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(83 KB)   Kriegerkapelle: Ohnmacht und Hoffnung (Lourdes-Figurengruppe mit Kruzifix und Gefallenenkreuzen, Freckenhorst 1944) / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/S. Sagurna   Kriegerkapelle: Ohnmacht und Hoffnung (Lourdes-Figurengruppe mit Kruzifix und Gefallenenkreuzen, Freckenhorst 1944) / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/S. Sagurna
TITELKriegerkapelle: Ohnmacht und Hoffnung (Lourdes-Figurengruppe mit Kruzifix und Gefallenenkreuzen, Freckenhorst 1944)
GEOPOSITIONGoogle Maps OSM | 51.745228273865200 (NS), 8.712327182292938 (EW) (exakt)


INFORMATIONUngeachtet der vorherrschenden Denkmalspropaganda und des Terrors entstanden neue Formen des Gefallenengedächtnisses im Rahmen kirchlicher Frömmigkeit, insbesondere durch die Marienfrömmigkeit. Sie war im Zweiten Weltkrieg verbreitet - nicht nur in der katholischen Konfession (vgl. als Beispiel die bekannte "Stalingrad-Madonna" des evangelischen Pfarrers Dr. Kurt Reuber). [1] In der katholischen Gemeinde Freckenhorst prägte die Marienfrömmigkeit das kirchlich religiöse Gefallenengedächtnis, dem eigens die Lourdes-Kapelle gewidmet wurde. Sie ist durch eine zeitgenössische Postkarte überliefert:

Die Postkarte führt den Blick entlang dem eigentlichen Gedächtnismal (rechts im Bild) auf eine durch Blumenschmuck und Felskulisse reich ausgestattete Nachbildung der Marienerscheinung von Lourdes. In einer Grotte des südfranzösischen Ortes, am Fuß der Pyrenäen, hatte die 14jährige Bernadette Soubirous (vgl. Statue links im Bild) im Jahre 1858 über mehrere Marienerscheinungen in einer Gestalt berichtet, die inmitten des Bildes nachgestellt wurde. Am Ort des Geschehens entspringt eine Quelle (s. Bild unten), derem Wasser wunderbare Heilkraft nachgesagt wird. Lourdes entwickelte sich zu einem der bedeutendsten Marien-Wallfahrtsorte der Welt, bald auch mit kirchlich autorisierter Anerkennung. Papst Pius Xl. sprach Bernadette Soubirous 1925 "selig" und 1933 "heilig". Die Ereignisse in Lourdes lösten bedeutende Impulse auch für das Gefallenengedächtnis aus. Ende 1944 bzw. Anfang 1945 hatte
"die Kirchengemeinde Freckenhorst ... die Lourdeskapelle in der Stiftskirche dem Gedächtnis der Gefallenen gewidmet. In der Kapelle wurde das bekannte Weiße Feldkreuz aufgestellt, und rings um das Kreuz ist in sinnvoller Weise für jeden Gefallenen ein kleines schlichtes Holzkreuz mit Namen, Geburts- und Todestag angebracht worden". [2]
Wie eine Collage verknüpft die Raumgestaltung der Gefallenengedächtniskapelle verschiedenartige Ausdruckselemente aus christlich-religiöser Kunst, Frömmigkeit und Brauchtum zu einem wirkungsvollen Ensemble. So erscheint die menschlich-kindliche Figur der Bernadette Soubirous als Fürbitterin und Hoffnungsträgerin - frei von jedweder Schuld, von Kriegsnot und Elend - vor der himmlischen Gestalt Mariens mit dem Blick (und den Bitten des Kindes) auf den Gekreuzigten bzw. die Gefallenenkreuze. Das Kreuz symbolisiert die religiöse Heilszuversicht, die Überwindung des Todes und das höchste Leidensopfer durch Christus, weit emporragend über dem "Berg" der Gefallenenkreuze, die den Krieg als eine Art von neuem "Kalvarienberg" anklagen, andererseits aber auch relativieren. Die Gruppierung der Gefallenenkreuze bis in die Lourdes-Szene hinein konfrontiert die Mariengestalt auf eindringliche Weise mit dem Kriegsleid und dem Schmerz sowie der Trauer um die verlorenen Angehörigen. Sie stellt einen weitgehend spontanen, unpolitischen Ausdruck der Hilflosigkeit, der Ohnmacht, aber auch der Hoffnung und der gläubigen Zuversicht auf eine bessere Weit im Jenseits wie im Diesseits dar. Solch religiös transzendierende Perspektive weiß sich eins mit den Verstorbenen, beschränkt sich nicht nur auf eine theologisch-geistige Ebene, sondern erfüllt ebenso tiefe Gefühle und Sehnsüchte, deren Kraft sich dem Zugriff der nationalsozialistischen Machthaber schon auf Grund der Andersartigkeit entziehen konnte.


[1] Die Ersatzbataillone für die 6. Armee in Stalingrad waren vor allem aus dem Münsterland rekrutiert. Vgl. Martin Kruse (Hg.), Die Stalingrad-Madonna, Hannover 1993.
[2] Lilli Breede und Heinrich Nolde, 1100 Jahre Freckenhorst, das Stift Freckenhorst und die politische Gemeinde im Wandel der Jahrhunderte, Warendorf 1951, S. 49; vgl. Arnold Vogt, Gefallenengedächtnis in Freckenhorst, ein Spiegel des öffentlichen Kriegs- und Gefallenengedächtnises, in: Freckenhorst, Schriftenreihe. Heft 8, 1990, S. 74-86.


TECHNIKFoto
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FOTO-PROVENIENZMünster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/S. Sagurna


QUELLE    Vogt, Arnold | Krieg und Gewalt in der Denkmalskunst | Dia 08, S. 32f.
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Zeit3.9   1900-1949
Ort3.8.13   Warendorf, Stadt
Sachgebiet5.1   Militär und Krieg / Allgemeines
15.12.5   Kriegs- und Militärdenkmäler
DATUM AUFNAHME2004-02-23
AUFRUFE GESAMT412
AUFRUFE IM MONAT76