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(2 KB)   Franz von Papen als Page am Berliner Hof, 1897 / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/E. Tschich   Franz von Papen als Page am Berliner Hof, 1897 / Münster, LWL-Medienzentrum für Westfalen/E. Tschich
TITELEhrenmal / Gegendenkmal; Konflikt und Reflexion (Marschierende Soldaten / Feuersturm, Hamburg 1936 / 1986)
GEOPOSITIONGoogle Maps OSM | 51.745228273865200 (NS), 8.712327182292938 (EW) (exakt)


INFORMATIONFür die Gefallenen des "Infanterie-Regiments Hamburg 2. Hanseatisches Nr. 76" und des "Reserve-Infanterie-Regiments Nr. 76" entwarf Richard Kuöhl 1935/36 ein Denkmal, das später - nach dem Zweiten Weltkrieg überregionale Diskussionen auslösen sollte. Es handelt sich um einen Block aus Muschelkalk - ca. 8,9 m lang, 4,3 m breit und bis zu 7 m hoch. Auf drei Seiten erhielt der Block ein ca. 2,3 m hohes Reliefband. Darauf sind überlebensgroße marschierende Soldaten in 22 Vierergruppen auf einem vorgelegten, von Balkenköpfen getragenen Steg um den Block herum abgebildet. Über der Reliefzone schließen sich zwei Widmungsinschriften an: "Deutschland muß leben und wenn wir sterben müssen" (zum Botanischen Garten hin) und (zum Dammtorbahnhof hin) die Namen der beiden erwähnten Regimenter. In der nördlichen Begrenzungsmauer wurden Schrifttafeln eingelassen mit den Schlachtorten des dt.-franz. Krieges und der Inschrift "Großtaten der Vergangenheit sind Brückenpfeiler der Zukunft". Zwei weitere Tafeln für die Gefallenen und Vermißten des Regiments aus dem Zweiten Weltkrieg kamen später hinzu. Das Projekt war nachdrücklich von den Traditionsverbänden der Regimenter vertreten worden, aber lange Zeit am Widerstand des Hamburger Senats gescheitert, der dann in seiner Mehrheit ein anderes Denkmal für die Gefallenen der Stadt akzeptierte: Man beschloß eine "trauernde Mutter mit Kind" - mit der Inschrift "Vierzigtausend Söhne der Stadt ließen ihr Leben für Euch". Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme in Hamburg konnte das Vorhaben in veränderter Form verwirklicht werden. Vorausgegangen waren eine Reihe von Maßnahmen, die den Entwurfswettbewerb auf die nationalsozialistischen Interessen abstimmten. Verwirklicht wurde das Konzept von Richard Kuöhl.

Nach dem Zusammenbruch der Hitler-Diktatur blieb das Denkmal vom alliierten Denkmalssturz verschont. Seither entzünden sich aber ständig heftige Auseinandersetzungen um die eventuelle Beseitigung, Erhaltung oder Neugestaltung des Objekts. Bundeswehreinheiten und verschiedenen Traditionsverbänden diente es zum Kriegsgedenken. Extremistische Kundgebungen, z. B. die "Aktionsfront Nationaler Sozialisten", lösten wiederholte Auseinandersetzungen, Senatsdebatten, Sprengstoffanschläge, politisch motivierte Bemalungsaktionen, Demonstrationen und bundesweite Fernseh- und Radiosendungen aus. Daraufhin wurde 1982 ein Wettbewerb für die Neugestaltung der Anlage ausgeschrieben. Dabei galt es, folgendes zu berücksichtigen:
"Für viele Hamburger Bürger ist das Dammtor-Denkmal ein Kriegerdenkmal: eine Gedenkstätte für Angehörige, die im Krieg ihr Leben lassen mußten. Diese Auffassung verdient Respekt und Beachtung. Wahr ist aber auch, daß das Denkmal gleichermaßen von vielen Bürgern und Gästen unserer Stadt als Provokation empfunden wird... Wer Krieg und Völkermord erlebt hat, muß in dem Denkmal eine Verhöhnung und Beleidigung der Opfer von Krieg und Faschismus sehen. Aussage und Entstehungsgeschichte des Denkmals widerlegten mit aller Deutlichkeit, daß das Dammtor-Denkmal ausschließlich ein Ehrenmal für die Gefallenen des Krieges ist. Wer davon ausgeht, verdrängt die Geschichte und zeigt sich unempfindlich für die demonstrative Geste der Anlage und die entlarvenden Inschriften. Dennoch kommt ein Abriß des Denkmals nicht in Betracht. Dies wäre geschichtsfeindlicher Rigorismus, der Probleme nicht löst, sondern verschleiert. Historisches Bewußtsein ist notwendig, um die Demokratie zu verteidigen; dazu trägt die Beseitigung nicht bei. Notwendig ist jedoch die Aufklärung über den Mißbrauch der Gefallenenverehrung". [1]

