QUELLE

DATUM1912-09-14   Suche   Suche DWUD
URHEBER/AUSSTELLERDünkelberg, Wilhelm
AUSSTELLUNGSORTBommern
TITEL/REGESTArbeitsordnung der Steinhauser Dampfziegelei W. Dünkelberg
TEXTArbeits-Ordnung der Steinhauser Dampfziegelei W. Dünkelberg

[S. 3] § 1.
Jeder in Beschäftigung tretende erwachsene Arbeiter hat bei seinem Eintritt seine Papiere vorzulegen, sowie die Quittungskarte der Alters- und Invalidenversicherung abzugeben; derselbe hat der „Betriebskrankenkasse des Tiefbau-Unternehmers W. Dünkelberg“ beizutreten. Jugendliche Arbeiter haben außerdem ihr Arbeitsbuch abzugeben.

§ 2.
Jeder Arbeiter erhält ein Exemplar dieser auch in den Fabrik- und gemeinschaftlichen Wohnräumen aufzuhängenden Arbeitsordnung, die er auch durch seine Unterschrift anzuerkennen hat. Das ihm übergebene Exemplar hat er sorgsam aufzubewahren und beim Austritt aus der Fabrik zurückzugeben oder mit 30 Pfennig zu ersetzen.

§ 3.
Die Arbeiter sind zunächst dem Arbeitgeber oder dessen Stellvertreter, sodann dem Werkführer (Meister) untergeordnet und haben die Anordnungen derselben zu befolgen. Sämtliche Arbeiter, sowohl die Ziegelarbeiter für Akkord- oder Campagne-Arbeit, als auch die Tagearbeiter (Tagelöhner), Maschinisten, Kesselheizer etc. mit Ausnahme der zur Besorgung des Fuhrwesens notwendigen Knechte werden durch den Betriebsinhaber oder dessen Stellvertreter angenommen und von diesem nach Abkommen (§ 11) ausgelohnt.

[S. 4] § 4.
Die ordnungsmäßige Lösung des Arbeitsverhältnisses kann beiderseits durch Kündigung nur am 15. jeden Monats mit der Maßgabe erfolgen, daß dasselbe mit Ende des Monats erlischt. Jedoch kann ein Arbeiter sofort, ohne Aufkündigung und vor Ablauf der vertragsmäßigen Zeit entlassen werden:
  1. wenn er den Arbeitgeber durch Vorzeigung falscher oder verfälschter Arbeitsbücher oder Zeugnisse hintergangen oder ihn über das Bestehen eines anderen ihn gleichzeitig noch verpflichtenden Arbeitsverhältnisses in einen Irrtum versetzt hat;
  2. wenn er sich eines Diebstahls, einer Unterschlagung, eines Betruges oder eines liederlichen Lebenswandels schuldig macht;
  3. wenn er die Arbeit unbefugt verlassen hat oder sonst den nach dem Arbeitsvertrage ihm obliegenden Verpflichtungen nachzukommen beharrlich sich weigert;
  4. wenn er trotz wiederholter Verwarnung mit Feuer, Licht und feuergefährlichen Materialien unvorsichtig umgeht;
  5. wenn er sich Tätlichkeiten oder grober Beleidigungen gegen seine Vorgesetzten oder deren Angehörige oder gegen seine Mitarbeiter zu Schulden kommen läßt;
  6. wenn er sich einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Sachbeschädigung zum Nachteile des Arbeitgebers oder eines Mitarbeiters schuldig macht;
  7. [S. 5] wenn er Mitarbeiter oder deren Angehörige zu Handlungen verleitet oder zu verleiten sucht oder mit denselben Handlungen begeht, welche wider die Gesetze oder die guten Sitten verstoßen;
  8. wenn er zur Fortsetzung seiner Arbeit unfähig wird oder wenn er mit einer abschreckenden Krankheit behaftet ist;
  9. wenn er der wiederholten Aufforderung, den Vorschriften der Hausordnung nachzukommen beharrlich sich weigert;
  10. bei Trunkenheit während der Arbeit;
  11. bei ausdrücklicher Verweigerung des Gehorsams;
  12. bei Aufreizung von Mitarbeitern zum Ungehorsam;
  13. beim Verrat der Fabrikgeheimnisse und der Fabrikationsmethode.

Andererseits kann auch jeder Arbeiter in den im Gesetze bestimmten Fällen vor Ablauf der vertragsmäßigen Zeit ohne Aufkündigung die Arbeit verlassen.
Falls der Arbeiter die Arbeit rechtswidrig verläßt, ist er dem Arbeitgeber zur Entschädigung verpflichtet und zwar bis zur Höhe des durchschnittlichen Wochenlohnes.
Die zurückbehaltenen Lohnbeträge werden zur Deckung der entstandenen Verluste des Arbeitgebers verwendet.

