QUELLE

DATUM1855-08-03   Suche Portal
AUSSTELLUNGSORTPaderborn
TITEL/REGESTStatut des in Paderborn zu errichtenden jüdischen Waisenhauses für die Provinz Westfalen
TEXTVon der Erziehung und Verpflegung der Waisen.
[Auszug]

§. 10.
Der beseelende Geist der Anstalt soll treue Elternliebe gegen die verwaisten Kinder sein. In diesem Geiste sollen dieselben mit Liebe und Festigkeit zu frommen und rechtschaffenen Menschen, friedlich duldsamen Bürgern, treuen Genossen des Staates und tüchtigen Arbeitern, dem gemeinen Wohl zur Förderung und Gott zu Ehren erzogen werden.

§. 11.
Als jüdisches Institut soll die Anstalt vor Allem dahin arbeiten, dass ihren Zöglingen die den Juden geoffenbarte Religion ein klar erkanntes geistiges Besitzthum, dass sie ihnen eine Herzenssache und ein Segen für das Leben werde. Die religiöse Verfassung der Anstalt soll die einer wahrhaft frommen und erleuchteten jüdischen Familie sein. Die Kinder sollen zum Verständnisse des Wortes Gottes und der heiligen Tradition in der Ursprache hingeleitet, die heiligen Tage sollen mit den alherkömmlichen Gebräuchen würdig gefeiert und die Wirthschaft soll in diesem Sinne streng geführt werden.

§. 12.
Das Mass der den Zöglingen mitzutheilenden geistigen Bildung soll kein allgemein vorgeschriebenes sein, ihnen auch hinsichtlich des zu wählenden Berufs kein Zwang auferlegt, jedoch bei Knaben vorzugsweise auf ihre Ausbildung für bürgerliche Gewerbe Rücksicht genommen, den Mädchen dagegen eine sorgfältige Anleitung zur Besorgung häuslicher Geschäfte gegeben werden.

§. 13.
Das Institut sorgt demnach dafür, dass sämmtliche Zöglinge zunächst eine gründliche Elementar-Bildung, aber auch, dass die durch vorzügliche Anlagen dazu berufenen Zöglinge, welche sich zugleich durch Fleiss und Sittigkeit fortdauernder Wohlthaten werth bewiesen, eine angemessene weitere Ausbildung erhalten, letzteres jedoch nur so weit es die Mittel der Anstalt zulassen. -

§. 14.
Für die physische Erziehung der Kinder soll durch eine einfache - doch nicht kärgliche - Lebensweise, durch strenge Gewöhnung zur Ordnung und Reinlichkeit, ferner durch Spaziergänge, gymnastische Uebungen und muskelstärkende Arbeiten im Garten und in einer Tischlerwerkstatt gesorgt werden. Die Kinder werden gewöhnt, sich möglichst selbst zu bedienen, zugleich aber leichtere ökonomische Geschäfte für das Ganze in der Reihenfolge tageweise zu übernehmen.

§. 17.
Bei der Entlassung aus dem Institute werden die Knaben, insofern sie keine höhere Bildung erhalten sollten, als Lehrlinge bei einem Gewerbtreibenden, vorzugsweise bei einem Handwerker und die Mädchen bei einer Herrschaft untergebracht.

Ausnahmsweise kann ihnen das Curatorium auch noch sonstige Wohltaten erweisen.

§. 18.
Das Unterrichts-Personal muss seine Befähigung hierzu durch die vom Staate vorgeschriebenen Prüfungen nachweisen.


PROVENIENZ  Stadtarchiv Paderborn
SIGNATURA 1413


SYSTEMATIK / WEITERE RESSOURCEN  
Typ1.3   Einzelquelle (in Volltext/Regestenform)
Zeit3.8   1850-1899
Ort2.7.8   Paderborn, Stadt
2.30.37   Westfalen, Provinz (Preußen) <1815-22.08.1946>
Sachgebiet6.8.10   Juden
6.8.15   Säuglinge, Kinder, Jugendliche
8.4   Sozialfürsorge, Fürsorgeeinrichtungen
16.4   Jüdische Gemeinden
DATUM AUFNAHME2004-04-20
AUFRUFE GESAMT1566
AUFRUFE IM MONAT135