QUELLE

DATUM1945-11   Suche Portal
TITEL/REGESTMerkblatt zur Anwerbung von Arbeitskräften für den rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau
TEXTMerkblatt für die Anwerbung von Arbeitskräften für den rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau

1. Art der Beschäftigung

Es kommt nur eine Beschäftigung im unterirdischen Grubenbetrieb infrage. Damit der Umschüler mit den Untergageverhältnissen schnell vertraut gemacht und möglichst bald produktiv eingesetzt werden kann, wird er zunächst nur für eine Spezialtätigkeit, z. B. Hereingewinnen der Kohle im Streb, Umlegen der Fördermittel im Abbau, Einbringen des Bergeversatzes in die ausgekohlten Feldesteile und dergl. mehr, kurzfristig angelernt.


2. Löhne der Umschüler

Die untertage eingesetzten bergfremden Umschüler erhalten während des Einführungslehrganges in Anlernkameradschaften oder Anlerngruppen (etwa 3-6 Wochen, je nach Festlegung zwischen Betriebsführer und Betriebsrat) den Schichtlohn von RM 6,71, bis - beginnend jeweils am 1. eines Monats - eine ordnungsmäßige Beschäftigung im Gedinge erfolgt.

Bei dieser Tätigkeit im Gedinge wird folgend Einstufung vorzusehen sein (Rechnung über reduzierte Schichten) bei einer

Gedingegrundlage von RM 8,40
1. Jahr:
1. Monat 60%
2. " 70%
3. " 80%
4-12. " 90%
2. Jahr: 921/2 %
ab 3 Jahr bis zur Hauerprüfung 95%

Daneben sind folgende Anlernzulagen zu zahlen:
im 1. Monat bei 60% Einstufung RM 2,50
im 2. " " 70% " " 1,70
im 3. " " 80% " " 0,85

Für den 4.-12. Monat kommt der Gedingeschlepperabzug von 10% infrage, im 2. Jahr der Beschäftigung im Gedinge der Abzug von 71/2 %, vom 3. Jahre ab bis zur Hauerprüfung der Lehrhauerabzug von 5 %.

Sollte etwa in Ausnahmefällen nach 3 Monaten wegen mangelnder Anstelligkeit oder fehlender Wendigkeit eine Einstufung in Höhe von 90% nicht als gerecht anzusehen sein, kann der Werksleiter im Benehmen mit einem Vertreter der Betriebsvertretung die Einstufung noch einige weitere Monate auf 80% bei Zahlung der entsprechenden Anlernzulage von RM 0,85 belassen.


3. Geldüberweisungen an Familienangehörige

Die Frage der Geldüberweisungen an Familienangehörige in der britisch und der amerikanisch besetzten Zone ist geklärt. Inwieweit eine Überweisung in Zukunft an Familienangehörige in der russisch besetzten Zone möglich sein wird, wird noch geklärt.


4. Urlaubsanspruch

Der Urlaubsanspruch regelt sich nach dem im rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau gültigen Tarifvertrag. Hiernach erhält der Umschüler nach einjähriger Beschäftigung untertage:

bis zum vollendeten 5. Jahr 6 Arbeitstage
von 6 Jahren 7 Arbeitstage
von 7 Jahren 8 Arbeitstage
von 8 u. 9 Jahren 9 Arbeitstage
von 10 bis 14 Jahren 11 Arbeitstage
von 15 bis 19 Jahren 12 Arbeitstage
von 20 Jahren an 14 Arbeitstage


5. Familienheimfahrten

Es ist vorgesehen, daß der Umschüler, soweit seine Familie außerhalb des Bezirks wohnt, einmal im Monat eine unbezahlte Freizeit von 2 Schichten für eine Familienheimfahrt erhält. Sofern er den Wohnort der Familie an einem Tage nicht erreichen kann, erhöht sich der Urlaub auf 3 Tage.


6. Deputatkohle

Jeder verheiratete Bergmann erhält gemäß Tarifordnung bis zu 120 Zentner (je nach Familiengröße) Deputatkohlen. Die Versorgung der auswärts wohnenden Familien mit Deputatkohlen per Reichsbahn ist zurzeit nicht möglich. Es kann daher augenblicklich eine Versorgung der auswärts wohnenden Familien nur insoweit infrage kommen, als die Möglichkeit des Abtransportes per Achse gegeben ist. Unverheiratete Bergleute, die bei nicht deputatkohlenberechtigten Familien wohnen, können für die Wintermonate Hausbrandkohle zum ortsüblichen Handelspreise erhalten und zwar monatlich je 5 Zentner bis zu einer jährlichen Höchstmenge von 30 Zentner.


7. Verpflegung

Der untertage eingesetzte Umschüler erhält neben der Normalration eine Schwerstarbeiter-Hausverpflegung und außerdem für jede verfahrene Schicht eine zusätzliche Werksverpflegung, bestehend aus einem belegten Brot zur Mitnahme nach untertage und einer warmen Suppe. Die Verpflegungssätze für den Bergschwerstarbeiter betragen einschl. der Werkszusatzverpflegung in der letzten, der 82. Zuteilungsperiode:

Fleisch 4 000 gr
Fett 1 570 gr
Brot 17 800 gr
Nährmittel 4 000 gr
Kartoffeln 20 000 gr
ERLÄUTERUNGDer Ruhrbergbau stand nach dem Krieg unter Kontrolle der Alliierten. Dazu wurde die North German Coal Control (NGCC) eingerichtet. Für Reparationsleistungen und für den Wiederaufbau in Deutschland war die schnelle Wiederaufnahme der Kohleförderung ein wesentlicher Faktor. Da zahlreiche Bergleute gefallen oder in Kriegsgefangenschaft waren, mussten die Zechen in ganz Deutschland Arbeitskräfte anwerben. Diese "Neubergleute" arbeiteten anch kurzer Anlernzeit direkt in der Kohlegewinnung. Die Versorgung der Bergleute war im Vergleich zur übrigen Bevölkerung erheblich besser. So konnten die Zechen gerade mit dem Hinweis auf die gute Lebensmittelversorgung und gesicherte Unterkunft zahlreiche Männer anwerben.


PROVENIENZ  Bergbau-Archiv Bochum
BESTANDSchachtanlage Emscher-Lippe, Datteln
SIGNATURBBA 35 / 203


SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ1.3   Einzelquelle (in Volltext/Regestenform)
Ort1.5   Ruhrgebiet
Sachgebiet5.11   Wiederaufbau
10.2   Wirtschaftsförderung, Wirtschaftspolitik, Gewerbepolitik
10.9   Arbeit, Beschäftigte
10.14   Montanindustrie
DATUM AUFNAHME2004-03-31
AUFRUFE GESAMT2654
AUFRUFE IM MONAT222