QUELLE

DATUM1906   Suche   Suche DWUD
URHEBER/AUSSTELLEROetker, Dr. August
AUSSTELLUNGSORTBielefeld
TITEL/REGESTÜberlegungen Dr. August Oetkers, den Umsatz des Geschäftes zu erhöhen
TEXT[S. 1] Diskret

Wie ist es möglich, den Umsatz des Geschäftes zu erhöhen?

Nur durch eine intensive Bearbeitung der Kundschaft durch große allgemein gehaltene Inserate von seiten der Fabrik und durch Bearbeitung des einzelnen Abnehmers durch die Vertreter.

Es hat sich herausgestellt, daß der Verkauf meiner Hauptartikel Backpulver, Puddingpulver und Vanillinzucker verhältnismäßig leicht ist, weil ich das Publikum fortwährend durch meine Inserate beeinflusse. Es ist aber unmöglich, alle Artikel in gleicher Weise dem Publikum bekannt zu machen, weil die Inserate zu teuer sind.

Ich habe geglaubt, daß durch die Vertreter trotzdem meine neuen Artikel verkauft würden, habe mich aber in dieser Annahme geirrt, denn der Absatz ist bisher ein recht kleiner.

Die Entwicklung des Geschäftes hat dahin geführt, daß die Vertreter am liebsten die Großfirmen besuchen und lässt sich das verstehen. Aber die Großfirmen können neue Artikel nicht einführen, weil sie am einzelnen viel zu wenig Interesse haben.

Es ist also für meine Vertreter unbedingt nötig, die Detaillisten regelmäßig zu besuchen und wenn es sich zeigt, daß die Bezirke so groß sind, daß dies nicht möglich ist, dann müssen die Bezirke verkleinert werden oder ich muß für meine neuen Artikel andere Betriebsmethoden einrichten, welche meinen bisherigen Vertretern einen Teil ihrer Provision abschneiden. Rücksichten und sentimentale Anwandlungen sind in einem Geschäfte überflüssig, es handelt sich nur darum, was im Interesse des Ganzen notwendig ist und dieses muß geschehen.