Die Entscheidung fiel schließlich zugunsten der Änderungsvorschläge des österreichischen Bildhauers und Zeichners Alfred Hrdlicka, der den Auftrag zu ergänzenden Objekten erhielt. Er bekannte sich zu einem politisch reflexiven, wörtlichen Begriffsverständnis: "Denk mal!" und thematisierte Kriegsleid und -tod kontrastierend zu dem kriegsverherrlichenden, -verdrängenden alten Bauwerk. Dazu erklärte er:
"Als ich dieses Denkmal sah, war für mich sofort klar, daß seine Zerstörung eine sinnlose Tat wäre. Man hat sich ja auch immer gegen Bücherverbrennung gestellt, und Denkmalsstürmer und Bücherverbrenner sind nicht so weit voneinander entfernt, obwohl bei Büchern immer irgendein Exemplar in irgendeiner Schublade überleben wird. Von den paar Millionen Hitlerköpfen hätte man ruhig alle wegwerfen können, das waren Massenprodukte. Aber dieses Denkmal ist schon ein passender Ausdruck für den Geist seiner Zeit. Es ist die Verherrlichung des Krieges. Und es gibt die Chance, etwas dagegenzusetzen. Bevor ich ein Buch verbrenne, schreib ich doch lieber ein Gegenbuch. Ich habe es auch als falsch empfunden, daß man dieses Denkmal verzieren, verhohnepipeln wollte. Sich über den Klotz lustig zu machen, hilft ja auch nicht. Lächerlichkeit tötet nicht, sie macht eher unsterblich. Nein, die Sache ist, was sie ist, und da stellt man was dagegen. Es wäre doch schön, an allen Stellen, an denen der Geist des Faschismus wirklich signifikant ist, etwas entgegenzusetzen. Vom faschistischen Standpunkt her gesehen, ist das Hamburger Kriegerdenkmal in seiner vervielfältigenden Art ja ganz richtig gemacht, da rennen Soldaten um den Block - eine einzige Person, tausendmal oder sechsundsiebzigmal gestanzt. Es verkörpert das Technologische, auf das die Nazis immer gepocht haben... Ich will dagegen den Schrecken der Person darstellen, das, was die Leute wirklich erfahren haben. Man geht in Reih und Glied in den Krieg, kommt aber unter Umständen ohne Gliedmaßen zurück. Insofern ist das Hamburger Denkmal ja ein makaberer Witz: ein Kriegerdenkmal ohne Tote. Ich will also diesem herrlichen Massenerlebnis die persönliche Betroffenheit entgegensetzen, das, was wirklich geschehen ist. Es geht ja nicht gegen irgendeinen Krieg. Es handelt sich um einen ganz bestimmten, und es geht darum, was dieser Krieg mit sich brachte... Meine künstlerische Überlegung dabei war: Ich brauche einen architektonischen Kern. Ich kann ja meine Figuren so durch den Park spazieren lassen, gerade, weil ich sie nicht auf einen Sockel stelle. Sie sollen einem begegnen, im Weg stehen, eingängig sein - gerade, weil die Soldaten auf dem anderen Denkmal so umgängig sind -, ein Forum bilden, auf dem die Leute zu ihrer Geschichte geführt werden. Das erste Stück, das wahrscheinlich größte, wird der sogenannte "Hamburger Feuersturm" werden. Der zweite Komplex wird das Frauenbild des Faschismus zeigen - das ist schon deshalb nötig, weil auf dem anderen Denkmal nur Männer dargestellt sind. Krieg ist nicht nur Männersache, auch wenn der Heldentod angeblich nur den Männern vorbehalten ist... Der dritte Denkmalskomplex, der auch später aufgestellt werden soll, wird eine Erinnerung an Hinrichtungen, Terror und KZ's sein...!" [2]


[1] Presseerklärung der Stadt Hamburg, laut freundlicher Information von Karl Weber, Referatsleiter "Kunst im öffentlichen Raum" der Kulturberhörde Hamburg vom 14.05.1987; vgl. Bärbel Hedinger u. a., Ein Kriegerdenkmal in Hamburg, Hamburg 1979.
[2] Alfred Hrdlicka, Auseinandersetzung mit einem Standpunkt (mit Textzitaten aus der offiziellen Ausschreibung zur Neugestaltung des Dammtor-Geländes), masch.schr. Mskr., laut frdl. Information von Karl Weber, Referatsleiter "Kunst im öffentlichen Raum" der Kulturbehörde Hamburg vom 14.05.1987.


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QUELLE    Vogt, Arnold | Krieg und Gewalt in der Denkmalskunst | Dia 12, S. 39-41
PROJEKT    Diaserie "Westfalen im Bild" (Schule)

SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ35   Bildmaterial (Reproduktion, Foto)
Zeit3.9   1900-1949
3.10   1950-1999
Ort1.7   Hamburg <1945/46 - > / Stadt
Sachgebiet5.1   Militär und Krieg / Allgemeines
15.12.5   Kriegs- und Militärdenkmäler
DATUM AUFNAHME2004-02-23
AUFRUFE GESAMT827
AUFRUFE IM MONAT182