[S. 6] § 5.
Die regelmäßige Arbeitszeit für erwachsene Arbeiter ist festgesetzt:
a) für die Monate April bis Oktober auf 11 Stunden und zwar von 6 Uhr morgens bis 7 Uhr abends,
b) für die Monate November bis März auf 9 Stunden und zwar von 7 Uhr morgens bis 6 Uhr abends.
Eine Unterbrechung der Arbeit findet statt durch folgende Erholungspausen:
1. von 8 1/2 bis 9 Uhr (Frühstückspause);
2. von 12 bis 1 Uhr (Mittagspause);
3. von 4 bis 4 1/2 Uhr (Vesperpause).
In der Zeit November bis März fällt die Vesperpause fort.
Für jugendliche Arbeiter ist die Arbeitszeit auf 9 Stunden festgesetzt und dauert von 7 Uhr morgens bis 6 Uhr abends. Pausen wie für die erwachsenen Arbeiter.
Der Betriebsinhaber behält sich jedoch vor, eine durch irgend welche Verhältnisse, z. B. Häufung der Arbeit, Betriebsstörungen, durch Unglücksfälle oder bauliche Veränderungen und dergl. nötig werdende Ausdehnung oder Einschränkung der Arbeitszeit jederzeit durch schriftliche Bekanntmachung an die erwachsenen Arbeiter anordnen zu können.
Etwaige Aenderungen in der regelmäßigen Arbeitszeit werden durch Nachträge zur Arbeitsordnung unter Beachtung der §§ 134 a, 134 b und 134 c der Gewerbe-Ordnung herbeigeführt.

[S. 7] § 6.
An Sonn- und Festtagen dürfen nur die notwendigsten Arbeiten für Reinhaltung und Instandhaltung, durch welche die regelmäßige Fortsetzung des Betriebes bedingt ist, und Arbeiten, welche zur Verhütung des Verderbens von Arbeitserzeugnissen erforderlich sind, vorgenommen werden.

§ 7.
Die im § 5 angegeben Arbeitszeiten beziehen sich nicht auf die Brenner, Maschinisten, Kesselheizer und Fuhrknechte.
Die Arbeitszeit der Brenner ist auf 12 Stunden festgesetzt und zwar je von 6 Uhr Morgens bis 6 Uhr Abends und von 6 Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens.
Die Sonntagsruhe der Brenner beträgt nach den gesetzlichen Vorschriften entweder einen Sonntag um den andern 12 Stunden (von 6 Uhr Morgens bis 6 Uhr Abends) oder an jedem dritten Sonntag 36 Stunden.
Der Maschinist und der Kesselheizer haben sich so einzurichten, daß bei Beginn der Arbeit die Maschine betriebsfähig ist.

§ 8.
Anfang und Ende der Arbeit, sowie der Erholungspausen werden durch ein Signal angezeigt und haben sich alle Arbeiter hiernach pünktlich zu richten.

§ 9.
Die Arbeiter dürfen die ihnen angewiesenen Arbeitsplätze außer in Bedürfnisfällen nicht verlassen.
[S. 8] Müßiges Zusammenstehen, Lesen von Druckschriften etc. während der Arbeitszeit ist verboten.

§ 10.
Während der Arbeitszeit ist das unmäßige Trinken von Branntwein und anderen geistigen Getränken untersagt; ebenso ist das Rauchen während der regelmäßigen Arbeitszeit gänzlich verboten. Zuwiderhandlungen werden bestraft.

§ 11.
Die Auszahlung der Löhnung erfolgt jedesmal am 4. des Monats. Fällt der 4. auf einen Sonntag oder Feiertag, so erfolgt die Löhnung an dem darauffallenden Tage.
Die Auszahlung der Löhnung für die in § 4, ersten Absatzes erwähnten Arbeiter erfolgt am 1. des der Kündigung folgenden Monats. Fällt der 1. auf einen Sonn- oder Feiertag, so erfolgt die Löhnung an dem darauf folgenden Tage.

§ 12.
Sämtliche Arbeiter sind zur Reinigung und Instandhaltung der ihnen anvertrauten Maschinen und Werkvorrichtungen verpflichtet; sie haben jede Störung im Gange der Maschinen, jede Beschädigung derselben oder der Werksvorrichtungen (Apparate, Werkzeuge etc.) wie der Sicherheitsvorkehrungen sofort zur Anzeige zu bringen.
Jeder Arbeiter hat die ihm übergebenen Eßgeschirre, Werkzeuge, Lampen, Laternen etc., welche in einem Buche verzeichnet werden, beim Abgange zurückzuliefern, widrigenfalls er zum Ersatz verpflichtet ist.
[S. 9] Unbrauchbar gewordene Stücke hat derselbe dem Betriebsinhaber bezw. dessen Stellvertreter abzuliefern, um Ersatzstücke in Empfang zu nehmen.
Allgemeine Werkzeuge sind dach dem Gebrauch dem Werkführer oder Meister, von dem sie geliehen sind, in unbeschädigtem Zustande wieder abzuliefern.