Meiner Ansicht nach muß folgendes beachtet werden und mag dies ein Anhalt sein für die Herren, welche diese Einrichtungen noch nicht getroffen haben.
  1. Aus jedem Bezirke ein Verzeichnis der Großfirmen, welche Markenartikel führen. Genaue Auskunft über Inhaber, Prokuristen und Reisende. Kontrolle der laufenden Abschlüsse und Erneuerung vor der völligen Abnahme, damit kein Konkurrent dazwischen kommt.
  2. Verzeichnis der Detaillisten nach dem A B C und ein 2tes Verzeichnis nach den Straßen. Genaue Auskunft über Inhaber, Einkäufer und die Angestellten, welche längere Zeit im Geschäfte sind und für den Vertrieb Bedeutung haben.
    Kontrolle der Plakate: Angabe des Schildes, welches sich außerhalb des Hauses befindet und über die Blechschilder, welche innerhalb des Ladens angenagelt sind.
    Verbietet der Inhaber das Anbringen [S. 2] der Schilder, so ist der Grund anzugeben. In diesem Falle müssen die benachbarten Konkurrenten um so mehr Plakate haben. Das Anbringen der Schilder ist von größter Wichtigkeit und habe ich mich manchmal gewundert, wie wenig dies von meinen Vertretern beachtet ist. Das Anbringen der Schilder ist von größter Wichtigkeit für das Wachsten des Geschäftes, denn jedes Plakat unterstützt den Betrieb.
    Alle möglichen Plakate sieht man an den Türen und Häusern, nur die meinen nicht und es ist doch entschieden die Sache des betreffenden Vertreters, darüber nachzudenken und Anregung zu geben, wie solches in den einzelnen Bezirken am besten zu bewerkstelligen ist.
    Wenn diese Abnehmer in der angedeuteten Weise bearbeitet sind, muß man besondere Klassen der Konsumenten vornehmen.
  3. Muster und Rezeptbücher senden an die Ärzte und Krankenhäuser und sonstige Heilanstalten; besonders offerieren Fleischsaft und Fleischextrakt. Pudding-Pulver als vorzügliche mit Milch zu verordnende Kindernährmittel.
    Je 1 Fortuna-Kochbuch für das Wartezimmer.
  4. Bäcker und Konditoren besuchen. Ersteren Backpulver und Vanillin-Zucker lose offerieren, letzteren außer obigen Artikeln Fleischsaft zur schnellen Anfertigung von Bouillon, beiden aber auch vorstellen, daß die kleinen 10 Pfg.-Düten ein guter Verkaufsartikel sind. Da die Bäcker Hefe verkaufen, ist es naturgemäß, daß sie auch Backpulver verkaufen werden.
  5. Den Vorsitzenden der Bäckerinnung besuchen und aufmerksam machen, daß es doch im Interesse aller Mitglieder liegt, diesen Artikeln ihr Interesse zu schenken.
  6. Bahnhofsrestaurateure: Kaffeekuchen selbst mit Back-Pulver backen, Fleischsaft und Fleischextrakt offerieren und die Schilder in den Bahnhöfen kontrollieren, ob sie einen guten Platz haben. Im anderen Falle den Bahnhofsinspektor bitten, dem Plakate einen besseren Platz zu geben.
  7. Konsum-Vereine besuchen und besonders auf die Pudding-Pulver hinweisen, weil diese von dem kleinen Publikum mehr gebraucht werden wie Backpulver.
  8. An Diakonissenhäuser Rezeptbücher senden.
  9. Drogenhandlungen besuchen und Inhaber darauf hinweisen, daß es richtiger ist, die bekannten Artikel zu verkaufen als eigene abzugeben. Sonst geht das Publikum dorthin, wo es die annoncierten Fabrikate bekommt.
  10. Erziehungsanstalten für Kinder: Vorsteherinnen Muster und Bücher überreichen und auf die Billigkeit und Nährwert der Puddings hinweisen.
  11. Fabriken;
  12. Frauenstifte und Frauen-Vereine mit Rezeptbücher versehen.
  13. [S. 3] Gastwirte;
  14. Haushaltungsschulen mit Mustern und Büchern, Fortuna-Kochbücher offerieren.
  15. Hebammen auf Kindernährmittel hinweisen.
  16. Hefehandlungen müssen auch Backpulver verkaufen.
  17. Heilanstalten: Rezeptbücher Fleischsaft und Extrakt;
  18. Hotels: Gustin, Fleischextrakt und Fleischsaft.
  19. Kindergärten;
  20. Kleinkinderbewahranstalten;
  21. Klöster;
  22. Koch- und Haushaltungsschulen: Vorsteherin besuchen und Muster dort lassen. Fortuna-Kochbücher offerieren.
  23. Köche und Kochfrauen besuchen.
  24. Krankenhäuser: Küchenvorstand Gustin, Fleischextrakt und Saft offerieren.
  25. Krankenhauspfleger und –Pflegerinnen;
  26. Küchenmeister siehe Köche;
  27. Lehrern und Lehrerinnen Rezeptbücher senden.
  28. Mädchenheimen Rezeptbücher senden
  29. Metzger auf den Verkauf von Fleischextrakt und Fleischsaft hinweisen
  30. Milchkuranstalten Rezeptbücher zum Verteilen an ihre Kundschaft offerieren.
  31. Pensionate besuchen und den Vorsteherinnen die Artikel vorführen.
  32. Seminaren Rezeptbücher senden.
  33. Zahnärzten ein Fortuna-Kochbuch für das Wartezimmer überreichen, darauf hinweisen, daß die Fabrikate die notwendigen phosphorsauren Salze enthalten, welche für den Zahn- und Knochenaufbau notwendig sind.



