlich umstritten und wurde bald darauf (unter nationalsozialistischer Herrschaft) auch zerstört. 1924 hatte Karl Knappe aus Münster Reliefs für die Seitenwände des Ehrenmals im Münchener Hofgarten entworfen: acht Grabwächter (in kubistischen Formen) inmitten eines Gräberfeldes - eine Anklage gegen den Krieg als Ursache von Tod und Vernichtung. Aus Westfalen und Lippe wurden damals keine entsprechenden Objekte bekannt, sofern nicht Elkans Dortmunder Herkunft und Bindungen hierzu berücksichtigt sind. Erst später, im Jahre 1927, wurde in Herford ein Denkmal von Ernst Paul Hinkeldey mit dem Titel "Opfertod" enthüllt, das ähnlich umstritten wie das Frankfurter Opfermal war. [2]

Das Frankfurter Opfermal bildet eine der seltenen Alternativen vorherrschender Gefallenen-"Ehrung". Militär- und kriegskritische Positionen traten vor allem in modernen Denkmalsstilen hervor (vgl. "Ehrenmäler" von Ernst Barlach, Käthe Kollwitz und die Bildkritik des Kruzifix von George Grosz). Die stilgeschichtliche und intentionale Sonderstellung sowie die kühne, künstlerische Eigenständigkeit Elkans erlauben einen Vergleich mit modernen, expressionistischen Formen. Die Expressionisten verbanden aber im Unterschied zu den Vertretern des Kubismus die Trauer mit einer politischen Stellungnahme, so zum Beispiel Walter Gropius mit einem Denkmal für die Märzgefallenen in Weimar oder das Gedächtnismal von Mies van der Rohe für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in Berlin. [3] Auch konservative, militärkonforme Stifter entschlossen sich für moderne Stile als Ausdruck ihres Anliegens, wie beim Ehrenmal des 1. Westfälischen Feld-Artillerie-Regiments Nr. 7 im Düsseldorfer Hofgarten, ein Gemeinschaftswerk des Architekten Stobbe, des Kunstmalers Bergmann und des Bildhauers Zieseniss aus dem Jahre 1928. Vier Blöcke tragen die Gefallenenwidmung, darüber Reliefs für Frieden, Krieg und Wiederaufbau, auf deren Spitze eine Granate im Augenblick ihrer Explosion zu sehen ist. [3] Viele der modernen, teils militärkritischen Denkmäler der 20er und 30er Jahre wurden in der Zeit des Nationalsozialismus zerstört oder beseitigt. Den erwähnten kubistischen Reliefs von Karl Knappe blieb dieses Schicksal erspart. Durch einen Glücksfall fiel auch Elkans Werk nicht der Zerstörungswut anheim. Es überstand das "Dritte Reich" unversehrt in privater Magazinierung (Neuaufstellung in Frankfurt: 1952/1953).


[1] Artur Joseph, Nachruf für einen Unvergessenen, der künstlerische Nachlaß des Bildhauers Benno Elkan wird bei Christie's in London versteigert, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 04.11.1961, S. 49; vgl. Hans Menzel-Severing, Der Bildhauer Benno Elkan, Dortmund 1980.
[2] Rolf Westheider, "Für König und Vaterland", Kulturdenkmäler in Ostwestfalen, Bildmediensammlung - Diaserie zur westfälischen Landeskunde "Westfalen im Bild" der Landesbildstelle Westfalen, Münster 1993, S. 30f.
[3] Meinhold Lurz, Kriegerdenkmäler in Deutschland, Band 4, Heidelberg 1985-87, S. 217.


TECHNIKFoto
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FOTO-PROVENIENZFrankfurt/M., Staatliche Landesbildstelle Hessen


QUELLE    Vogt, Arnold | Krieg und Gewalt in der Denkmalskunst | Dia 06, S. 26-28
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Zeit3.9   1900-1949
Ort1.8.320   Frankfurt am Main, Stadt
Sachgebiet5.1   Militär und Krieg / Allgemeines
15.12.5   Kriegs- und Militärdenkmäler
DATUM AUFNAHME2004-02-23
AUFRUFE GESAMT805
AUFRUFE IM MONAT129