§ 13.
Die Ziegler, welche ihre Kost und Schlafstelle in den der Ziegelei gehörigen Räumen erhalten, sind verpflichtet, für größte Sauberkeit und Ordnung Sorge zu tragen.
Wenn bei der wöchentlich zweimal unvermutet stattfindenden Kontrolle seitens des Betriebsinhabers oder dessen Stellvertreters Unsauberkeit oder Unordnung der jedem einzelnen Arbeiter überwiesenen Schränke oder Schlafstellen gefunden wird, soll eine entsprechende Bestrafung eintreten.

§ 14.
Für Familien-Angehörige der Arbeiter ist der Aufenthalt auf den Arbeitsplätzen während der Arbeitszeit strengstens untersagt.

§ 15.
Jeder Arbeiter muß bereit sein, jede andere von seiner gewöhnlichen Beschäftigung abweichende Arbeit zu übernehmen.

§ 16.
Glaubt sich ein Arbeiter durch das Verhalten seiner Vorgesetzten oder Mitarbeiter benachteiligt oder verletzt, so hat er diese unter Belegung von [S. 10] Tatsachen dem Betriebsinhaber bezw. dessen Stellvertreter vorzutragen, welcher, falls die Beschwerde begründet ist, Abhülfe schaffen wird.

§ 17.
Urlaub ist vom Betriebsinhaber oder dessen Stellvertreter einzuholen.

§ 18.
Jeder Arbeiter hat sich mit den in den Arbeitsräumen aushängenden Unfall-Verhütungsvorschriften bekannt zu machen und dieselben genau zu befolgen. Von Erkrankungen und erhaltenen Verletzungen hat der Betreffende seinen Vorgesetzten sofort Anzeige zu machen.

§ 19.
Die Verrichtung der Notdurft darf nur auf den Aborten unter Beobachtung der größten Reinlichkeit geschehen.

§ 20.
Uebertretungen dieser Arbeitsordnung können vom Betriebsinhaber mit Geldstrafen, welche im Allgemeinen den halben Tagesarbeitsverdienst nicht übersteigen dürfen, geahndet werden; jedoch können Tätlichkeiten gegen Mitarbeiter, erhebliche Verstöße gegen die guten Sitten, sowie gegen die zur Aufrechhaltung der Ordnung des Betriebes, zur Sicherung eines gefahrlosen Betriebes oder zur Durchführung der Bestimmungen der Gewerbe-Ordnung erlassenen Vorschriften mit Geldstrafe bis zum vollen Betrage des durchschnittlichen Tagesarbeitsverdienstes belegt werden.
Einspruch hiergegen kann nicht erhoben werden.

[S. 11] § 21.
Alle Geldstrafen fließen der Betriebskrankenkasse zu oder werden zum Besten der Arbeiter verwandt. Kassenbeiträge und Beiträge zur Alters- und Invalidenversicherung, sowie die Geldstrafen werden vom Lohne einbehalten.

§ 22.
Diese nach Anhörung der erwachsenen Arbeiter festgestellte und von der zuständigen Behörde genehmigte Arbeitsordnung tritt nach 2 Wochen, das heißt am 1. Oktober 1912, in Kraft und bleibt so lange in Gültigkeit, bis sie durch Nachträge oder eine neue Arbeitsordnung abgeändert bezw. ersetzt wird.

Bommern, den 14. September 1912.

W. Dünkelberg.
ERLÄUTERUNGDie Arbeitsordnung der Ziegelei Dünkelberg regelt die Arbeitszeiten und die Lohnauszahlung und erhält außerdem Verhaltensvorschriften, die der Disziplin und der Sicherheit am Arbeitsplatz dienten. Bei Verstößen gegen das Reglement wurden die Arbeiter mit Geldstrafen bedacht. Dieses Geld floss in die betriebliche Krankenkasse und kam damit allen Arbeitern zugute, denn alle Arbeitnehmer der Firma W. Dünkelberg waren verpflichtet, der betriebseigenen Krankenkasse beizutreten.

Auf der Ziegelei Dünkelberg arbeiteten viele Wanderziegler, die aus dem Lippischen Raum für eine "Kampagne" (= Frühjahr bis Herbst) nach Witten kamen. Für sie gab es auf dem Ziegeleigelände extra Unterkünfte.


PROVENIENZ  LWL-Industriemuseum / Westfälisches Landesmuseum für Industriekultur
BESTANDZiegelei Dünkelberg


SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ1.3   Einzelquelle (in Volltext/Regestenform)
Zeit3.9   1900-1949
Ort1.3.9   Witten, Stadt
1.5   Ruhrgebiet
Sachgebiet10.9   Arbeit, Beschäftigte
10.13   Industrie, Manufaktur
DATUM AUFNAHME2004-03-31
AUFRUFE GESAMT4279
AUFRUFE IM MONAT298