[S. 4] Konkurrenz-Artikel

Es ist von Bedeutung, daß jeder Vertreter sich ein Verzeichnis von den Konkurrenzfabrikaten macht, welche in dem betreffenden Bezirke offeriert werden; denn nur dann ist es möglich, in manchen Bezirken, wo es eben nötig ist, mehr zu inserieren und Propaganda zu machen, wie ursprünglich beabsichtigt war. Wenn ein solches Verzeichnis fertig ist, hat der betreffende Herr auch eine Kontrolle darüber, ob und wann er die betreffenden Konkurrenzfabrikate der Fabrik eingesandt hat.

Jedes Konkurrenzfabrikat muß untersucht werden, über jeden neu auftretenden Mitbewerber unserer Branche muß eine genaue Auskunft eingesandt werden, denn nur mit offenen Augen kommen wir weiter; ein Stehenbleiben ist auch hier ein Zurückgehen.

In einer großen Stadt an der Hauptstraße, im feinsten Geschäfte der Stadt lagen große schön eingebundene Bücher der Royal Baking Powder Co und der Vertreter hatte das nicht gesehen, nicht gekauft und nicht in die Fabrik gesandt. Wer so etwas nicht sieht, der passt vielleicht zum Koupons abschneiden, aber nicht zum Vertreter eines vorwärts strebenden Geschäftes.

Praktisch ist jedenfalls, während eines Monats die betreffenden Konkurrenzfabrikate zu kaufen und am Ende des Monats im Pakete zu senden, einen kurzen Bericht darüber zu schreiben und damit ist die Angelegenheit für den betreffenden Monat erledigt und man braucht nicht immer darauf zurückzukommen.

Ferner habe ich die Idee, in jeder Stadt ein erstes Detailgeschäft zu veranlassen, von allen meinen Artikeln ein Lager zu übernehmen, damit ich die Damen welche bei mir anfragen, an diese Geschäfte weisen kann.

Es kommt so häufig vor, daß Damen schreiben: Wo kann ich Ihr Gustin ec. erhalten, ich war in verschiedenen Läden, aber habe es nicht bekommen! Oder die Damen schreiben: Wenn ich Ihre Rothe Grütze verlange, gibt man mir immer andere Sorten ec.

Solche Briefe zeigen doch, daß irgend etwas in der Organisation des Betriebes nicht so funktioniert wie es sollte, und bin ich für jede Verbesserung zu haben.

Ich bitte, mir Ihre Ansichten und Verbesserungen mitzuteilen und begrüße Sie

mit Hochachtung!
Dr. A. Oetker
Bielefeld
Institut für Küchenchemie

1906 / 7
ERLÄUTERUNGAugust Oetker entwickelte für seine Produkte schon früh eine Werbestrategie, um sie bekannt zu machen und bei den Käufern "Markentreue" zu erzielen. Auf der Rückseite der Papiertütchen für Backpulver druckte er Kuchenrezepte ab, er gab Bücher mit Rezepten und Haushaltsratgeber heraus. Alle Produkte wurden mit Anzeigen in Zeitungen beworben, häufig mit Gutscheinen für Rezeptbücher oder Ratgeber. Für die gezielte Werbung stellte Oetker auch immer wieder aktuelle Listen der möglichen Kundenkreise zusammen.


SIGNATURS3 / 174


SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ1.3   Einzelquelle (in Volltext/Regestenform)
Zeit3.9   1900-1949
Ort2.1   Bielefeld, Stadt <Kreisfr. Stadt>
Sachgebiet10.1   Wirtschaft und Arbeit / Allgemeines
10.2   Wirtschaftsförderung, Wirtschaftspolitik, Gewerbepolitik
14.1   Medien und Öffentlichkeit / Allgemeines
DATUM AUFNAHME2004-03-31
AUFRUFE GESAMT2328